Während der Arbeit am Serienmodell des Alfasud hatte Italdesign-Kreativchef Giorgetto Giugiaro mit strengen Auflagen und wenig gestalterischer Freiheit zu kämpfen gehabt. Umso größer war natürlich seine Freude, als Alfasud-Vorreiter Rudolf Hruska ihm das unorthodoxe Caimano-Projekt vorschlug. Giugiaro willigte ein und begann die Arbeit an der Plattform des kommenden Serienmodells, dessen Radstand er zunächst um 200 Millimeter verkürzte. Als nächstes musste der Neigungswinkel der Lenksäule deutlich reduziert werden – schließlich sollten Fahrer und Beifahrer schneewittchengleich unter einer flachen gläsernen Kuppel liegen.
Einige Jahre zuvor hatte Giugiaro mit dem Chevrolet Testudo Concept bereits den Versuch gestartet, Frontscheibe und Dach zu vereinen. Für den Alfa Caimano ging er nun einen Schritt weiter und installierte eine Art windschnittige Taucherglocke, die eine fantastische Rundumsicht erlaubt haben muss. Für den Alltag italienischer Autofahrer war der Entwurf allerdings völlig unbrauchbar – weder konnte man an der Zahlstation die Autobahngebühren bezahlen, noch den Unterarm aus dem Seitenfenster halten oder einer Strandschönheit nachpfeifen. Wollte man etwas Luft in die Kabine lassen oder aussteigen, musste die gesamte Tür-Dach-Konstruktion hochgeklappt werden, was spektakulär aussah, aber nicht ganz einfach war.
Der gläserne Baldachin bedeutete auch, dass die A-Säule ganz wegfiel und die B- und C-Säule eine neue Funktion erhielten – zusammen formten sie eine Art Überrollbügel hinter dem Cockpit. Teil dieser Konstruktion war auch ein verstellbarer Spoiler, der sich in einem Winkel von bis zu 32 Grad aufstellen konnte. Bei jedem Acht-Grad-Schritt leuchtete dazu im Cockpit ein neues Warnlicht auf. Entgegen jeder Regel und Tradition bewegten sich in den zylindrischen Armaturen übrigens die Instrumente, während die Zeigernadeln still standen. Eine wilde Idee – und Minimalismus war aus Giugiaros Sicht wahrscheinlich sowieso zu sehr im Mainstream verhaftet.
Offiziell wurde der Caimano als Marketing-Instrument für die Alfasud-Linie verbucht – doch intern hieß es, der Auftrag für die freigeistige Studie sei ein Geschenk von Alfa Romeo and Italdesign gewesen. Nach der Enthüllung des serienfertigen Alfasud auf dem Turiner Autosalon 1971 verkaufte sich der „Sud“ in verschiedenen Varianten mehr als eine Million Mal. Als gestalterischer Geniestreich ging aber nur ein Modell in die Designgeschichte ein.
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Fotos: Italdesign