„Stellen Sie sich vor, Sie würden morgen im Lotto gewinnen. Wofür würden Sie Ihr Geld wohl ausgeben?” Diese Frage wurde schon millionenfach gestellt, und die Antworten fallen je nach Glückspilz immer unterschiedlich aus. Mancher würde zuerst dafür sorgen, seine Familie und Freunde finanziell abzusichern, ein anderer würde alles für wohltätige Zwecke spenden, und dann gibt es noch die Verschwender, die sich alles leisten wollen, wovon sie schon immer geträumt haben. Wenn Sie zu dieser letzteren Art von Lottogewinnern gehören oder sich Ihr Vermögen durch harte Arbeit und Entschlossenheit verdient haben, können wir uns nur wenige bessere Anschaffungen vorstellen als Ihr eigenes Formel-1-Auto.
Natürlich müssen vor einem solchen Kauf zunächst einige Hürden überwunden werden. Daher wollten wir genau herausfinden, was man braucht, um ein altes Formel-1-Auto zu finden, es zu erwerben, zu warten und zu fahren. Wie diesen außergewöhnliche Ferrari 643 als ideales Beispiel. Der rote Renner wurde von Steve Nichols und Jean-Claude Migeot für das schnelle französische Duo Alain Prost und Jean Alesi entworfen und gilt als eines der beeindruckendsten Grand-Prix-Autos seiner Generation. Er feierte sein Debüt als Nachfolger des glücklosen 642 zur Halbzeit der F-1-Saison 1991 beim GP von Frankreich in Magny-Cours. Wo dieses Exemplar mit Chassisnummer 127 mit Alesi am Steuer den vierten Platz errang.
Um ein wenig mehr über die Anforderungen an Wartung und Pflege eines solchen hochkomplexen Monsters mit seinem bis 13.800 Mal pro Minute drehenden V12-Motor zu erfahren, haben wir uns mit dem Herrn zusammengesetzt, der sich zusammen mit seinem Team bei Modena Motorsports persönlich um genau dieses Auto gekümmert hat. Um sicherzustellen, dass es nicht nur so läuft, wie es sollte, sondern auch bei historischen Rennen konkurrenzfähig ist. Uwe Meissner ist ein Mann, dem Ferrari wirklich im Blut liegt. Er gründete Modena Motorsports im Alter von gerade einmal 23 Jahren und hat an fast jedem Formel-1-Auto gearbeitet, das Ferrari seit den 1970er Jahren bis in die 2000er Jahre herausgebracht hat.
Zunächst wollten wir wissen, wie der Prozess bis zum Besitz eines Formel 1 wie des 643 beginnt, vor allem wenn man bedenkt, wie selten ein solches Juwel überhaupt auf dem Markt zu finden ist. Zum Glück für uns (und die glücklichen neuen Besitzer) steht RM Sotheby's mit seinen Lots an der Spitze dieser goldenen Ära der modernen Formel 1 und trägt so zu deren großer Beliebtheit bei. Meissner erklärt, wie man diese außergewöhnlich seltenen Autos – vom 643 baute Ferrari zum Beispiel nur fünf Chassis – erwerben kann: „Durch die begrenzten Produktionszahlen sind diese Autos wirklich selten und befinden sich hauptsächlich im Besitz großer Ferrari-Sammler, wo sie zweifellos die Krone einer Sammlung darstellen. Von Zeit zu Zeit kommen diese Raritäten über das Werk, bekannte Händler oder Auktionshäuser wie dieses dann aber doch zum Verkauf."
Ein Formel-1-Auto zu finden ist eine Sache, aber es tatsächlich fahren zu können, eine ganz andere Sache. Mit seinem 3.499 cm³ großen und 710 PS starken V12 sowie dem Monocoque aus Kohlefaser ist der 643 nicht gerade ein Alltagsauto. Aber genau darin liegt der Reiz, ein so einzigartiges Fahrzeug zu besitzen. Uwe Meissner erzählt uns mehr darüber, was es bedeutet, einen Ferrari wie diesen zu warten: „Dank des konstanten Engagements des F1-Teams von Ferrari und unserer eigenen Mitarbeiter bei Modena Motorsport in Deutschland gründete Jean Todt im Jahr 2000 den Status eines offiziellen Ferrari F1 Clienti Workshop. Diese enge Zusammenarbeit hat es uns ermöglicht, unser Wissen in den letzten zwei Jahrzehnten zu konsolidieren. Natürlich braucht man Mechaniker mit Leidenschaft, Intelligenz und Hingabe für die komplexen Techniken, die nötig sind, um die Autos am Laufen zu halten. Aber, was vielleicht am wichtigsten ist: man muss die Autos auch ab und zu fahren!“
Die Beschaffung von Teilen und Ersatzteilen ist viel einfacher als man denkt, denn Ferrari steht an vorderster Front, wenn es darum geht, dass diese einzigartigen Autos nicht nur im Museum stehen. Meissner erklärt weiter: „Ferrari ist stets bemüht, durch seine Werkstatt und die Ersatzteilabteilung diesen Teil seiner Geschichte am Leben zu erhalten. Natürlich haben auch wir bei Modena Motorsport in den letzten Jahren ein Ersatzteillager für unsere Kunden aufgebaut, wo ein nicht mehr erhältliches Teil wieder aufgearbeitet wird. F1-Autos bis 1995 sind am einfachsten zu warten. Die Wagen der frühen 2000er Jahre enthalten viel mehr Elektronik, deren Reparatur verwirrend und zeitaufwändig werden kann.”
Im Verlauf des Interviews wird deutlich, dass ein Ferrari wie dieser aus purer Leidenschaft gekauft wird. Sicherlich könnte man sich auf offener Straße im neuesten 296 GTB austoben oder in einem 488 GTE eine neue persönliche Bestzeit in Spa-Francorchamps aufstellen. Aber es ist die Ursprünglichkeit und Einfachheit, die das Bewegen des 643 zu einem wirklich unvergesslichen Erlebnis macht. Obwohl sich die Formel-1-Autos dieser Ära bereits mit intelligenter Technologie brüsten konnten – Ferrari war der Erste mit einer Halbautomatik, sodass Alesi die sieben Gänge vom Lenkrad aus schalten konnte – war der Fahrer doch weitaus stärker involviert als in späteren Jahren. Als Folge brauchten die Piloten eine Kombination aus körperlicher Kraft und mechanischem Wissen, um ihr Auto am Limit zu fahren. Meissner bestätigt: „Einen Ferrari F1 zu fahren ist eine Symphonie des reinsten Ferrari-Gens, zusammen mit jeder einzelnen Geschichte jeder Fahrgestellnummer ist es ein sehr emotionales Gefühl, ein solches technisches Kunstwerk zu besitzen, besonders vom erfolgreichsten Rennstall der Welt.“
Ich habe mir Originalaufnahmen von Rennen aus der Saison 1991 angeschaut, von denen einige behaupten, sie seien die größte Ära der Formel 1 gewesen. Senna, Prost, Schumacher, Mansell hießen die Matadoren. Sie lieferten sich ein von potenten Sponsoren finanziertes Schachspiel mit hohen Einsätzen bei Tempo 320. Viele finden, dass der Rennsport damals besser war, und zum Glück gibt es eine Besitzer, Teams und Organisatoren, die mit historischen Veranstaltungen entschlossen sind, die Magie der Formel 1 der 1990er Jahre wieder aufleben zu lassen. Meissner erklärt, wie diese Entwicklung von Jahr zu Jahr an Dynamik gewonnen hat: „Das Ferrari F1 Clienti Programm bietet weltweit beeindruckenden Support, indem es Veranstaltungen wie den Dubai Historic GP, die Formula Legends 3.5L und Ignition GP einbezieht. In diesem Tätigkeitsfeld hat man viele Möglichkeiten, das Auto überall hin mitzunehmen, unterstützt von einem Netzwerk, das bei der Logistik und der Anmietung von Strecken oder der Teilnahme an anderen Veranstaltungen hilft.”
Diese außergewöhnliche Modell mit Chassisnummer 127 wird bei der kommenden Paris Auktion von RM Sotheby's am 1. Februar 2023 im Mittelpunkt stehen – wir sind gespannt auf das Ergebnis dieses Top-Lots. Mit einem Schätzwert von € 2.900.000 - € 3.400.000 gibt es unserer Meinung nach nur wenige Autos, die für den leidenschaftlichen Besitzer und passionierten Rennfahrer so viel Bedeutung und Fahrspaß bieten wie dieses Exemplar aus Maranello.