Diese Frage wird oft gestellt, wenn es um die schönen Dinge des Lebens geht: Was macht Luxus aus? Der reiche, warme Glanz eines sorgfältig gealterten Rotweins? Das Surren des Räderwerks einer Armbanduhr aus massivem Gold, wenn sie die Zeit misst? Details, die nur diejenigen wahrnehmen, die sie erlebt haben. Aber wenn wir über klassischen Luxus bei Autos sprechen, meinen wir das Gefühl, das aufkommt, wenn man sich auf einem patinierten Ledersitz entspannt oder den Duft der Walnussholzverkleidung tief inhaliert. Diese sinnlichen Erfahrungen vermitteln viele Klassiker, aber nur wenige so intensiv wie ein Bentley. 104 Jahre sind vergangen, seit Walter Owen Bentley, oder W.O., wie er liebevoll genannt wurde, seine Philosophie formulierte, „ein gutes Auto, ein schnelles Auto und das Beste seiner Klasse“ zu bauen. Dieses Fundament hat diese archetypisch britische Marke über die Jahrzehnte hinweg auf eine bedeutsame Reise geführt, wobei jedes neue Modell Bewunderung und Begehrlichkeit hinterließ.
Meinen ersten Eindruck von Bentleys luxuriöser Anziehungskraft erhielt ich schon in jenem Moment, als ich den Bahnsteig von Crewe in Cheshire verließ und vom Chauffeur eines prächtig ausgestatteten Flying Spur begrüßt wurde. Ein Modell, das wohl den Gipfel der modernen Dekadenz und den Höhepunkt der jahrzehntelangen Verfeinerung im Limousinen-Segment darstellt. Bei der Ankunft im Bentley Werk wurde mir bewusst, wie beliebt diese Autos sind, sowohl in ihrer Heimat Großbritannien als auch – was noch wichtiger ist – in Übersee. Im Jahr 2022 lieferten die zum VW-Konzern (Audi Group) gehörenden Briten 15.174 Neufahrzeuge aus, ein Rekord. Viele gingen nach Amerika und in den asiatisch-pazifischen Raum, und viele hatten einen Hybridantrieb. Diese Zahlen werden noch beeindruckender, wenn man bedenkt, dass Bentley vor vier Jahrzehnten nur eine Handvoll Autos pro Jahr verkaufte und fast nicht mehr existierte. Aber dazu später mehr.
Beim Gang entlang der Produktionsbänder stellte ich fest, dass sowohl Bentley als auch seine Kunden die Individualität ihrer Fahrzeuge zelebrieren. Sie können zwischen einer schier unendlichen Auswahl an Farbkonfigurationen wählen und auch bei den Materialien für das Interieur gibt es fast keine Grenzen – ein Kunde ließ sich das Armaturenbrett aus dem Material eines 100 Jahre alten Steins verkleiden, den er in seinem Garten in den schottischen Highlands gefunden hatte. Jeder Arbeiter ist tadellos gekleidet, alle Oberflächen sind frei von Unordnung, jedes Auto wird stundenlang gepflegt, sowohl von Menschen als auch von einem der nur zwei im ganzen Werk aktiven autonomen Robotern. In dieser traumhaften Fabrik werden selbst die verrücktesten Visionen zum Leben erweckt, und es ist leicht zu erkennen, warum Bentley die Besten sind in dem, was sie tun.
Das war jedoch nicht immer so, und als ich mich auf den Weg in Bentleys frisch renovierte Heritage Garage machte, wurde mir deutlich vor Augen geführt, wie viele Modelle zwischen Walter Owen und heute gekommen und gegangen sind. Einst Teil des ursprünglichen Werksgeländes in Crewe, beherbergt sie heute einige der historisch bedeutendsten Bentley-Modelle der letzten 104 Jahre, darunter den 3-Liter, der in Le Mans an den Start ging. Der Schwerpunkt liegt auf den Fahrzeugen, die auf dem Gelände des 1946 eröffneten Werks in Crewe (frühere Bentleys entstanden in Derby) gebaut wurden. Während ich mit großen Augen durch die schiere Menge an Chrom und Holzarbeiten schlenderte und mich am Geruch von gut gealtertem Leder berauschte, gab es zwei Autos, die ich unbedingt näher kennenlernen wollte.
Zwei Autos, die auf dem Papier nicht gegensätzlicher sein könnten und doch irgendwie die Probleme der Marke in den 1980er-Jahren verdeutlichten. Den Wunsch, sich weiterzuentwickeln und sich an etwas Größeres anzupassen, um das Überleben selbst in den schwierigsten Zeiten zu sichern. Meine Reise beginnt mit einem Continental Cabrio Baujahr 1984 in Tudor Red. Ein 5,19 Meter langer, viersitziger Cruiser, der sich sicherlich vor einer Villa in St. Tropez wohler gefühlt hätte als an einem nieseligen Nachmittag in der englischen Provinz. Nichtsdestotrotz haben wir das riesige Stoffverdeck abgenommen, um uns voll und ganz auf die Vorstellung einzulassen, diesen vom damaligen Bentley Chairman zwei Jahre lang als Dienstwagen gefahrenen Schlitten neu gekauft zu haben. Diese Continental-Serie lässt sich bis ins Jahr 1971 zurückverfolgen, als der Wagen dieselbe Bezeichnung wie sein ebenfalls in Crewe gebautes Schwestermodell trug: Corniche.
Von 1971 bis 1991 waren jedoch nur die Absatzzahlen des Rolls beeindruckend, während Bentley einige Jahre lang mit dem Schwestermodell zu kämpfen hatte, obwohl es erst Jahre später auf den Markt kam. Erstaunlich, dass zwischen 1971 und 1987 insgesamt 1.090 Rolls-Royce Corniche Limousinen und 3.239 Rolls-Royce Corniche Cabriolets produziert wurden, dagegen von 1971 bis 1981 nur 69 Bentley Corniche Limousinen und 77 Bentley Corniche Cabriolets. Bevor dann Bentley ab 1984 (und bis 1995) die neue Bezeichnung Continental einführte.
Mit dem Wind in den Haaren fing ich an, mich für den Conti mit dem Klappdach zu erwärmen. Sein ikonischer 6 ¾-Liter-V8 brummte vor sich hin, während er über malerische Landstraßen schwebte und alle Eigenschaften aufwies, die man von einem alten Bentley erwartet, insbesondere sein mühelos sanftes Abrollverhalten, das legendäre „wafting“. Das Fahrwerk bügelt jede Unebenheit glatt, was Langstreckenfahrten mit dem Conti zu einem Kinderspiel machen würde. Das weiche Set-up wirkt jedoch eher beunruhigend als erfreulich, sobald man sich mit dem 2.237 Kilo schweren Kreuzer Kurven nähert. Es war halt ein Auto, das für das Cruisen auf Boulevards und nicht für das Anpeilen von Scheitelpunkten gebaut wurde. Und obwohl es meist dazu diente, die Elite der Welt zu chauffieren, erkannte Bentley, dass sie als Marke künftig aus ihrer dreifach verglasten, mit Schafswolle gepolsterten Komfortzone ausbrechen mussten.
Der Turbo R von 1991 tat genau das und ist in gewisser Hinsicht die Antithese zum Continental – eine für Bentley damals dennoch nicht risikoarme Richtungsänderung. Vor dem R gab es den Mulsanne Turbo, der 1982 auf den Markt kam und weltweit für Begeisterung sorgte. Viele sahen in ihm die Rückkehr des „Blowers“, ein schnelles und leistungsstarkes Modell für alle erdenklichen Szenarien. Die Realität sah jedoch so aus, dass der Mulsanne die potenziellen Besitzer nicht so begeisterte, wie man bei Bentley erhofft hatte – nun sollte der Turbo R diese Lücke füllen.
Das jetzt für mich bereitgestellte Exemplar in Brooklands-Grün mit gelber „Coachline“ und einem Interieur in Magolia Leder mit Spruce Kedern und Wurzelnuss-Furnieren sah auf jeden Fall schon mal gut aus. Es lag viel flacher auf der Straße und wirkte auch dank des dezenten roten „R“-Schriftzugs breiter und sportlicher. Viele dachten, das „R“ stünde für „Race“, aber in Wirklichkeit symbolisierte es die unter der Haut verborgenen Modifikationen am Fahrwerk, sprich am „Roadholding“. Der technische Leiter Mike Dunn versammelte damals sein Team und schaffte es, diesem 2.234 kg schweren Ungetüm dank neuer Stabilisatoren und strafferer Stoßdämpfer weitaus mehr Steifigkeit und Kurventauglichkeit zu verleihen.
Auf offener Straße ist der Turbo R im Vergleich zum Continental wie Tag und Nacht. Er fühlt sich souverän an und will genossen werden, sein 298 PS starker V8 knurrt gerade stark genug, um dem Fahrer zu signalisierten, dass er bei der Arbeit ist. Das leichte Schreckmoment bei jeder sich nähernden Kurve ist verschwunden, aber das bedeutet nicht, dass der Turbo R weniger komfortabel wäre. Wenn überhaupt, dann ist der palastartige Magnolienlederschrein im Inneren des Turbo R dem Komfort des modernen Flying Spur näher als seinem roten Cabrio-Vorfahren.
Wenn man sich den Erfolg von aktuellen Modellen wie dem Continental GT und dem Bentayga ansieht, vergisst man leicht, dass die Automobilwelt Bentley zu bestimmten Zeitpunkten in der Vergangenheit fast ganz verloren hätte. Das Streben nach ultimativem Luxus hatte einen hohen Preis, doch am Ende hat sich Bentley durchgesetzt und ist seinen Wurzeln treu geblieben. Autos wie der Turbo R erneuerten die Ursprungs-Vision von Walter Owen und begründeten eine neue Ära für sportliche, aber dennoch makellos raffinierte Autos, die von ihren glücklichen Besitzern in vollen Zügen genossen und von ihrer treuen Fangemeinde heiß geliebt wurden.
Fotos von Mikey Snelgar