Nicht jeder groß angedachte Entwurf von Zagato hat am Ende den Test der Zeit überstanden. Während kein Zweifel daran besteht, dass der Aston Martin DB4 GT Zagato einer der schönsten und begehrenswertesten Sportwagen aller Zeiten ist, kann man das Gleiche nicht vom Bentley Continental GTZ und Ferrari FZ93 behaupten. Was nicht heißen soll, dass auch sie ihre Verdienste und Anhänger haben. Am Ende besteht der Reiz des Mailänder Designhauses halt bis heute darin, mit seinen Modellen nicht jeden Geschmack treffen zu wollen.
Diese bizarr gestylte Limousine zählt zu den vergessenen Zagato-Designs – ob zurecht oder zu unrecht, müssen Sie entscheiden. Der Grund für die weitgehende Unbekanntheit des Autos unter Europäern liegt in der Tatsache begründet, dass es auf einem Nissan basierte und auch nur in Japan verkauft wurde. Es war Mitte der 80er-Jahre, als Nissans japanischer Werkstuner Autech den Auftrag erhielt, die brave Mittelklasse Limousine Leopard (F31) aufzupeppen.
Autech hatte kein Problem, sich um die naheliegenden Dinge wie den Antriebsstrang und das Fahrwerk zu kümmern – schließlich war Autech Präsident Shinichiro Sakurai „Vater“ des legendären Nissan Skyline. Nur für die Karosserie und deren Styling suchte man nach etwas, das die Kunden so umhauen würde wie ein Schlag des fiktiven Karatemeisters Mr Miyagi aus den Karate Kid-Filmen. Wer käme da anders infrage als die Karosseriemeister von Zagato in Italien, die – bei Betrachtung ihrer damaligen Kreationen – offenbar ein wenig zu viel vom stärksten lokalen Grappa gekostet hatten?
Das Styling ist denn auch - einfach gesagt - verrückt, wenngleich nicht zwangläufig auf schlechte Art. Eckige Karosserien und scharfe Kanten waren nicht nur für Zagato, sondern generell für das Autodesign der späten 80er-Jahre typisch. Doch die Proportionen und der Auftritt insgesamt wirkten durchaus stimmig, die Silhouette erinnerte sogar ein wenig an den Aston Martin V8 Zagato und auch Elemente des Alfa Romeo SZ schimmerten durch. Auch diese galten nicht gerade als konservativ gestylte Modelle.
Dennoch muss bei Betrachtung einiger Details fragen, was die Designer geraucht (oder geschnüffelt) hatten. Dazu gehören neben der gesamten Frontpartie die ziemlich krude in die vorderen Kotflügel integrierten Rückspiegel oder NACA-Einlässe in den voll verschalten Rädern. Fast scheint es, als hätten die Designer auf halber Strecke aufgehört. Wären zum Mittagessen gegangen und hätten die restliche Arbeit dem Hausmeister überlassen.
Unter der wulstigen Motorhaube hockte ein offiziell mit 280 PS angegebener V6 (obwohl alle wussten, dass er locker über 300 PS lockermachte). Die Kraft gelangte über ein nicht übermäßig lebhaftes ZF Vierganggetriebe an die Hinterräder - immerhin hatte es einen Overdrive. Im Vergleich zum Exterieur war das Interieur des Stelvio ein wenig ernüchternd. Trotzdem scheint es ein angenehmer Platz zum Autofahren zu sein, garniert mit zahlreichen Gadgets und sogar ein paar Zagato-Teilen.
Mit 18 Millionen Yen war der Stelvio sogar noch teurer als ein Honda NSX, damals der Spitzensportwagen Japans. Zusammen mit dem kontroversen Design waren damit von vornherein große Stückzahlen ausgeschlossen; angeblich verkaufte Nissan Anfang der 90er-Jahre lediglich 88 Exemplare, von denen nur wenige den Weg aus Japan herausfanden. Darunter dieses silberne Exemplar mit Chassisnummer 31, das aktuell bei JB Classic Cars in den Niederlanden zum Verkauf steht.
Zagato feiert 2019 seinen 100. Geburtstag. Während wir mit Sicherheit zahlreiche Events erleben werden, auf denen die berühmten und beliebtesten Entwürfe glänzen dürfen, so sollten wir auch an jene Entwürfe denken, die wie der Autech Stelvio die Bewunderung des Publikums nicht erringen konnten. Er ist selten, skurril und passt bestens zur exzessiven Epoche, in der ihn seine japanischen und italienischen Entwickler realisierten.
Am Ende spielt dieses Auto mit unserem Urteilsvermögen – love it or hate it!Er hat alles, was Zagato großgemacht hat. Aber auch alles, was man an Zagato kritisieren kann. Wir wissen nur eins: Das ist kein Auto für den Trümmerhaufen der Autogeschichte. Und dass wir einen wollen!
Fotos: Jerôme Wassenaar für JB Classic Cars © 2018