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Auf Testfahrt im AGTZ Twin Tail Prototyp am Passo San Marco

Er gehört zu den heißesten Neuerscheinungen des Jahres. Nach der Präsentation des AGTZ Twin Tail auf dem Fuori Concorso schwangen wir uns für eine Testfahrt über alpine Straßen auf den Beifahrersitz.

Wie die besonders Aufmerksamen unter unseren Lesern sicher bemerkt haben, hat Classic Driver die Entwicklung des von La Squadra und Zagato entworfenen Alpine A220 Tribute Car seit der Veröffentlichung der Fotos im Februar diesen Jahres sehr genau verfolgt. Jetzt wird es für das Projekt AGTZ Twin Tail ernst. Nachdem wir ihn auf der Como Car Week – wo er im Rahmen des Fuori Concorso seine statische Weltpremiere vor großem Publikum feierte – auch erstmals in natura bestaunt hatten, konnten wir der Einladung nicht widerstehen, das Team beim ersten dynamischen Fotoshooting des Wagens zu begleiten.

Aus zwei Gründen freute uns das ganz besonders: Zum einen war Classic Driver das einzige Medium, das während des Tages am Set sein durfte, was eine ganz besondere Ehre darstellt. Zum anderen sieht das Auto nochmal besser auf als auf allen bislang veröffentlichten Fotos. Irgendwie scheinen Bilder nicht in der Lage zu sein, die einzigartigen Proportionen des AGTZ realistisch einzufangen. Während sie einen scheinbar endlosen vorderen Überhang suggerieren, scheint dieses Styling-„Problem“ aus der Nähe betrachtet völlig zu verschwinden. Wir waren daher neugierig zu erfahren, ob wir uns noch mehr in dieses besondere Projekt verlieben würden, wenn wir den Wagen in Bewegung sehen würden. Zumal geplant war, ihn zusammen mit dem originalen Alpine A220 Short Tail Rennwagen zu fotografieren, der ihm bekanntlich als Inspirationsquelle diente. Und wir hatten sogar noch einen dritten, streng geheimen Grund: Wir wollten herausfinden, wie sich das Auto tatsächlich fährt – ehe es unsere Freunde von Top Gear, denen eine exklusive erste Fahrt im Laufe des Jahres versprochen wurde, in die Finger bekommen würden.

Und so machten wir uns an einem Montagmorgen zu früher Stunde von Cernobbio aus auf den Weg zum Passo San Marco in den Bergamasker Alpen. Der 1992 Meter hohe Pass verbindet das Val Brembana (Lombardei) mit dem Veltlin. Andere Pässe wie der Gotthard waren noch geschlossen, da der Winter sie nicht aus seinem eisigen Griff lassen wollte. Dass der Konvoi auf geheimer Mission war, verdeutlichte der Transport der beiden Autos in geschlossenen Transportern. Wir erwarteten, von der Morgensonne begrüßt zu werden, doch als wir drei Stunden später in den Bergen ankamen, sah die Realität ganz anders aus: Regen, Nebel und tief hängende, graue Wolken. Nicht gerade ideal für unseren Fotografen Mark Riccioni und dessen Ausrüstung. Doch meine Befürchtungen wurden schnell zerstreut: Denn wir bekamen die Erlaubnis, eine rollende Straßensperre zu bilden. Und als die Fahrzeuge entladen waren, erfüllte der Sound der Motoren schnell die morgendliche Stille.

„Bitte bedenke, dass es sich noch immer um einen Prototypen handelt“, betonte der Gründer von La Squadra, Jakub Pietrzak. „Im AGTZ haben wir noch nicht alle endgültigen Komponenten verbaut. Wir müssen ihn noch etwas tiefer legen, und es werden auch noch weitere Upgrades verfügbar sein. Der Sound, den Du jetzt hörst, kommt zum Beispiel noch aus dem serienmäßigen aktiven Auspuff des A110. Und wenn wir schon von Upgrades sprechen: Wir arbeiten eng mit dem französischen Performance-Atelier MP Rezeau zusammen, um dem Auto zusätzliche km/h und PS zu verleihen, damit unsere Kunden sicher sein können, schneller und schärfer unterwegs zu sein als im Basisfahrzeug. Der Traum ist es, in der Langheck-Konfiguration über 300 km/h fahren zu können.“ Während er all das sagt, macht Mark schon erste Bilder der heute präsenten AGTZ-Kurzheckversion – schließlich ist sie ja auch für Einsätze bei Bergrennen vorgesehen.

Jakub startet derweil den unbezahlbaren, 55 Jahre alten Rennwagen. Und ich steige ins Cockpit des Prototypen. Auf den ersten Blick erinnert alles an einen serienmäßigen A110, mit Ausnahme der anders geformten Windschutzscheibe, Türen und Seitenfenster. Aber Projektleiter Mateusz Widuch, der den Wagen heute fährt, versichert mir, dass viele Optionen verfügbar sein werden. „Wir haben erkannt, dass wir unseren Kunden auf diesem Preisniveau – ab 650.000 Euro inklusive des Spenderfahrzeugs – ein Maximum an Wahlmöglichkeiten eröffnen müssen, um ihr Auto einzigartig zu machen. Wir bieten 19 verschiedene Außenfarben an, dazu die Möglichkeit, einige Karosserieteile, wie zum Beispiel das Dach, mit Sichtcarbon zu verkleiden. Darüber hinaus vier verschiedene, speziell auf das Auto zugeschnittene Felgen-Designs sowie neun verschiedene Ausstattungsvarianten für das Interieur, mit der Option, Carbon, Alcantara oder Leder an verschiedenen Stellen im Innenraum auszulegen.“ Auch bei der Livery sollen der Individualisierung offenbar keine Grenzen gesetzt sein. La Squadra will seine Kunden mit den besten Grafikdesignern in Kontakt bringen, damit sie ihr Auto nach ihren Wünschen personalisieren lassen können.

Wir bewegen uns langsam den Berg hinauf, in Formation mit dem auf dem Rücksitz des Kamerawagens hockenden Fotografen. Irgendwann signalisiert er, dass er mit den Aufnahmen fertig sei, und Mateusz gibt Gas, um zu überholen. Wir schießen an der Crew vorbei - und für einen kurzen Moment und nach ein paar Kurven werde ich daran erinnert, warum die Alpine ein so toller kleiner Sportwagen ist! Sie ist schnell, spitz und direkt, aber die Serienversion des AGTZ – auch wenn sie mit dem langen Heck etwa 40 kg schwerer sein wird – wird sicher noch agiler sein. Vor allem mit einem der leistungssteigernden Pakete von MP Rezeau namens PERFPACK und HIPERFPACK. Sie beinhalten nicht nur einen modifizierten aktiven Auspuff, sondern auch einstellbare Dämpfer und Stabilisatoren, größere Scheibenbremsen und Bremssättel, eine überarbeitete Benzinpumpe und Airbox sowie ein neu programmiertes Steuergerät. Sogar ein Frontliftsystem, das bei Bordsteinkontakten hilfreich sein kann, steht im Katalog der Extras.

Am Ende des Drehs steige ich begeistert aus dem Auto. Es hat sich gelohnt, um 5 Uhr morgens aufzustehen, um den Twin Tail a) in Bewegung zu sehen und ihn b) aus erster Hand zu erleben – auch wenn er noch nicht ganz fertig ist. Für dieses Vergnügen müssen wir noch bis zum Goodwood Festival of Speed (11.-14. Juli) warten, wo er seine offizielle dynamische Premiere feiern wird. Als Mitglied des Classic Driver-Teams fühle ich mich natürlich sehr zum originalen Alpine V8-Rennwagen hingezogen. Er macht einen Höllenlärm, während er mit Jakub am Steuer zur Passhöhe hinaufeilt. Irgendwie wirkt er muskulös und reizend zugleich. Aber wenn ich mich für einen der beiden entscheiden müsste, um ihn täglich zu fahren, wäre es definitiv die Neuinterpretation.

Sie wird hoffentlich ähnlich aufregend zu fahren sein, zugleich aber auch viel benutzerfreundlicher, halt mit allen möglichen Annehmlichkeiten eines modernen Autos. Jetzt kann ich es kaum erwarten, den AGTZ Twin Tail im weiteren Verlauf des Jahres tatsächlich zu fahren!

Fotos: Mark Riccioni