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Le Grand Bleu – Eine Hommage an Ettore Bugatti größten Erfolg

Der Bugatti Veyron ist Geschichte – und schreibt doch noch immer die schönsten Geschichten. Etwa die eines Schweizer Sammlers, der seinen Veyron Grand Sport in eine Hommage an Ettore Bugattis genialen Grand-Prix-Rennwagen Type 35C verwandelte.

Es ist ein kühler Vormittag, grau hängt der Nebel in den Wäldern der Vogesen,  das Elsass zeigt sich von seiner ungemütlichen Seite. Doch der Schweizer Automobilsammler, der seinen Namen lieber nicht genannt sehen möchte, sitzt in den gemütlichen Korbsesseln der Orangerie von Bugatti in Molsheim mit einer Tasse Tee und freut sich. Der letzte Bugatti Veyron Grand Sport Vitesse verlässt heute die Werkshallen. Und sein neuer Besitzer ist angereist, um das historisch wertvolle Exemplar persönlich in Empfang zu nehmen. Doch damit nicht genug: Der Sammler hat seinen Bugatti Veyron Grand Sport nämlich jenem legendären Grand-Prix-Rennwagen vom Typ 35 gewidment, mit dem Ettore Bugatti in den 1920er Jahren den immensen Erfolg der Marke erst begründet hatte. Auch ebenjener hellblaue Bugatti T35C aus dem Jahr 1928, der als Vorbild für den Veyron und seine ungewöhnliche Farbgebung diente, ist heute in Molsheim zugegen.

Dem Schweizer Sammler – von zurückhaltender Freundlichkeit, aber mit jungenhaft leuchtenden Augen – sieht man die Freude darüber an, dass er seine beiden Ausnahme-Automobile heute mit nach Hause nehmen darf. „Wenn man ein Unternehmen wie Bugatti heute betrachtet“, sagt der mehrfache Concours-Gewinner, „dann ist die Zukunft natürlich sehr wichtig. Aber vielleicht sogar noch wichtiger ist die Historie. Allein wenn man sich erinnert, wie erfolgreich der Bugatti T35 einst war, der in seiner Karriere sage und schreibe 2.000 Rennen gewonnen hat. Für mich passt die Geschichte der Marke von der Zeit Ettore Bugattis und der großen Rennerfolge der Vorkriegsjahre bis zur Wiedererweckung durch Ferdinand Piëch und zur Produktion des Veyron derart gut zusammen, dass ich sie nun, zum Ende dieser Epoche, noch einmal verbinden wollte. Und die beste Möglichkeit war meiner Ansicht nach, die Ästhetik dieses wunderbaren Bugatti T35C in seiner ungewöhnlichen und schönen Farbgebung auf den letzten Bugatti Veyron Grand Sport zu übertragen.“

Doch so perfekt die beiden Bugatti-Generationen – die eine fast neun Jahrzehnte alt, die andere frisch poliert und vor wenigen Minuten aus der Manufaktur gerollt – auf dem Kies um das ehrwürdige Château Saint Jean auch wirken, bis zu diesem Tag war es ein steiniger und arbeitsreicher Weg. Der Bugatti Type 35C, unter Kennern als Chassisnummer 4935 bekannt, hatte einst dem großen amerikanischen Sammler Dr. Peter D. Williamson gehört und war erst 2010 wieder nach Europa gelangt – damals allerdings in wenig erfreulichem Zustand: In den 1960er Jahren, als sich kaum jemand für europäische Grand-Prix-Rennwagen interessierte, war der Bugatti von einem bekannten Restaurator namens Overton "Bunny" Philips an der US-Westküste dem damaligen Zeitgeist entsprechend überarbeitet worden. Mit einer neuen Karosserie sowie verchromten Rädern und Fahrwerk sah der rennerprobte Grand-Prix-Bugatti allerdings aus wie ein Karussellauto auf einem amerikanischen Jahrmarkt. Doch die Bugatti-Szene ist so klein wie gut vernetzt – und wie es der Zufall so wollte, erinnerte sich ein Sammler, der auf Balboa Island vor der Küste von Los Angeles lebte, dass er einst beim Bunny Philips Estate Sale eine Kiste mit Karosserieteilen erworben hatte, die tatsächlich zu diesem Type 35C gehörten. So begann ein langwieringer Prozess der Rekonstruktion – zunächst beim Markenspezialisten Malcolm Gentry in England, der Fahrwerk und Motor überarbeitete, und schließlich im Hause Egon Zweimüller in Österreich, wo der Bugatti mit Hilfe von Originalteilen, anspruchsvollen Nachbauten und historischen Werkzeugen auch optisch in den Zustand seiner Auslieferung versetzt wurde.

Besonderen Wert legte der Auftraggeber auf die Rekonstruktion des hellen Farbtons, der den Rennwagen einst geschmückt hatte und bei Analysen der Karosserieteile unter mehreren jüngeren Lackschichten zum Vorschein gekommen war. Mit Hilfe eines bis heute erhaltenen historischen Farbkastens ließ sich schließlich sogar die richtige Nuance treffen, die übrigens deutlich heller war, als das satte Blau, das man heute gemeinhin mit historischen Bugattis in Verbindung bringt. Denn zwar waren die französischen Grand-Prix-Rennwagen ab den 1910er Jahren einheitlich mit blauer Lackierung angetreten, während die englischen Rennteams in ihrem berühmten „Racing Green“ starteten und die deutschen Rivalen zunächst mit weißen, später mit silbernen Autos um die Titel kämpften. Doch je nach der Herkunftsregion des Teams konnten sich die Farbtöne durchaus unterscheiden. Der Bugatti T35 aus der Schweizer Sammlung entsprach einem Hellblau, das einst als „Bleu Grand Prix Lyonnais“ bezeichnet wurde.

Auch der Bugatti Veyron Grand Sport trägt nun stolz das herrschaftlich-elegante Lyonblau zur Schau. Die Farben der beiden Karosserien ähneln sich verblüffend, wobei eine absolute Überseinstimmung allein produktionstechnisch weder möglich, noch gewollt war. In den Vorkriegsjahren verwendete man sogennannte Nitrozelluloselacke, die vergleichsweise wenig Farbigmente enthielten und mehrmals aufgetragen werden mussten, um zu decken. Dieses historische Verfahren kam auch bei der Lackierung des Type 35 zum Einsatz. Durch die Lasur schimmert allerdings noch immer die silbergraue Aluminiumkarosserie. Und da der eigens hergestellte Lack keinen Schutz gegen UV-Strahlung besitzt, wird sich die Farbe mit der Zeit verändern und dem Rennwagen eine schöne Patina verleihen. Auch beim Interieur war die Originalität für den Sammler und seinen Restaurator das allererste Gebot: Da moderne Textilien nicht zur Aura eines historischen Rennwagens gepasst hätte, wurde historisches Leder verwendet und dunkelblau eingefärbt – ganz so, wie es einst auch unter Ettore Bugatti getan wurde. Bei genauerem Hinsehen entdeckt man noch zahlreiche weitere stimmige Details, wie etwa das historische Miniumgummi unter der Windschutzscheibe und um den Schalthebel, das wie einst ab Werk mitlackiert wurde und von dem nun bereits die Farbe abblättert. Es ist diese bedingungslose Liebe fürs Detail und der Wunsch nach unbedingter Authentizität, die den Bugatti T35C mit Nummer 4935 so einzigartig macht.

Der Bugatti Veyron Grand Sport nimmt viele Details des frisch restaurierten T35 wieder auf – vom schwarz eingefärbten Hufeisengrill über den zeitlosen Look der Grand-Prix-Räder bis hin zum Blauton der Ledersitze und dem Sonnenschliff der Armaturentafel. Und doch gehen die Gemeinsamkeiten weit über alle optischen Finessen hinaus. Beide Autos verkörpern schließlich die absolute Avantgarde ihrer Zeit – der Bugatti Type 35 als Archetyp des erfolgreichen Vorkriegsrennwagens und Blaupause für Generationen perfektionistischer Ingenieure, der Bugatti Veyron als schnellster und vielseitigster Sportwagen des neuen Jahrtausends, mit dem man nach einer Rekordfahrt auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke auch noch bequem durch halb Europa reisen konnte, notfalls auch bei Eis und Schnee. Es ist dieser Anspruch, sich nur mit dem bestmöglichen Ergebnis zufrieden zu geben, der nicht nur das Werk von Ettore Bugatti und Ferdinand Piëch verbindet, sondern sich auch in dieser so geschmackvoll inszenierten Hommage an die Philosophie und Historie der Marke wiederfindet. Und wie schreibt sich die Geschichte nun fort? Wir könnten uns auch den neuen Bugatti Chiron nur zu gut im Farbton „Bleu Grand Prix Lyonnais“ vorstellen. 

Fotos: Rémi Dargegen für Classic Driver © 2016

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