Die zwischen 1929 und 1940 gebauten Modelle aus der Delage D8-Serie verkörpern die vielleicht kreativste, innovativste und eleganteste Phase der goldenen Ära französischer Karosseriebaukunst. Eingekleidet in höchst unterschiedliche Gewänder von Chapron, Paulin, Latourneur & Marchand, De Villars, Figoni, Saoutchik und Franay war der Delage D8 den Reichen und Berühmten ihrer Zeit vorbehalten – und entsprechend exotisch im Erscheinungsbild.
Der britische Designer Alec Moran ist nach Studien- und Arbeitsjahren in Paris nach Großbritannien zurückgekehrt, um für einen Yachthersteller zu arbeiten. Inmitten der allmählichen und spannenden Hinwendung der Autoindustrie zur Elektromobilität stellte er sich eine einfache Frage: Was ist nur aus dem französischen Grand Tourer geworden? Und gab sich selbst die Antwort, indem er die ästhetische Brillanz des originalen Delage D8 mit den technologischen Innovationen der Gegenwart vermählte. Wir haben mit dem Designer über seine ganz eigene moderne Interpretation des Themas gesprochen.
Was sind Ihre frühesten automobilen Erinnerungen?
Zum Zeitpunkt meiner Geburt besaßen meine Eltern einen Morgan! Meine frühkindlichen Erinnerungsfetzen an irgendetwas Automobiles ranken sich daher um den Geruch von Benzin, Leder und frischer Farbe. Ich kann mich lebhaft an die Farben und an patiniertes altes Leder erinnern.
Wie hat sich Ihr Interesse an Autos dann in der Kindheit und später als Jugendlicher entwickelt?
Auf verschiedene Weise, durch das Spielen mit Lego-Autos bis zum Sammeln von Modellen. Ich war neugierig darauf zu erfahren, wie zum Beispiel Felgen und Zahnräder zusammengesetzt werden, was mich dann fast unvermeidlich auf ferngesteuerte Autos kommen ließ. Dazu verschlang ich in meiner Freizeit regelmäßig Fachmagazine wie Car und Autocar. Am Ende wollte ich aber natürlich auch wissen, wie sich Autos fahren. Anfangs musste ich meinen Vater noch um ein Kissen bitten, um über die Haube unseres Morgan 4/4 Baujahr 1938 hinausblicken zu können – das Erlebnis habe ich dann um so mehr genossen. Ich bin meinen Eltern, speziell meinem Vater, für die unschätzbare Unterstützung in jenen Jahren sehr dankbar. Seine Begeisterung sprang definitiv auf mich über.
Wann haben Sie angefangen, Autos zu zeichnen?
Ich hatte schon in der Schule eine Schwäche für Kunst, speziell Zeichnen – es machte Spaß, sich ohne Grenzen und Regeln frei auszudrücken. Ich zeichnete meistens Personen, doch Autos kamen als Ausdruck meiner Begeisterung wohl als natürliche Ergänzung dazu. Doch dachte ich damals noch nicht daran, dass daraus mal eine Karriere erwachsen könnte.
Wie begann Ihre Karriere als Automobildesigner?
Nach einem Studium für Automobildesign an der Pariser Creapole École de Design begann ich als freischaffender Gestalter für verschiedene Kunden in Paris zu arbeiten. Zugleich gab ich Vorlesungen in Transportdesign an der Uni. Ich wollte unbedingt etwas von dem zurückgeben, was ich während meines Studiums gelernt hatte, und die Arbeit mit Studenten unterschiedlicher Herkunft war sehr fruchtbar.
Was denken Sie über das aktuelle Automobildesign im Allgemeinen?
Ich denke, eir befinden uns in einer aufregenden Übergangsphase. Während Modelle mit Verbrennungsmotor in der Regel die Gestaltungscodes der Vergangenheit weiterführen, verhelfen E-Mobile einigen Marken zu einer neuen Designsprache. Jedes Designstudio arbeitet hart daran, eine eigene Identität zu schaffen, was aber nicht immer einfach ist. Package-Vorgaben, Sicherheitsanforderungen und Homologationsvorschriften würgen kreativen Spielraum und Originalität ab. So finden sich Differenzen heute oft nur noch in Details. Sportwagen werden für meinen Geschmack ein wenig zu aggressiv. Und warum müssen sie so viele PS haben?
Wo verorten Sie sich selbst in dieser Welt der Moderne, wenn Sie doch sehr stark durch klassische Automobile inspiriert werden?
Es ist schwer vorauszusagen, was die Zukunft bringen wird. Ich begrüße die Fortschritte in der Technologie und in der Verarbeitungsqualität der heutigen Fahrzeuge durchaus. Doch mache ich mir Sorgen, inwieweit Modernität den menschlichen Einfluss ersetzt und übernimmt. Ich habe das Gefühl, dass die Autos zu stark von Computern und Smartphones dominiert werden, vielleicht als Reflektion der Prioritäten jugendlicher Käuferschichten. Das ist der Hauptgrund dafür, dass ich immer wieder mal zu klassischen Modellen zurückkehre, auch weil ich mich dann viel mehr selbst einbringen kann. Nichtsdestotrotz begrüße ich Modernität, denn meine Arbeit als Designer hat immer den Fokus auf der Zukunft. Trotzdem halte ich auch immer ein Auge auf die Vergangenheit. Ein delikater Balanceakt.
Wie wurde die Idee eines modernen Delage geboren?
Elektronische Assistenzsysteme und der Trend zum autonomen Fahren sind begrüßenswert. Doch welchen Preis zahlen wir für diese Technologien beim Design? Die Idee zum Delage HUIT kam zustande, als ich mich fragte, was aus dem französischen Grand Tourer geworden ist. Französische Autos von früher, speziell die von Citroën, waren so mutig, schön und charmant. Große Namen wie Delahaye, Talbot Lago oder Voisin verkörperten französisches Flair, das nach meiner Meinung nach heute fehlt. Eleganz war ein Schlagwort für gallischen Charme, doch nach dem Krieg ging da etwas verloren. Daher wollte ich ein Auto schaffen, dass diese Schönheit und Romantik von gestern ehrt und zugleich nicht von zu viel Elektronik und zu vielen modernen Gimmicks überfrachtet wird. Ich wählte Delage aufgrund seiner großen sportlichen Vergangenheit; der Sturz der einst so stolzen Marke ist eine tragische Geschichte. Ich fühlte mich verpflichtet, dem Beitrag von Delage zur Entwicklung des Automobils zu gedenken.
Wie gingen Sie beim Design des Delage HUIT vor?
Mir war es wichtig, das Flaggschiff der Marke, den Delage D8-120 S, zu zitieren. Genauer gesagt das Aérodynamic Coupé von Pourtout aus dem Jahr 1937 und den ein Jahr später erschienenen Roadster von De Villars. Die Stromlinienform beider Wagen, mit ihren angenieteten Kotflügeln und langen Motorhauben, hat mich wirklich umgehauen, und ich wollte diese Features auf moderne Weise interpretieren. Der Kühlergrill meines Konzeptmodells weicht jedoch von den historischen Vorgängern ab, denn ich wollte bewusst nicht zu retro-futuristisch werden. Der Delage HUIT hat dafür eine ähnliche seitliche Fensterlinie wie das Aerocoupé, die mir ebenso gefällt wie die Selbstmörder-Türen. Das ganze Auto ist nur knapp 1,20 Meter hoch und reicht einem modernen BMW oder Mercedes gerade mal bis auf die Höhe der Außenrückspiegel. Die geringe Höhe verleiht dem Frontmotor-Modell einen einzigartigen Auftritt, ähnlich dem des Rennwagens 1500 S von Robert Benoist aus dem Jahr 1927. Und dennoch böte es Platz für bis zu zwei Meter große Personen. Der HUIT soll Geschwindigkeit vermitteln, aber nicht so marktschreierisch wie ein Lamborghini. Daher ist die Formensprache generell weich, mit wenigen scharfen Kanten und einem Minimum an Lufteinlässen. Als Motor kämen ein moderner Reihensechs- oder -Achtzylinder mit Kompressoraufladung infrage, und zwar unterstützt von einem E-Motor, bis zu 600 PS stark und mit massig Drehmoment. Ich habe immer daran geglaubt, dass gutes Design seine Umgebung widerspiegelt und eine gute Geschichte erzählt.
In welchem Stadium befindet sich das Projekt aktuell?
Ich habe das Modell bei Patrick Delage und Jean-Michel Charpentier vom Delage Club eingereicht, und sie waren so freundlich, für ein Preview nach Paris zu kommen. Es gibt große Unterstützung von potentiellen Technikpartnern, die Interesse haben, einzusteigen. Wir schauen nun nach zusätzlichen Investoren mit dem Ziel einer sehr limitierten und stark individualisierten Kleinserie für ausgewählte Kunden. Wäre es nicht toll, eine Renaissance von Delage zu erleben?
Was ist für Sie das aufregendste Design in der Geschichte des Automobils?
Das ist für jeden anders, nicht wahr? Ich hatte immer eine Vorliebe für einen frühen Morgan Plus 8. Doch wenn ich nach dem Attribut „aufregend“ gehe, dann wohl die Konzeptstudie Lancia Stratos Zero von 1970, die bis dahin geltende stilistische Grundfeste erschütterte! Aber auch die Bugatti vom Typ 35 bis 59 kämen in meine engere Auswahl.
Fotos: Rémi Dargegen für Classic Driver © 2018