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Sie wären nicht der Erste, der mit diesem Porsche 906 ein Polizeiauto rammt

Nachdem er mit einem Polizeiwagen zusammengestoßen war, wurde dieser Porsche 906 Baujahr 1966 wieder in Stand gesetzt und holte bei Rennen an der US-Westküste zahlreiche Klassensiege. Nun wird er am 26. April bei der Porsche Air|Water Auktion von BAG in Costa Mesa (CA) versteigert.

Wollte man früher Porsche-Fans hänseln, dann war der Vergleich ihres Heckmotor-Sportwagens mit dem VW Käfer die beste Methode. Heute könnten Porsche- und VW-Modelle kaum unterschiedlicher sein, doch 1948, als der 356 erstmals auf öffentliche Straßen rollte, hatte er tatsächlich noch einen Käfer-Motor im Heck. Da mutet es aus heutiger Sicht wundersam an, dass dieser Rennsportwagen nur 18 Jahre nach dem Stapellauf des ersten Porsches aus demselben Werk und von dort direkt auf die Rennstrecken rollte. Doch lassen Sie uns ohne weitere Vorreden tief in die faszinierende Vergangenheit dieses faszinierenden Porsche 906 von 1966 eintauchen.

Nach Porsches erstem Rennsportprototyp, dem 904 Carrera GTS, war der 906 (auch besser bekannt als Carrera 6) der erste unter der Leitung von Ferdinand Piëch, Neffe von Ferry Porsche und seit 1965 Leiter der Entwicklungsabteilung, entwickelte reinrassige Prototyp der Zuffenhausener. Anders als der 904 GTS mit seinem Kastenrahmen aus Stahlblech basierte er auf einem Gitterrohrrahmen-Chassis, über das eine Fiberglashaut mit einem niedrigen, langgestreckten Bug, langem Kamm-Heck und natürlich ein Paar Flügeltüren gespannt war. Sein 2,0-Liter-Sechszylinder-Boxer war derweil vertrauter, da er sich sowohl im 904 als auch im gerade neu erschienenen 911 in der Praxis bewährt hatte. Hinter dem Fahrer montiert, leistete der Sechszylinder dank Pleueln aus Titan und drei Weber IDA 46 3C-Vergasern 210 PS bei 8.000 U/min.

Wie man es von einem hochmodernen Prototypen erwarten durfte, folgten in der Debütsaison 1966 auf Anhieb gleich zahlreiche Erfolge, darunter Klassensiege bei den 24 Stunden von Daytona, den 12 Stunden von Sebring und den 1000 km von Monza. Doch nicht nur das Werksteam feierte Siege, denn der vielleicht größte Triumph der Saison 1966 gelang Willy Mairesse und Herbert Müller mit dem Gesamtsieg bei der Targa Florio von 1966 im privaten 906 der Schweizer Scuderia Filipinetti.

Das muss hervorragende Werbung gewesen sein, denn es dauerte nicht lange, bis die Nachricht von Porsches neuestem Rennwagen-Wunderkind über den großen Teich zu Earle M. Chiles, dem Erben der Supermarktkette Fred Meyer, durchdrang. Denn dieser bestellte umgehend bei Porsche Cars Northwest in Beaverton, Oregon, dieses Auto mit der Fahrgestellnummer 906-140. Der schlicht in Weiß lackierte 906 wurde umgehend in Chiles Rapids Inc.-Rennteam eingesetzt, für das in den Jahren 1966 und 1967 erfahrene Piloten wie Gary Wright, Mike Fisher und Pete Lovely ins Steuer griffen.

Gleich im ersten Jahr sicherte sich der 906-140 mehrere Top-10-Platzierungen bei regionalen Veranstaltungen. Allen voran beim Road America 500 1966, wo Fisher und Lovely einen beeindruckenden siebten Gesamtrang und Platz drei in ihrer Klasse erreichten. Chiles 906-Märchen fand jedoch ein jähes Ende, als er auf dem Portland International Raceway mit einem Polizeifahrzeug kollidierte. Worauf sich der Teambesitzers entschied, seinen Porsche weiterzuverkaufen, anstatt sich um eine Reparatur zu kümmern.

Doch wie heißt es doch so schön: Des einen Leid, ist des anderen Freud. Monte Shelton, ein bald zu Berühmtheit gelangender Rennfahrer und Sportwagenhändler aus Portland, erkannte sofort das Potenzial des beschädigten 906 und verfügte über das nötige Fachwissen und die Ressourcen, um ihn fachgerecht zu restaurieren. Nach der Reparatur der Frontpartie ließ er 906-140 in dem hier abgebildeten auffälligen Blauton neu lackieren und mit dem bedeutungsschweren Oregon-Kennzeichen „ACE 906“ neu zulassen. Und 906-140 machte seinem Nummernschild alle Ehre: Shelton errang mit seinem Ass zwischen 1967 und 1969 zahlreiche Klassensiege bei nationalen und regionalen SCCA-Veranstaltungen an der gesamten Westküste.

1970 fand 906-140 dann einen neuen Besitzer: Robert Harmon aus Marin County, Kalifornien. Er behielt ihn fünf Jahre und fuhr ihn in dieser Zeit gelegentlich in Laguna Seca und auf dem Vaca Valley Raceway. 1975 wurde der Porsche erneut verkauft, und es war der legendäre Porsche-Rennfahrer und -Sammler Chuck Stoddard aus Ohio, der die aus Gewichtsgründen und ab Werk durchlöcherten (!) Schlüssel übernahm. Im Laufe des folgenden Jahrzehnts verkaufte und kaufte Stoddard den Wagen mehrmals zurück, und Bob White, Jeff Hayes und Nick Soprano ergänzten die Liste der Vorbesitzer. Beeindruckend ist, dass der 906-140 trotz seiner vielen Besitzer und unzähliger Rennen im Vergleich zu vielen anderen 906ern relativ unverändert blieb.

1988 endete die Zeit des 906-140 in den USA; als Teil der Maranello Rosso Collection des italienischen Ferrari- und Abarth-Enthusiasten Fabrizio Violati, der auch andere Rennsportgiganten wie einen Ferrari 250 GTO besaß, kehrte er nach Europa zurück. Immer noch weitgehend unrestauriert, ging er von dort weiter an einen anderen italienischen Enthusiasten, Alfredo Spinetti. Der die Originalität des 906-140 erkannte und beschloss, die Patina während seiner 21-jährigen Ownership zu erhalten. Spinetti selbst kommentierte: „Er war und ist noch immer ein Rennwagen ... Wir wollten nichts an ihm ändern, nicht einmal die kleinen Unvollkommenheiten, denn diese verraten seinen Spirit.“

Zu guter Letzt kehrte der 906-140 im Jahr 2022 wieder in die USA zurück – noch immer weitgehend unverändert wie an seinem Abreisetag 1988. Während viele seiner 906-Brüder im Laufe ihrer Rennkarrieren schrittweise modifiziert und mit neuen Karosserien und Fahrwerken ausgestattet wurden, behielt der 906-140 seine Werksrahmen-Nummer, das Aluminium-Chassis-Etikett und das serienmäßige Renngetriebe mit Magnesiumgehäuse. In seiner heutigen Form präsentiert er sich mit einem (etwas stärkeren) Sechszylinder aus dem Nachfolge-Modell Porsche 910, bleibt aber ansonsten Ferdinand Piëchs ursprünglicher Vision für den Carrera 6 treu. Nun sucht dieses wunderschöne Stück Porsche-Renngeschichte seinen nächsten Besitzer und wird am 26. April im Rahmen der Porsche Air Water-Auktion der Broad Arrow Group meistbietend versteigert.

 

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