Zagato feiert 2019 seinen 100. Geburtstag – und man kann jede Wette eingehen, dass ein fulminanter Event auf den anderen folgen wird. Sei es unter dem Motto „das größte Treffen überhaupt” oder auch „einmalige Werkschau” aller Schöpfungen, die vom einflussreichen Mailänder Designhaus ersonnen wurden. Aston Martin ist vermutlich die Marke, die mit Zagato am engsten verbunden ist. Die Lenker der Marke hatten das Potenzial internationaler Partnerschaften innerhalb der Automobilindustrie schon in den 1950er Jahren verstanden und den DB4 bei Touring entwerfen lassen. Als größte Ikone der britisch-italienischen Zusammenarbeit gilt jedoch der Aston Martin DB4 GT Zagato. Zum Jubiläum kehrt der Wagen nun als limitierte Neuauflage zurück – und wird in der DBZ Centenary Collection zusammen mit einem neuen, von Zagato modifizierten Aston Martin DBS für die astronomische Summe von sechs Millionen Pfund plus Steuern angeboten. Verrückt, denn es gibt ja bereits einen Aston Martin, der zu Recht den großen Namen Zagato trägt und als Star jeder Geburtstagsparty vorfahren darf: der V8 Vantage aus den 1980er Jahren.
Als wir kürzlich Nicholas Mee & Companys neuen Standort in Hatfield Park besuchten, konnten wir einfach nicht der Idee widerstehen, ein Trio dieser seltenen anglo-italienischen Sportwagen zu versammeln und den Experten nach seinem Wissensschatz zu befragen. Schließlich hat er während seiner Zeit bei Aston Martin in den 1980er Jahren das Zagato-Projekt unmittelbar miterlebt und kann als ausgewiesener Kenner dieser kühnen Sportwagen gelten.
Ganze 23 Jahre nach der ersten Zusammenarbeit am Aston Martin DB4 wurde der V8 damals unter der Leitung Aston Martins sowie Elio und Gianni Zagato konzipiert. „Zagato erhielt den Auftrag, eine leichtere und aerodynamischere Version des kraftvollen Aston Martin Vantage X-Pack zu entwickeln und zu produzieren, um mit dem Porsche 959 und dem Ferrari 288 GTO zu konkurrieren”, erklärt Nicholas Mee. „Und genau das haben sie auch getan.” Beim Genfer Autosalon 1985 wurde dieser radikale Aston Martin V8 Zagato der Öffentlichkeit erstmals vorgestellt. Das Kunststück war gelungen: Das Auto war um zehn Prozent leichter als der Vantage und hatte eine Aluminiumkarosserie, die zugleich kürzer und aerodynamischer war, und mit extrem bündigen Glaselementen und der für Zagato charakteristischen Designsignatur beeindruckte. Aston Martin gab grünes Licht und kündigte eine Kleinserie von nur 50 Exemplaren an, die in Zagatos Werk in Arese zusammengebaut und bei Aston Martin in Newport Pagnell fertig gestellt werden sollten.
„Wie immer, wenn etwas Neues und noch Kostspieliges in Angriff genommen wird, gab es gewisse Bedenken”, erinnert sich Mee. „Wir verkauften die Autos nur anhand von Zeichnungen. Aber die Welt war bereit und die Wirtschaftslage gut, weshalb sie sich recht gut verkauften.” Wenn überhaupt, dann sorgte das kontroverse Design für die größten Hindernisse. „Die Optik tendierte stark in Richtung der funktionsbezogenen Designschule – das war damals die Mode. „Was für ein stämmiger kleiner Kerl” befand ein Interessent bei der Premiere, aber er sagte es mit einem Glitzern in den Augen. Ein anderer Besitzer meinte: „Ich liebe ihn, weil er ohne zierendes Beiwerk auskommt”. Ich denke, dass Menschen dieses Auto heute besser verstehen. Sie beurteilen den Zagato vor dem Hintergrund der anderen Sportwagen jener Epoche – es ist das typische Design jener Zeit.”
Tatsächlich – aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet und in elegante Lackfarben getaucht, wirkt der Aston Martin V8 Vantage Zagato heute einfach „richtig”. Die dominante Wölbung und die NACA-Einlässe auf der Motorhaube verleihen dem Design Dramatik, ebenso die geteilten Seitenfenster, welche laut Mee bei noch so hoher Geschwindigkeit fest anliegen. Von den drei Exemplaren unterstreichen unserer Meinung nach vor allem die Farben Masons Black oder Blu Sera die außergewöhnliche Form des Zagatos. Andererseits besitzt auch die geradezu unverschämte Zielsetzung des für „fast roads” spezifizierten Vantage in Gladiator Red einen ganz eigenen Reiz. Die radikale Entschlackungskur und die optimierte Gewichtsverteilung sorgten dafür, dass dieser Aston Martin nicht nur der schnellste Aston Martin der 1970er und 1980er Jahre war, sondern auch jener, der seine Fahrer am meisten bereicherte. „Die serienmäßigen V8 und Vantage waren fraglos großartige Autos, aber ihre Leistung wurde vom Gewicht beeinträchtigt. Mit dem Zagato verbanden wir die „X-Pack”-Maschine mit über 410 PS Leistung mit in einer windschlüpfigen Karosserie und einem leichtfüßigen Chassis und boten als Folge ein fantastisches Fahrerlebnis.”
Mögen sich die Geister am Styling auch heute noch scheiden, so bleibt für Nicholas Mee doch erstaunlich, dass der Aston Martin V8 Vantage Zagato bei Sammlern nicht dieselbe Nachfrage erfährt wie dessen zeitgenössischen Rivalen von Porsche und Ferrari. Gegenüber einem Vantage gibt es nicht einmal einen nennenswerten Aufpreis. Und anders als Aston Martin Zagatos der jüngeren Zeit wie der V12 und Vanquish wurden die V8 tatsächlich in Italien entworfen und entwickelt – und sind damit noch reinrassige und echte Zagatos. Zudem wurden nur 50 Stück hergestellt, wovon heute nur wenige vorhanden sind. Sie sind also höchst selten. Nicholas Mee vermutet, dass genau hier das Problem liegen könnte. „Der Aston Martin V8 Vantage Zagato mag zu rar und deshalb nicht bekannt genug sein und dann noch ein polarisierendes Design besitzen. Aber unstrittig ist dennoch sein einmaliges Erbe”, führt er aus. Mit Blick auf das kommende 100. Jubeljahr kann man mit einem machtvoller Aston Martin aus dem Trio bei jeder Zagato-Veranstaltung vorfahren, um die grandiose Leistung des Mailänder Designhauses zu feiern.
Fotos: Tom Shaxson für Classic Driver © 2018