„Was würde Soichiro tun?“ Diese Frage stellte man sich bei Honda nach dem Tod des Gründers 1991 immer wieder. Doch zuvor sollte Soichiro Honda den modernen Supersportwagen „tun“: der NSX.
Supercars verkörperten bis dahin ein relativ junges Konzept, dessen Ursprung in Italien lag, wo Schmerzpunkte gewissermaßen das Exotische, Extravagante signalisierten. Honda stellte das auf den Kopf und schuf ein Auto, dessen Leistungsspektrum alltagstauglich und das Interieur zugänglich war. Wie es sich hingegen für ein Model gehörte, dass gemeinsam mit Hondas F1-Fahrer Ayrton Senna entwickelt worden war, verdankte sich das Basis-Layout dem Motorsport in Form eines Mittelmotors, der innerhalb des langen Radstands eingebettet wurde. Die stromlinienförmige Karosserie folgte Konzepten wie dem Oldsmobile Aerotech und Mitsubishi HSR komplett mit einem integrierten Spoiler, auf den selbst ein Diablo verzichtet hätte. Wo die Italiener sich mit kostengünstigen runden Scheinwerfern begnügten, investierte Honda in einmalige Werkzeuge für eine Fertigung über die gesamte Breite mit Teufelshörner als optischer Klammer.
Das kecke Heck des NSX sowie die schlank-elegante Front waren Vorboten des Futurismus, der in den 90er Jahren eine zurückgenommene Modernität signalisierte. Trotz oder vielleicht gerade wegen seiner unbestrittenen Abstammung ist die unprätentiöse Seitenansicht auf typische Art harmonisch, ohne überspitzte, nur auf Effekt gestaltete Details. Wo man erwarten könnte, dass der NSX seine Stimme besonders laut erhebt, hält er sich zurück – Merkmale wie die seitlichen Lufteinlässe sind keinen Quadratzentimeter größer bemessen, als nötig. Seine Substanz bezieht er aus der sorgfältigen Formgebung, sichtbar vor allem am Beispiel der Türschweller und vorderen Kotflügel sowie der nach vorne geneigten B-Säule, welche die Heckpartie verbreitert und betont.
Meine persönliche Erfahrung eines NSX fand in Tokio statt, als ich im Cockpit neben einem Kollegen von Toyota saß. Ihn real zu erleben, unterläuft die Täuschungen durch die Fotografie, denn sein zierlicher Maßstab verleiht dem NSX eine Dichte und Gewichtung, die man in Bildern vergebens sucht. Erst als wir die Garage hinter uns ließen, wurde ich vom Sichtfeld geradezu umflossen. Beim Beschleunigen ergoss sich die Straße über die tief gezeichnete Motorhaube wie Wasser, das über eine Türschwelle schwappt, eine Kaskade, die formal durch das angewinkelte Interieur eingerahmt wurde. Leistungsdaten spielten hier keine Rolle mehr: Dieser Eindruck von Geschwindigkeit, während uns der Asphalt sozusagen überflutete, war unvergleichlich.
Zwei Jahre, nachdem der letzte NSX vom Band rollte, stellte Acura als Nachfolger den ASCC mit Frontmotor vor. Doch in 2008 gesellte sich der ASCC zu den vielen Opfern der Finanzkrise, ein Schicksal, das der V10 teilte, mit dem der Acura mitten hinein ins Kerngebiet des Premium- und Luxussegments gefahren wäre. Lexus zeigte weniger Zurückhaltung und stellte 2010 den LFA vor. Dass sich Lexus beim Design ausgerechnet von Leonardo Fioravanti beraten ließ – der Mann, der die Ferraris, die der NSX einst herausforderte entworfen hatte -, war eine ironische Wendung, die Honda vermutlich nicht entging. Als der neue NSX endlich 2016 debütierte, wurde auch das Mittelmotor-Layout neu belebt, aber diesmal in hybridisierter Form mit einem Styling, das dem ASCC entlehnt war. Jetzt 40 Jahre nachdem der NSX erstmals Gestalt annahm, stellt sich wieder die Frage: Was würde Soichiro tun?
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