Fragen Sie einen ernsthaften Autosammler nach dem seltensten und begehrenswertesten Aston Martin aller Zeiten – und er oder sie dürfte höchstwahrscheinlich den DB4 GT nennen, von dem nur 75 Autos gebaut wurden. Noch seltener ist natürlich der DB4 GT Zagato, von dem nurmehr 19 Einheiten gefertigt worden sind. Ein kurzer Blick auf die Auktionserlöse bestätigt die Sammlereinschätzung: die „serienmäßigen“ GTs erzielen meist zwei bis drei Millionen Euro, die Original-Zagatos wechseln sogar für acht bis zehn Millionen Euro den Besitzer. Doch erstaunlicherweise gibt es da noch eine weitaus seltenere und weniger bekannte Schöpfung in Astons Martins reichhaltiger Markengeschichte, die für einen Bruchteil dieser Summen gehandelt wurde. Es ist ein Auto, das in noch kleineren Stückzahlen produziert wurde und in den Augen einiger Markenexperten sogar noch unwiderstehlicher ist. Tatsächlich wurden nur acht Einheiten dieses Einhorn-Anwärters unter den Sammlerautos gebaut, jedes davon in hohem Maße individualisiert und sprichwörtlich einzigartig.
Aber bevor wir in die Details eintauchen, lassen Sie uns zurück in die früher 2000er Jahre in Newport Pagnell reisen – dorthin, wo alle Aston Martin produziert wurden, ehe das Unternehmen im Jahr 2003 die neue Fertigung in Gaydon bezog. Betrachtet man Aston Martins aktuelle Palette, kann man sich nur schwerlich vorstellen, dass selbst die allerletzten V8-Modelle, die in Newport Pagnell von den Bändern rollten, noch von Hand karossiert und individualisiert wurden. Meisterhandwerker in langen Arbeitskitteln schweißten Fahrgestelle zusammen und bearbeiteten Karosserieteile mit Hämmern, vernähten Connolly-Leder und bauten Motoren komplett von Hand auf. Wie man sich denken kann, gehörte die derzeit angesagte Cappuccino-Alternative Flat White mit Sojamilch noch nicht zum Kantinenangebot.
In den späten 1980ern und 1990er Jahren wurden die Aston Martin-Modellreihen Virage, Vantage und V8 als erhabene Leistungen der britischen Autokultur gefeiert. Sie verkörperten eine Serie von Muscle Cars für den Gentleman, die dezente Eleganz und sonderangefertigten Luxus mit brachialem Antrieb vereinten. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass Aston Martins Grand Tourer von John Heffernan entworfen wurden – jenem Mann also, der in den 1990er Jahren auch den ähnlich gelungenen Bentley Continental verantwortete. Aston Martins letztes, in Manufaktur gefertigtes V8-Modell gipfelte in dem aufgeladenen Vantage V600 und dem V8 Vantage Le Mans. „Aus einer Volante zu steigen und in einen V600 aus dem Jahr 2000 zu gleiten, ist wie der Wechsel vom klassisch britischen Chesterfield-Sessel in einen kühnen Stuhl von Vico Magistretti – es handelt sich immer noch um ein Sitzmöbel, bietet aber ein so viel ausgeprägteres Erlebnis“, schrieb der Markenspezialist Stephen Archer in unserer Kaufberatung für die letzten, von Hand aufgebauten V8 Aston Martin.
Es wird allgemein angenommen, dass der brutale Vantage Le Mans V600 der Schwanengesang von Newport Pagnells war – aber das ist eben nicht der Fall. Diese Ehre gebührt dem atemberaubenden Cabrio, das Sie hier sehen: der Aston Martin V8 Vantage Volante Special Edition. Manche vermuteten, dass es eine Folge des berüchtigten britischen Wetters war, aber – warum auch immer – hatte Aston Martin nie den eleganten offenen V8 mit seinen gnadenlos leistungsorientierten, doppelt aufgeladenen 500- und 600-Motoren aus dem Coupé angeboten.
„Gutes geschieht jenen, die warten können“, sagt der britische Aston Martin-Kenner Nicholas Mee. „Fakt ist, dass von dem Tag, an dem Aston Martins Supercharged Vantage im Jahr 1993 debütierte, die Kunden nach einer Cabrio-Version fragten. Aber die offizielle Antwort schickte eine sehr klare Botschaft: Es wird keine offenen Versionen geben.“ Doch mit dem Produktionsende des umgerechnet 558 PS starken Vantage im Jahr 1999 und der beharrlichen Nachfrage der VIP-Kunden wuchs der Druck, eine limitierte Anzahl an offenen Vantage zu bauen. Unter der Leitung von Aston Martin-Werkleiter Kingsley Riding-Felce wurde eine Machbarkeitsstudie durchgeführt und dem Aston Martin-Vorstand vorgelegt. Dieser genehmigte mit einer gewissen Vorsicht die Konstruktion von nur acht Exemplaren. „Trotz des heftigen Basispreises von 230.000 Pfund wurden alle acht Autos via Mundpropaganda verkauft – es hatte keinerlei Pressemitteilung von Aston Martin gegeben, bis die Autos gemäß der gewünschten Konfiguration der glücklichen Besitzer fertiggestellt worden waren. Obwohl irgendwann eine Präsentationsbroschüre entstand, gab es jene erst, als alle Autos gebaut und ausgeliefert waren.“
Vor dem Hintergrund, dass es sich bei diesen acht Autos um die allerletzten Exemplare handelte, welche in Newport Pagnell vom Band rollten, sorgte die Special Projects-Abteilung dafür, dass sie der absolute Höhepunkt in der 30-jährigen V8-Modellfamilie sein sollten. Sie versprachen deshalb, unvergleichliche Qualität und unfassbare Leistung zu bieten. „Neben den acht Autos, die auf dem serienmäßigen Vantage-Radstand basierten, wurde noch ein zusätzliches Fahrzeug auf der Grundlage des längeren Radstands der Volante der Jahrgänge 1997 bis 1999 für einen ganz besonderen VVIP-Kunden gebaut“, erinnert sich Nicholas Mee. Die acht abgesegneten Autos wurden künftig als „Short Chassis“ Vantage Volante bekannt. Von dieser exklusiven Reihe wurden drei als europäische Linkslenker spezifiziert, die anderen fünf für die britische rechtsseitige Lenkung.
Ähnlich den legendären DB4 GT Zagato aus den 1960er Jahren, unterschied sich jeder der V8 Vantage Volante Special Edition auf subtile Weise, war es doch nach den genauen Spezifikationen des jeweiligen Originalbesitzers gefertigt worden. Im Jahr 2019 hatte Classic Driver Gelegenheit, mit einer der mythischen Cabriolets eine Testfahrt zu unternehmen. Es war seinerzeit in wundervollem Rolls-Royce Royal Blue über Parchment Hide bestellt worden. Unser Autor Alex Easthope konnte seine Begeisterung nicht verhehlen: „Selbst bei geöffnetem Dach durchströmt der berauschende Duft des Connolly-Leders die Luft. Jemand hat dieses Phänomen mal mit der gespaltenen Persönlichkeit von Dr. Jekyll und Mr. Hyde verglichen – diese Windsbraut-Astons sind wie ein 322 Stundenkilometer schnelles Wohnzimmer. Treffender konnte ein Vergleich nicht sein. Einmal in Gang gesetzt, ist dieses Auto nicht nur extrem komfortabel, es ist auch höllisch schnell. Werfen Sie bei diesen ultrakurzen Schaltwegen den zweiten Gang ein und drücken Sie so stark, wie Sie sich trauen, aufs Gas – und Ihr Kreuz wird mit einer solchen Wucht in die Mangel genommen, dass Sie weniger den Eindruck haben, zu fahren, als sich mit aller Kraft festzuhalten. Die Leistung übersteigt jegliche Vorstellungskraft bei einem zwei Tonnen schweren Grand Tourer der Luxusklasse.“
Seit die Aston Martin V8 Vantage Volante Special Editions erstmalig an ihre anspruchsvollen Eigner ausgeliefert worden sind, wurden diese so einmaligen wie individualisierten Autos nur selten zum Kauf angeboten. Im Jahr 2013 wurde das linkslenkende Exemplar mit Fahrgestellnummer 71006 mit der wohl grandiosesten Konfiguration überhaupt von Bonhams verkauft: Metallic-Lack in Cumberland Grey mit einem Leder-Cockpit in Smoke Green mit dunklem Nussbaumfurnier, einem Dachhimmel aus grünem Wildleder, grünem Tonneau und dunkelbrauner Motorhaube. Ein Traum!
„Die Planung, Entwicklung, Produktion und der Verkauf dieser atemberaubenden Maschinen ohne Rückgriff auf Marketingstrategien oder Automessen waren eine Meisterleistung in Sachen Exklusivität“, rühmt Nicholas Mee. „Obwohl der Vantage Volante Special Edition eine wichtige Rolle in der Markengeschichte spielt, ist er dennoch kaum bekannt – selbst bei Sammlern und sogar ausgewiesenen Aston Martin-Enthusiasten. Die Exemplare tauchen höchst selten am Markt auf, aber wenn sie das tun, dann für eine nicht unerhebliche Summe. Die Allüre und das mitreißende Fahrerlebnis dieser eigenwilligen Cabrios ist so überzeugend wie eh und je – vor allem jetzt, da die Existenz dieser Autos bekannter wird. Dieses Vermächtnis lebt weiter.“
Wiewohl sich aktuell keine Special Edition-Exemplare unter den mehr als 400 Aston Martin zum Verkauf im Classic Driver Markt befinden, sollten Sie die Hoffnung nicht aufgeben. Warum rufen Sie nicht bei Markenguru Nicholas Mee persönlich an und bitten ihn, Sie auf dem Laufenden zu halten? Sollte eines dieser mythischen acht Exemplare angeboten werden, dann weiß er es sicherlich vor allen anderen…
Fotos: Rob W. Cooper / Tom Shaxson / Bonhams