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Einer dieser drei Rennwagen wurde von Fangio pilotiert. Erraten Sie welcher?

Drei können einer zu viel sein – aber nicht, wenn es um zwei Vorkriegs-Bugatti und einen Grand-Prix-Maserati geht. Der geheimnisvolle Sammler Monsieur T hat in Jahrzehnten so viele Preziosen gesammelt, dass er sich von diesen drei nach der Aguttes Auktion vom 5. Oktober trennen wird.

Ab wann bezeichnet man sich selbst als „Autosammler“? Muss man eine bestimmte Anzahl an Autos erreichen, um sich diesen Titel zu verdienen? Oder bedeutet eine Unmenge an Autos, dass man eher ein sammelwütiger Hamsterer ist? Die Antwort fällt höchstwahrscheinlich unterschiedlich aus – je nachdem, wen man fragt. Aber viele Sammler brennen regelrecht darauf, höchst unterschiedliche Preziosen aufzutreiben, von den Anfängen des Automobils bis hin zum neuesten Hypercar. Wenn sie dann aber feststellen, wie unterschiedlich der Charakter der Autos ist, kommt die Zeit sich zu fragen, was wirklich das Blut in Wallung bringt. Dem verschwiegenen Sammler „Monsieur T“ hat eine lebenslange Leidenschaft Zugang zu wahren Automobilgrößen verschafft. Dabei entwickelte er eine große Wertschätzung für deren Technik und das mit ihnen verbundene Fahrerlebnis. Da neue Objekte in die Sammlung kommen, müssen nun einige eine neue Garage finden. Darunter diese drei Rennwagen, die am 5. Oktober bei der  Autoworld Auction & Motion Auktion von Aguttes on Wheels in Brüssel versteigert werden.

Statt der typischen Geschichten über ein Kind, das mit den ölverschmierten Werkzeugen seines Vaters und dem beißenden Geruch von verbleitem Benzin aufwuchs, war es Monsieur Ts Mutter, die eine Autoliebhaberin war und ihn in den frühen 1960er-Jahren in einem Jaguar XK 150 Coupé zur Schule fuhr. Eine Fahrt in einem so faszinierenden und unterhaltsamen Auto hinterließ offenbar einen bleibenden Eindruck bei dem Jungen. Schon mit 13 Jahren (!) erwarb es ein seltenes Cabriolet von 1939, das nur ein paar hundert Kilometer auf dem Tacho hatte und das er – kaum zu glauben – bis heute in seiner Sammlung hat. Mit 18 drehte sich bei ihm alles um Sportwagen, darunter mehrere Fiat Osca, ein Facel Vega HK 500 und ein Iso Rivolta. Danach verfiel er dem Zauber des springenden Pferdes aus Maranello und entdeckte seine Liebe für historische Automobile.

1922 Bugatti Type 30 Grand Prix Usine

Wir beginnen mit einem ganz besonderen Bugatti. Monsieur T kaufte ihn 1981 und wusste schon zu diesem Zeitpunkt, dass er da ein wahres Stück Automobilgeschichte an Land gezogen hatte. Denn dieser Typ 30 von 1922 ist der älteste noch existierende Renn-Bugatti mit Achtzylinder-Motor. Dazu auch der erste Bugatti mit Vierradbremsen (also nun auch vorne). Bugatti setzte vier T30 erstmals beim GP de l‘ACF in Straßburg ein. Sie trugen die Fahrgestellnummern 4001 bis 4004, wobei es sich bei dem hier gezeigten Exemplar um den vom Italiener Pierre Marco gesteuerten T30 #4002 handelt. Alle basierten auf dem kürzeren Radstand des T22 (2,40 Meter), was zwar nur eine Kürzung von 15 Zentimeter gegenüber dem Straßenmodell ausmachte, aber ausreichte, um die bereits beeindruckende Agilität weiter zu steigern. Angetrieben vom neuen Motor (zwei Liter Hubraum, drei Ventile pro Zylinder, Doppelzündung, 80 PS) und kombiniert mit einer zigarrenförmigen Karosserie samt stromlinienförmigen Kühler belegten zwei T40 hinter dem Sieger Nazzaro (Fiat) die Plätze zwei und drei – mit Marco im #4002 auf P3.

1923 kam der unter dem Pseudonym „Prince of Cystria“ startende Bertrand de Faucigny-Lucinge, Herrenfahrer und Mitglied des französischen Hochadels, mit dem nun nicht mehr so zigarrenförmigen #4002 bei den 500 Meilen von Indianapolis auf Platz neun. Mitte der 60er-Jahre wurde das Auto dann in Istres (Südwestfrankreich) vom Bugatti Sammler Pierre Dellière gefunden. Bis auf den Motor war es komplett, als Ersatz besorgte sich Dellière ein Triebwerk, das er in einem auf dem Genfer See verkehrenden Schiff entdeckte! Während bis 1926 rund 500 Fahrzeuge des Typs 30 für den Einsatz auf der Straße entstanden, ist ein solcher Werks-Rennwagen, auch als T29/30 bekannt, 102 Jahre später kaum noch aufzufinden. Abgesehen von der veränderten Karosserie und dem etwa um 1965 vorgenommenen Motoreinbau durch Dellière ist das Fahrzeug absolut original. Schon dieser Bugatti kann viele spannende Geschichten erzählen, war jedoch nicht der einzige Molsheimer, den Monsieur T besaß…

 

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1929 Bugatti Type 40 A Grand Sport

Nach dem Erfolg des Grand Prix Typ 35 auf der Rennstrecke beschloss Ettore Bugatti, dass es an der Zeit war, seinen reinrassigen Rennwagen in ein Modell umzuwandeln, das auch auf offener Straße gefahren werden konnte. Zuerst erschien der treffend benannte Typ 35 A oder „Course Imitation Tecla“ (mit einem vom Type 30 abgeleiteten 8-Zylinder-Motor mit dreifach gelagerter Kurbelwelle) und der Typ 37 mit 1,5 Liter großem Vierzylinder. Auf diese Modelle folgte der Typ 40, der vor allem mit seiner werksseitigen dreisitzigen „Grand Sport“-Karosserie ein großer Erfolg wurde. Doch damit nicht genug, sattelte Bugatti on top den Typ 40A Grand Sport drauf – jenes Modell, das hier zu bestaunen ist und das Monsieur T seit Jahrzehnten gewissenhaft pflegt. 

Dieses A-Modell Baujahr 1929 (Chassis 40776) wird von einem fast 1650 ccm großen Achtzylinder mit Block vom Typ 49 angetrieben. Mit Doppelzündung und gespeist von einer elektrischen Autofflux-Benzinpumpe. Dieses Exemplar gehört zu den frühesten Typ 40 A und verfügt über den äußerst seltenen „Doppelzündungsschalter“ von Marchal et Vaucansson zur Versorgung der beiden auf dem oberen Rand des Armaturenbretts angebrachten Zündspulen. Als Aguttes damit beschäftigt war, die Geschichte dieses ohnehin schon besonderen Autos zu recherchieren, deuteten viele kleine, aber äußerst bedeutsame Details auf eine Sonderanfertigung hin. Dieser Typ 40 A Grand Sport präsentiert sich in außergewöhnlichem Originalzustand, wobei seine Lackierung, die Holzarbeiten und das Leder die Geschichte von fast 100 Jahren einer sicherlich reichen und fantastischen Historie erzählen. Der Wagen wurde zuletzt in den 1950er-Jahre gesehen und verschwand danach in diversen Ställen und Garagen im Großraum Paris und in der Regio Sarthe; nur Insider wussten von seiner Existenz. Er ist der vielleicht letzte Bugatti, der noch absolut original wiederentdeckt wurde. Und ist, da unrestauriert, ein heißer Kandidat für den Sieg in der „Preservation Class“ der großen Concours!

 

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1948 Maserati A6GCS Monofaro Usine

Das Finale dieses einzigartigen Trios ist ein leuchtendes Rosso im Meer der französischen Blautöne: ein prächtiger Maserati A6 GCS 2000 Monofaro (Mono-Scheinwerfer) aus dem Jahr 1948. Ein echter Überlebenskünstler und das siebte von nur 14 gebauten Exemplaren sowie einer von nur vier Werkswagen. Der Monofaro gilt als einer der vielseitigsten Rennwagen aller Zeiten und verfügte über einen 130 PS starken und dennoch unglaublich leichten Zweiliter-Sechszylindermotor mit Trockensumpfschmierung und drei Weber-Vergasern vom Typ 36DO4. Damit beschleunigte der trocken nur 672 kg (als Formel 2 nur 580 kg) schwere Wagen spielend leicht auf über 200 km/h. Für die Karosserie entschied man sich für den talentierten Medardo Fantuzzi, der eine zweisitzige Karosserie entwarf, die praktisch, aber elegant war und es ermöglichte, den Wagen als F2 ohne und in der Sportwagenklasse mit Kotflügeln nennen zu können. Diese Flexibilität eröffnete den Teams und Besitzern enorme Möglichkeiten, an verschiedenen Veranstaltungen in ganz Europa teilzunehmen.  

Von den 14 Exemplaren des Monofaro haben nur acht überlebt, was ihn auf dem heutigen Markt zu einem der begehrtesten Maserati überhaupt macht. Dies und seine unglaubliche Rennhistorie sowie die Tatsache, dass er das letzte Auto war, das von den Brüdern Maserati entwickelt wurde, bevor die Familie Orsi die Kontrolle übernahm, machen ihn zu einem echten Helden der italienischen Rennsportszene. Und als ob das nicht schon genug wäre, wurde dieser Wagen auch noch von den 1949 mit staatlicher Unterstützung nach Europa geschickten argentinischen Nachwuchsfahrern Juan-Manuel Fangio und Benedicto Campos gefahren.  

Sicher, der Name Fangio war noch niemandem bekannt, als er beim X. Großen Preis von Rom 1949 mit diesem „Einauge“ an den Start ging. Er schied zwar in Runde 21 aus, aber sein Name sollte sehr schnell zum Synonym für Ruhm und Erfolg werden – schon 1950 wurde Fangio zum ersten Mal Weltmeister. Der Wagen gelangte nach Ende der Saison 1950 nach Argentinien, wo er die nächsten Jahrzehnte ausgiebig gefahren wurde. Zurück in Europa nahm er 1986 an der historischen Mille Miglia teil und wurde 1987 für die Retrospektive des Bordeaux Grand Prix mit Fangio wiedervereint. Gefolgt von Auftritten beim Salon d‘Avignon und zur Feier des 110. Geburtstags von Maserati - schon da im Besitz von Monsieur T. 

Dieser A6 GCS2000 mit seiner perfekt dokumentierten Historie ist für die Teilnahme an den größten historischen Veranstaltungen zugelassen, darunter die Mille Miglia, Goodwood und Monaco, wo er sowohl in den Einsitzer- als auch in den Sportkategorien antreten kann, genau wie damals! Bleibt er in Frankreich oder in Europa, oder kehrt er zurück nach Argentinien? Nach dem kommenden Wochenende sind wir vermutlich schlauer.

 

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Fotos von Remi Dargegen