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Von Carbon-Bikes zu skurrilen Offroadern – dieser Schweizer Sammler konserviert Coolness von gestern

Versteckt in einem Industrielager am Fuße des mächtigen Albulapasses in den Schweizer Alpen hat Adrian Elmiger eine der weltbesten Sammlungen von Carbon-Rennrädern zusammengestellt. Aufgepeppt wird das F22 Museum mit einer vielseitigen Mischung aus klassischen SUVs und Artefakten der Popkultur.

Manchmal schreibt der Zufall die besten Einführungen: Letzten August folgten wir während einer Rallye gerade den feuerspuckenden Endrohren zweier Ferrari F40 durch die Kurven des Albulapasses, als wir ein Auto entdeckten, das in den Schweizer Alpen noch seltener ist als jeder Einhorn-Ferrari: War das wirklich ein aufgebockter AMC Eagle mit Dachträger und Burton-Aufklebern, der die Straße in Richtung Wald verließ? Aus Neugier sagten wir den heulenden F40 Farewell und machten uns auf die Suche nach dem schrulligen amerikanischen Offroader. Nach einer kurzen Fahrt fanden wir ihn vor einem alten Industriegebäude, gleich neben einem knallroten Eisenbahnwaggon der legendären Rhätischen Bahn und einem passenden roten Maserati Bora, der lässig davor parkte. Der AMC hielt in einer filmreifen Staubwolke – und zu unserer großen Überraschung entstieg ihm Adrian Elmiger, ein ehemaliger Classic Driver-Teamkollege, zu dem wir vor einigen Jahren den Kontakt verloren hatten. Adrian lachte über das unwahrscheinliche Wiedersehen und tauschte High-Fives aus, dann führte er uns geheimniskrämerisch zum Lagerhaus und erklärte uns, dass er gerade dabei sei, sein eigenes privates Museum zu eröffnen. Wollten wir einen kleinen Blick herein werfen?

Adrian schloss die Tür auf – und wir standen mitten in einer riesigen, stimmungsvoll beleuchteten Halle voller unzähliger klassischer Fahrräder aller Stilrichtungen und Formen. Wir ließen den Blick schweifen und entdeckten Bar, einen Flügel, einen Loungebereich mit DJ-Kabine voller Vinyl-House Rekorde – und einen Toyota Celica GT in Castrol-Lackierung samt passendem Rennmotorrad. An den Wänden lehnten neonfarbene Snowboards, Helme, Plakate und Vintage-Werbegrafiken. Wie im Spike-Jonze-Film „Being John Malcovich“ hatten wir das Gefühl, als wären wir buchstäblich in die Gedankenwelt eines Sammlers eingetaucht, der von den Fahrrädern, Autos, Sportausrüstungen und der Popkultur der 1980er und 1990er Jahre besessen ist. Überwältigt und aufgeregt, aber in Eile, um mit der Rallye Schritt zu halten, versprachen wir, bald zu einer ordnungsgemäßen Inspektion zurückzukommen. Und einige Wochen später, an einem regnerischen Herbsttag, waren wir zurück in Adrians fantastischem Alpen-Reduit, um mehr über das Konzept und die Kollektion zu erfahren.

Adrian, dieser Ort scheint dein eigenes privates Paradies zu sein, ein wahrgewordener Sammlertraum. Kannst du dich angesichts all dieser faszinierenden Carbon-Fahrräder, Motorräder, Autos und Artefakte der Popkultur noch daran erinnern, was deine Leidenschaft ausgelöst hat?

Tatsächlich hat es Ende der 1980er Jahre mit den Fahrrädern angefangen. Ich war 12 Jahre alt und stand vor einem Fahrradgeschäft in Zürich. Im Schaufenster stand ein Koga Miyata Carbolite Full-Pro – es war schön, leicht, ich fand es einfach unglaublich. Mit 6000 Franken war es nur leider schon damals unbezahlbar. Zur gleichen Zeit hat mein Vater seinen ersten Autoklassiker gekauft, einen Fiat Toppolino. Danach gab es kein Halten mehr und es kamen immer neue Autos dazu: Vorkrieg, Nachkrieg, aus England, Italien, den USA. Damals habe ich mich von der Leidenschaft anstecken lassen, aber auch gelernt, wie man nicht sammeln sollte. Ich wusste: Wenn ich einmal eine Sammlung beginne, muss sie stimmig sein – und etwas mit mir zu tun haben. Die Autos, die mich begeisterten, waren jedoch schon alle unbezahlbar. 

Also hast du dich für die Rennräder deiner Jugend entschieden.

Genau. Die Epoche, die mich persönlich am stärksten geprägt hat, war der Beginn der Carbon-Zeitalters im Radsport in den späten 1980er und frühen 1990er Jahren. Da entstanden auf einmal Räder wie das Lotus 108 oder das Pinarello Espada, die einen auf den ersten Blick umgehauen haben. Auch im Motorsport war das eine sehr spannende Zeit – die Gruppe 5, Gruppe B, DTM ist uns ja allen als goldene Ära im Gedächtnis. Nach dem Tod meines Vaters haben mein Bruder und ich seine Sammlung aufgelöst, viele Autos hatten schlicht nicht zu uns gepasst. So habe ich begonnen, die Carbon-Fahrräder, von denen ich als Junge geträumt hatte, eines nach dem anderen zu kaufen. In den letzten zehn Jahren habe ich fast alle großen Ikonen gefunden. Und dabei – ich denke das kann ich behaupten – mit rund 130 Exemplaren die größte und kompletteste Sammlung von Carbon-Rennrädern der Welt aufgebaut. Meine Sammlung beginnt 1975, reicht bis in den späten 1990er Jahre und endet heute. Wobei sich die technischen Entwicklungen seit dem Jahr 2000 in Grenzen halten, da die Radsport-Organisation UCI seitdem das Gewicht und die Form der Räder streng limitiert.

Der Ort, den du für deine Sammlung gewählt hast, ist auch nicht ganz alltäglich.

Ich war immer auf der Suche nach einer Heimat für meine Sammlung irgendwo zwischen Zürich und St. Moritz. Irgendwann poppte ein Inserat für eine alte Sägerei in Filisur auf. Anfangs war die Halle voll mit Dreck und Sägespänen, aber wir haben etwas daraus gemacht, Industrieparkett und ein Zwischengeschoss eingezimmert, den alten Wagon vor die Türe gestellt. 

Was sind die wichtigsten Räder in deiner Sammlung?

Wenn du dich hier umsiehst, wirst du alle wichtigen Meilensteine der Carbon-Fahrrad-Geschichte finden – vom Colnago C35 Oro Edition bis zum Pinarello Espada, von dem nur sechs Stück gebaut wurden. Eines ist bei Tennis-Star Rafael Nadal, eines beim fünffachen Tour de France-Gewinner Miguel Indurain, zwei bei Louis Vuitton. Eines steht bei einem guten Freund, der auch sammelt und Autos mag. Und eines bei mir. Das früheste Carbon-Bike in meiner Sammlung ist ein Exxon Graftek von 1976 – das Patent hatten sie einigen jungen Studenten abgekauft. Dann war lange Pause, das nächste Rad ist ein Peugeot von 1984. Das Colnago Carbon Volo ist neben dem Kestrel eines der ersten Carbon-Monocoque-Räder der Welt. Eines meiner Lieblingsbikes ist ein Alan Super Record, wunderschön und filigran. Oft sind übrigens die richtigen Komponenten wie Bremse, Pedalensatz, Schaltung deutlich wertvoller als die Rahmen selbst, einfach weil sie in gutem Zustand so selten sind. Hingucker sind natürlich auch die besonders extrem gestalteten Räder: Das Pinarello Parigina hat 1996 bei der Olympiade in Atlanta Gold geholt – das Design war aerodynamisch am Limit, heute wäre diese Form mit kleinem Vorderrad und ohne Oberrohr im Wettkampf verboten. 

Warum hat der Werkstoff Carbon den Radsport so stark geprägt?

Carbon hat die Sportwelt schon seit den 1970er Jahren fasziniert, als es als leichter Werkstoff in der Luftfahrt auftauchte. Aber die Produktion war äußerst aufwändig. Im Radsport war damals noch Stahl das Maß aller Dinge. In den 1980er Jahren haben Marken wie Kestrel und Colnago die ersten Monocoques gebaut. Oft waren es Textil-Spezialisten aus dem Seidenweber-Bereich, die wussten, wie man das Carbon flechten könnte. Die ersten Prototypen mit Carbonrohren wurden mit Muffen geklebt und waren sehr fragil, oft sind sie schon bei den ersten Testfahrten auseinandergebrochen. Es hat lange gedauert, bis die Carbon-Räder wirklich im Rennen fahrbar wurden – Colnago hat 1994 mit dem C40 eigentlich das erste Vollcarbonrad gebaut. Die Industrie hat damals abgewunken, doch dann hat das Rad beim Rennen Paris-Roubaix einen Fünffachsieg eingefahren. Und als das superfuturistische Lotus 110 erstmals beim Prolog einer Tour de France gestartet ist, sind die Zuschauer durchgedreht. Die Konkurrenten auf den Stahlrädern haben sich derweil schwarz geärgert. Danach gab es kein Halten mehr. Die Formenvielfalt ist damals explodiert. Auch für mich als Sammler steht deshalb das Design im Fokus.

Gab es in Sachen Carbon-Produktion auch Kooperationen mit der Automobilindustrie?

Die gab es! Mitte der 1980er Jahre hatten im Rennsport eigentlich nur die Formel-1-Rennställe Erfahrung mit der komplexen Produktion von Carbon. Und so hat beispielsweise Colnago bei der Entwicklung des Carbonrades C35 eng mit Ferrari zusammengearbeitet. 

Heute sitzen die meisten Radrennfahrer auf einem Carbon-Rahmen. Ist Carbon weiterhin das Maß aller Dinge? Oder gibt es spannende neue Werkstoffe und Technologien?

Viele Lösungen, die einem heute als Innovation verkauft werden, gab es früher schon einmal: Speichendesign, Rahmendesign, Federung, Bremse hinten, Bremse unten, aerodynamische Verschalung. Wenn man wissen will, wohin die Reise geht, muss man erst einmal verstehen, woher man kommt. Deshalb kommen auch regelmäßig Radentwickler in meine Sammlung, um sich von den Lösungen der Vergangenheit inspirieren zu lassen. Gleichzeitig gibt es durchaus spannende neue Technoloigien: Es wird viel mit additiver Fertigung experimentiert, mit Aluminium und Titan aus dem 3D-Drucker. Filippo Gamma hat 2022 einen neuen Stundenweltrekord aufgestellt – sein Bike stammte vollumfänglich aus dem Computer, es war CFD-optimiert und 3D-gedruckt. Wenn die Radsport-Organisation UCI das Gewicht freigeben würde, dann würden wir wahrscheinlich superleichte und hohle Strukturen aus Graphen sehen. Auch am Drucken von Carbonfasern wird gearbeitet. Das Rennen ist offen und es bleibt spannend.

Mit dem Albula Pass hast du eine der schönsten Alpenstraßen der Schweiz vor der Haustür. Fährst du die alten Carbon-Räder denn auch selbst auf dem Pass?

Absolut. Und das ist wirklich ein Erlebnis, denn die Übersetzungen von damals sind meist so hart, das würde heute niemand mehr so fahren. Wenn du damit auf der Passhöhe ankommst, weisst du, was du geschafft hast (lacht). Ich habe auch einige frühe Mountain Bikes, mit denen ich hier die Trails erkunde.

Wie ich aus deiner Zeit bei Classic Driver weiss, schlägt dein Herz weiterhin auch für besondere Automobile – und hier stehen wirklich ein paar ungewöhnliche Offroader, wie etwa der AMC Eagle. Was ist das für Autos? Und was fasziniert dich an ihm?

Ich habe eine Schwäche für Automarken, die es nicht mehr gibt. Und eine dieser Marken ist AMC. Aus «Zurück in die Zukunft» kennen die meisten Menschen den De Lorean – mich hat aber damals viel mehr dieser braune, hochgelegte Kombi interessiert, mit dem der Vater von Marty McFlys Freundin Jennifer durch Hill Valley fuhr. Wie sich herausstellte, war es ein AMC Eagle. Für mich war es das perfekte Auto, es hat Allradantrieb und man einfach kann ein Bike einladen oder zum Snowboarden in den Schnee fahren, ohne sich Sorgen zu machen. Er wurde von 1980 bis 1987 in vielen obskuren Varianten gebaut und ist sozusagen der Vorläufer unserer heutigen SUVs und Safari-Offroader. AMC hat auch noch andere seltsame Autos gebaut wie den Pacer und den Gremlin. Aber sie waren ihrer Zeit voraus und sind daran kläglich gescheitert.

Der AMC Eagle ist aber nicht das einzige «Classic SUV» in deiner Sammlung, oder?

Aus den 1990er Jahren besitze ich noch einen GMC Typhoon. Ich erinnere mich noch, als ich mit etwa 15 Jahren neben einem solchen zweitürigen SUV an der Ampel stand. Er schoss so schnell und dröhnend davon wie ein Sportwagen und ich fragte mich, was zum Teufel ich da gerade gesehen hatte. Man muss bedenken: Im Jahr 1990 ist der GMC Typhoon in 4,5 Sekunden von 0 auf 100 km/h beschleunigt – das konnte damals sonst nur ein Porsche 959 oder ein Ferrari F40. Unter der Haube steckte ein 4,3 Liter V6-Turbo mit 270 PS, der oft und gerne getunt wurde. 500 PS konnte man da durchaus herauskitzeln, nur das Automatik-Getriebe hielt nicht lange. Und in die Kurve durfte man auch nicht zu schnell fahren. Aber das Design ist typisch 1990er, das gefällt mir. Ansonsten begeisten mich die Rallye-Autos aus dieser Epoche: Toyota Celica GT, Subaru Legacy und Mitsubishi Evo. Damit kann man hier in den Bündner Bergen eine Menge Spass haben. Der Handel mit amerikanischen Autos aus den frühen 1990ern und Japanern aus den späten 1990ern ist neben der Fahrradsammlung, die ich stetig durchmische und erweitere, mein zweites Standbein.

Um zum Schluss nochmals den Bogen zu schlagen zwischen Cars und Bikes: Gibt es in deiner Sammlung neben dem Lotus 110 noch weitere Fahrräder mit Autobezug?

Absolut. Hier steht beispielsweise ein Minora Takeoff – das wurde als Faltrad so konstruiert, dass es ins Gepäckfach eines Porsche 964 passt.  

Viele Leser werden sich fragen: Kann man das F22 Museum besuchen? 

Absolut. Mein Ziel ist es, das Museum einmal im Monat für Gruppen zu öffnen. Wer sich die Sammlung ansehen möchte und noch einige Freunde mobilisiert, darf sich gerne bei mir melden. Mit meinem Mix an Rennrädern, Motorrädern und Autos hoffe ich auch, etwas zur Verständigung zwischen den Verkehrsteilnehmern beizutragen. Auf der Straße gibt es ja leider viel Konfliktpotenzial – dabei sind die Leidenschaften meist ganz ähnlich angelegt. Wenn die Menschen hier in Kontakt kämen und etwas mehr über die Passionen ihrer Mitmenschen lernen würden, wäre mir das eine große Freude. 

Fotos: Andrea Klainguti für Classic Driver

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