Rückblick in die Mitte der 70er-Jahre: Die wichtigste Aufgabe der FIA bestand auch schon damals darin, den Motorsport für die Zuschauer attraktiver und gleichzeitig für die Fahrer sicherer zu machen. Aus diesem Grund durchlief das traditionell recht liberale Gruppe-5-Reglement verschiedene Entwicklungsstufen. Von 7-Liter-Monstern, die als zu schnell für die Hunaudières-Gerade von Le Mans galten, über Prototypen mit maximal fünf, ab 1972 nur noch drei Litern Hubraum, die in einer Mindestzahl von 50, ab 1968 von 25 Einheiten hergestellt werden mussten, bis hin zu den ab 1976 eingeführten Gruppe-5-Rennwagen der vierten Generation, von denen der Jägermeister-BMW sicher eines der optisch auffälligsten Vertreter ist.
Die Gruppe 5 ist auch die Kategorie, aus der so legendäre Rennwagen wie Ferdinand Piechs Augapfel 917 hervorgingen. Er bescherte Porsche 1970 den ersten Gesamtsieg in Le Mans und wurde spätestens durch Steve McQueen und dessen filmische Hommage an das große Rennen zur Legende. Zeitweise war die Marken-Weltmeisterschaft die zweitwichtigste Rennserie in Europa, gleich nach der Formel 1. Damit das auch so blieb, wollte die FIA technologische Spitzenleistungen gepaart mit Autos, die optisch an jene angelehnt waren, die man auch am Montag nach einem Rennen kaufen konnte. Deshalb wurde 1976 eine neue Klasse ins Leben gerufen: die Special-Production-Cars, aufgeteilt in zwei Gruppe-5-Divisionen mit Motoren bis zu zwei und über zwei Litern Hubraum. Während Porsche mit dem 935 in die große Klasse einstieg und diese sehr schnell dominierte, hatte BMW genau das richtige Auto für die kleinere Kategorie. Wo man gegen Ford und Lancia antrat.
Die FIA beschränkte die Breite der Fahrzeuge, so dass die Wagen mit Standardkarosserien gebaut wurden, an die dann allerdings extrem breite Kotflügelverbreiterungen und martialische Spoilerschaften angebracht werden durften. Laut Reglement mussten nur die Motorhaube, das Dach und die Türen unverändert bleiben, sprich die Fahrgastzelle. Im Wesentlichen hatten die neuen Rennwagen also eine ähnliche Grundform wie Tourenwagen oder GT-Fahrzeuge, aber ihre bullige Erscheinung ließ ahnen, dass die Technik unter der Haube keine Hausmannskost war.
Als Basis für sein Zweiliter-Fahrzeug wählte BMW das Modell 320 aus der E21-Serie. Die Autos, im ersten Jahr unter anderem von den drei BMW Junioren Marc Surer, Eddie Cheever und Manfred Winkelhock in der Deutschen Rennsport-Meisterschaft gefahren, wurden schnell zu einer festen Größe in der DRM und ab 1977 auch in der Marken-WM. Insgesamt entstanden bei BMW schätzungsweise 36 bis 38 Exemplare des 320er in Gruppe 5-Spezifikation. Allein 1978 lieferten die Münchener Komponenten (und komplette Bausätze) für über 30 Fahrzeuge. Ihr Gewicht lag bei rund 730 kg, und alle hatten den gleichen Zweiliter-Motor, der auch in der Formel 2 zum Einsatz kam: Den M12/7, ein Vierventiler mit rund 330 PS und einer Maximaldrehzahl von 10.000 U/min. Mit der Einführung der Turboaufladung stieg die Leistung auf 500 PS. Es sei als Beweis für die hervorragenden Grundlagen des Motors daran erinnert, dass das gleiche Aggregat später auch die Basis für die Formel-1-Motoren von Brabham-BMW bildete und dort mehr als 1000 PS leistete!
Das Auto, das an der diesjährigen Copa d'Oro und der Best of Show Trofeo BMW in Villa d'Este teilnimmt, stammt aus dem Jahr 1978 und ist das 29. gebaute Exemplar mit der Fahrgestellnummer E21 R1-29. Es wurde für die Saison 1978 vom GS Team aus Freiburg - unter der Leitung von Gerhard Schneider - unter Verwendung von BMW Werksteilen fertiggestellt und von Markus Höttinger gefahren. Immer in der kultigen Jägermeister-Lackierung. 1979 von der Firma Mast-Jägermeister erworben, wurde es danach weiterhin von GS und später von Wolber Motorsport betreut.
Einer der Piloten war Eckhard Schimpf, der den Wagen auch zum diesjährigen Concorso mitbringt. 1979, 1980, 1981 und 1982 bestritt der Wagen rund 80 Rennen. Mit Schimpf und BMW-Werksfahrer Hans-Georg Bürger am Steuer siegte er 1979 in der Zweiliter-Klasse des 1000-km-Rennens auf dem Nürburgring und belegte in der Gesamtwertung Platz 6. Mit dem Trio Schimpf, Fischhaber und Ketterer beendete er das 1000-km-Rennen 1980 als Zehnter und 1982 als Gesamtvierter (2. Platz in Gruppe 5).
Zahlreiche Siege stehen auch bei europäischen Bergrennen zu Buche. Wie Trento Bondone in Italien (1980 und 1982), österreichischer Alpenbergpreis (1980), Turkheim-Trois Epis in Frankreich (1980 und 1981), Ampus-Draguignan, ebenfalls Frankreich (1982), Freiburg-Schauinsland (1982), der Schweizer Bergpreis in St.Ursanne-Les Rangiers (1981 und 1982), Bozen-Mendola in Italien (1981) und Copa Sila (1982). In der DRM wurde er zuletzt 1980 eingesetzt, beim Saison-Finale in Hockenheim, das Schimpf auf Platz sechs beendete.
Das Auto gehört auch zu den drei Gruppe-5-BMW 320, die jemals in der DRM und der Marken-Weltmeisterschaft im ikonischen Jägermeister-Look gefahren sind. In der Saison 1977 wurden zwei weitere Fahrzeuge vom Faltz-Team aus Essen eingesetzt. Mit den Fahrern Hans-Joachim Stuck, Harald Grohs, Helmut Kelleners und Ronnie Peterson.
Unser Wagen wurde zwischenzeitlich gründlich restauriert und befindet sich heute in der Sammlung „72 Stagpower". Von Zeit zu Zeit wird er für Demonstrationsfahrten oder als Avatar für das Kreativprojekt Rennmeister, das diese kultigen Autos einer neuen Fan-Generation vorstellt, eingesetzt und zieht sofort die Aufmerksamkeit aller auf sich, die ihm ansichtig werden. Wir alle wissen, dass orangefarbene Autos schneller fahren. Wir drücken die Daumen, dass dieser Wagen mit seiner rauen, brutalistischen Form auch eine Concours-Klasse gewinnen kann.