Wenn der gewaltige Zwölfzylinder mit 5,7 Litern Hubraum im Jaguar XJ-S mit kleinster Verzögerung zum Leben erweckt wird, dürften wohl die meisten Menschen im Umkreis von Duncan Hamiltons ROFGO-Showroom verblüfft die Ohren spitzen.
Das donnernde, beinahe animalische Brüllen, das aus den zwei eher grob gefertigten seitlichen Auspuffrohren explodiert, fährt einem unter die Haut und sorgt dafür, dass jeder Nerv im Körper stramm steht. Man könnte sich kaum einen größeren Kontrast vorstellen, als die Gewalt dieses erdbebengleichen Motors, der unter der Karosserie dieses geschmeidig eleganten Rennwagens steckt, der abgesehen von der lauernden Haltung und der aberwitzig breiten Dunlop-Bereifung, sich kaum unterscheidet von dem serienmäßigen XJ-S, der in den achtziger Jahren in jedem Jaguar-Showroom stand.
Eigentlich kam der XJ-S überhaupt nicht für den Motorsport in Frage, denn er war nicht nur sehr groß und schwer, man konnte ihm auch nicht vorwerfen, zu verfeinert zu sein. Aber der bekannte schottische Rennfahrer und Teameigner Tom Walkinshaw entdeckte in dem langgestreckten Coupé ganz andere Attribute wie die Einzelradaufhängung, ein kraftstrotzendes und verlässliches Triebwerk und ausgesprochen geräumige Radkästen.
Nachdem er die oberste Etage in Browns Lane davon überzeugen konnte, ihm eine Handvoll XJ-S für die europäische Tourenwagenmeisterschaft zu überlassen, die für die Saison 1982 auch das neue, strengere Gruppe A-Règlement übernommen hatte, fuhren Walkinshaw und seine brillanten Piloten die ersten Siege ein. Zu seinem Team zählten immerhin Martin Brundle, Chuck Nicholson und Win Percy.
Ursprünglich trugen die XJ-S von TWR die schwarze Stallfarbe des Sponsors Motul. Für die Saison 1984 erhielten sie aber dann die später legendäre Lackierung in grün und weiß. Nachdem sie knapp die zwei vorherigen Meisterschaften verloren hatten, wurden die Jaguar umfassend erneuert. Wieder brachte Walkinshaw seine ganze Überzeugungskraft an den Verhandlungstisch - diesmal mit dem Führungsgremium des Motorsports, um zu erreichen, das seine XJ-S mit Cosworths Hochleistungsventilen aus der Formel 1 ausgestattet werden durften. Zusammen mit den neuen Kolben leistete der V12 jetzt rund 456 PS und drehte zügig bis zu 7,300 Umdrehungen/Min.
Der anschließend Erfolg nach diesen Optimierungen war überwältigend: Mit sieben Siegen, drei Mal sogar mit einem dreifachen Podium, sicherte sich Walkinshaw die ETC-Meisterschaft von 1984. Bei den Spa 24 Hours stürmten seine Raubkatzen zum ersten Triumph in einem Langstreckenrennen seit Le Mans im Jahr 1957. Er reiste sogar ins australische Bathurst, wo sie prompt gewannen und damit Kritikern aus Down Underverstummen ließen, die meinten, dass der XJ-S kaum die engen, endlosen Kurven des Mount Panorama meistern könnte.
Dieses Exemplar mit dem wir uns einen frechen Ausflug über die verschlafenen kleinen Landstraßen rund um Duncan Hamilton ROFGO genehmigten, trägt die Chassisnummer 5. Sein bestes Ergebnis war der Sieg in einem Gruppe A-Rennen in Macau, das ausgetragen wurde, um einen populären Formel 3-Event zu unterstützen. Tom Walkinshaw absolvierte ein beeindruckendes Rennen, und der große Jaguar, der zum ersten und einzigen Mal die Farben von John Player Special trug, lieferte eine fehlerfreie Leistung ab.
Aber der Mann, der am häufigsten die Chance hatte, diese Raubkatze zu fahren - sprich zu bändigen - war kein geringerer als Winston „Win” Percy. Wer im weltweiten Tourenwagensport gewinnen wollte, musste erst einmal an diesem Champion aus Dorset vorbei. Wir hatten Gelegenheit, mit dem heute in Spanien lebenden Percy über seine Erinnerungen an Walkinshaws XJ-S zu sprechen und wie dieses Auto seine glanzvolle Karriere beeinflusst hatte.
„Der XJ-S TWR war ein One-off und mit keinem meiner anderen Tourenwagen vergleichbar”, erinnert er sich voller Zuneigung. „Dass dieses Fahrzeug so wettbewerbsfähig war, belegt eindrucksvoll Tom Walkinshaws schieren Willen, Höchstleistungen zu erzielen und dabei so einfach wie möglich zu bleiben. Es brachte nichts, den Jaguar unter seinem Potenzial zu fahren. Aber wenn man geradezu körperlich ans Limit ging, wurde man von dem Auto auch belohnt. Es war ein tolles Gefühl und machte so einen Spaß mit diesem XJ-S zu fahren und zu gewinnen.”
Percy ist sich durchaus des Werts der XJ-S-Motorsporterfolge für Jaguar bewusst, denn der Hersteller war damals in einer etwas prekären finanziellen Lage. „Es war eine Ära, in der Jaguar zu kämpfen hatte - was TWR zum Geschäft beitrug, war enorm wichtig”, erzählt er. „Eigentlich habe ich nie einen besseren Beweis für das Motto „Win on Sunday, Sell on Monday” erlebt, als wir damit in Bathurst angetreten sind. Die Australier hielten es nicht für möglich, dass wir gewinnen würden, aber genau das haben wir erreicht. Am nächsten Tag sind wir nach Sydney rein gefahren und die Menschen standen buchstäblich vor dem Jaguar-Händler Schlange, um einen XJS zu bestellen. Jahre später bei einem Event im Jaguar-Werk kamen Mitarbeiter und solche, die dort arbeitet hatten, zu mir, um mir dafür zu danken, dass ich dieses Modell so bekannt gemacht hatte. Durch jenen Verkaufserfolg konnten viele ihre Hypotheken bedienen.”
„Vor dem Hintergrund dieser Epoche ist der XJ-S ein Auto, das einen besonderen Platz in meinem Herzen einnimmt - ich verdanke ihm meine erste ETC-Meisterschaft. Durch ihn verließ ich auch die Grenzen Großbritanniens und betrat die Weltbühne. Durch diesen Wagen hat sich für mich alles verändert.”
Nach einigen übermütigen Meilen in Gesellschaft dieses noch wunderbar ursprünglichen XJ-S TWR kann man nachvollziehen, weshalb er sich in das Gedächtnis so vieler Menschen gebrannt hat. Abgesehen von seinem wesentlichen Rang in einer der wichtigsten Motorsportkapitel in der Jaguar-Historie, sieht dieser XJ-S einfach fantastisch aus, oder? Ehrlich gefragt, wer braucht eigentlich diese ganzen aerodynamischen Elemente, wenn man diesen sehnigen, geduckten und sehr erotischen Körper hat? Man muss ihn einfach nur ein wenig näher zum Boden absenken, diese geradezu irren breiten Reifen montieren und fertig ist eine Legende des Motorsports. Wir werden nie diese überwältigende Schallmauer vergessen, als Jack Tetley von Duncan Hamilton ROFGO den Motor des Jaguar entzündete. Es gibt in der Wildnis da draußen noch größere Katzen, aber wohl keine, die so wild ist.
Fotos: Tom Shaxson für Classic Driver © 2019