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Wir würden diesen Ferrari 250 SWB Competizione allein wegen seines grünen Interieurs kaufen

Dieser Ferrari 250 GT SWB Berlinetta Competizione wurde Anfang der Sixties erfolgreich eingesetzt und ist Ihr Ticket in den historischen Rennhimmel. Der Schätzpreis ist zwar happig, aber die gelb-grüne Farbkombination würde uns überzeugen, die Hand bei der RM Sotheby's-Auktion in Paris zu heben.

Wenn Sie jemals ein gut erhaltenes Sammlerauto in Empfang genommen haben, werden Sie das Gefühl der Verantwortung spüren, die Rolle des vorsichtigen Hüters Ihres neuen automobilen Schatzes zu übernehmen. Sofort werden die Straßen, auf denen Sie sonst mit halber Konzentration entlanggefahren sind, zu Hindernisparcours auf Takeshi's Castle-Niveau. Denn als Erstes muss sich Ihr räumliches Bewusstsein an die Dimensionen des Fahrzeugs gewöhnen. Für jeden, der ein gewisses Maß an mechanischem Verständnis mitbringt, werden diese Jungfernfahrten zu gleichen Teilen von Autoglück und existenzieller Angst vor Blessuren  (am Auto) geprägt sein. Egal, ob hinter dem Steuer eines Golf I GTI, eines 911 GT3 RS der Generation 992 oder irgendetwas dazwischen. Dieses Gefühl wird Sie die ganze erste Zeit lang begleiten.

Und stellen Sie sich nun vor, Sie sind nicht Besitzer eines gewöhnlichen Volkswagens oder Porsches, sondern eines reinrassigen Vollbluts aus Maranello. Und Ihre erste Ausfahrt findet nicht auf den gewohnten Straßen Ihrer Umgebung statt, sondern auf einer der historischen Rennstrecken der Welt. Nein, wir sprechen nicht von den hybridisierten Hypercars, die Ferrari in immer kürzeren Abständen herausbringt, sondern von einem Modell, das in Bezug auf Seltenheit, Rennhistorie und Preis zu den begehrtesten Objekten aller Zeiten auf vier Rädern gehört – noch ehe wir auf seinen so besonderen Innenraum eingehen. Vorhang auf für diesen Ferrari 250 GT SWB Competizione von 1960. 

Ferrari machte mit ihm dort weiter, wo man mit dem 250 GT Tour de France aufgehört hatte. Und scheute sich nicht, dem 250 SWB so viel modernste Renntechnik wie möglich mitzugeben. Wie das Kürzel SWB schon andeutet, bestand die größte Veränderung im kürzeren Radstand. Um bei den GT-Rennen der 60er-Jahre ganz vorne mitmischen zu können, spendeten Scheibenbremsen an allen vier Ecken und eine verbesserte „Outside-Plug“-Version des Dreiliter-Colombo-V12 dem 250 SWB zugleich den nötigen Speed und eine leistungsstarke Bremsanlage. Enzo Ferrari sagte bekanntlich: „Rennwagen sind weder schön noch hässlich – sie werden schön, wenn sie gewinnen.“ Wir sind der Meinung, dass die bei Scaglietti in Form gebrachte Außenhülle des 250 SWB nur wenige Konkurrenten hat, wenn es darum geht, bei seinem Anblick vor Ehrfurcht niederzuknien. Zufälligerweise war der 250 SWB als Poster Car ebenso erfolgreich wie auf der Rennstrecke, und dieses Exemplar - Chassis 1773 GT - bildet da keine Ausnahme.

1773 GT wurde am 16. März 1960 als eines von nur 45 Exemplaren des Competizione mit Aluminiumkarosserie, die in jenem Jahr das Werk verließen, fertiggestellt. Laut Werksunterlagen mit einem Tipo 168B „Hot Rod“-Motor und einem Überrollbügel. Eingesetzt von Luigi Chinettis North American Racing Team (NART) endete sein erster Start bei den 12 Stunden von Sebring am 26. März 1960 zwar nicht mit einer Champagnerdusche. Aber die beiden Amerikaner George Arents und Bill Kimberly brachten den taufrischen Wagen auf Platz sieben in der Gesamtwertung und Platz fünf in der Klasse. Arents war ein Gründungsmitglied des NART und nicht durch Zufall auch erster Besitzer des 1773 GT.

1773 GT wurde später an den mehrfachen Le-Mans-Klassensieger Bob Grossman verkauft, der das Auto bei den beliebten Bahama Speed Weeks zum Ende der Saison 1960 einsetzte. Im Tourist Trophy-Rennen auf dem Kurs in Nassau belegte er hinter Stirling Moss auf dem SWB von Rob Walker Platz zwei. Anfang 1961 ging 1773 GT an seinen dritten Besitzer, Bob Hathaway, der ihn unter anderem erneut in Nassau an den Start brachte. Im TT-Rennen kam er hinter Moss und Grossman auf Platz drei, wobei diese auf noch leistungsstärkeren „SEFAC Hot Rod“-Versionen des SWB unterwegs waren. Nach einer erfolgreichen Rennkarriere mit 14 Podiumsplätzen in 20 Rennen trat der Wagen eine lange Reise durch diverse Sammlungen an. Wobei er zweifellos in jeder Garage, in die er Einlass erhielt, einen Ehrenplatz eingenommen haben dürfte.

Im Jahr 2014 wurde 1773 GT bei Wayne Obrys renommierter Firma Motion Products Inc. einer Concours-Restaurierung unterzogen. Mit dem Ziel, ihn in den Zustand zu versetzen, in dem er 1960 ausgeliefert worden war. Vor der Neulackierung im korrekten Farbton Giallo und dem Einbau eines atemberaubend neuen Interieurs in Pelle Verde wurde die Rohkarosserie inspiziert, was sowohl seine Originalität als auch das verwöhnte Autoleben, das er führte, bestätigte. Nach der abschließenden Detailbearbeitung bei Toni Auto in Maranello belief sich die Rechnung für die Restaurierung dieses Vollbluts auf fast 700.000 Dollar.

Doch zurück zu unserem hypothetischen Szenario: Wären Sie mutig genug, auf dem herrlich grünen Fahrersitz dieses 250 SWB Platz zu nehmen? Mit dem Wissen im Hinterkopf, dass es sich um einen der ersten SWB handelt, die ernsthaft in einem Rennen bewegt wurden, dazu noch unter der Bewerbung des legendären NART-Teams? Auf vielen Rennstrecken seinen Fahrern aufs Podium verhalf und nach Jahrzehnten in den besten Sammlungen Amerikas eine unvergleichliche Top-Restaurierung genoss, die ihm zu einem der exquisitesten 250 SWB überhaupt machte?

RM Sotheby’s Schätzungen für die Paris-Auktion am 31. Januar belaufen sich auf neun bis elf Millionen Euro. Da diese Autos immer dazu gedacht waren, gefahren zu werden, würden wir sagen, dass der Preis viel eher gerechtfertigt ist, wenn man den Zwölfzylinder des 1773 GT auf der Hunaudières-Geraden von Le Mans aufheulen hört, als wenn man ihn in einer hermetisch abgeschlossenen Kammer parken würde. Also unsere Botschaft an den nächsten Verwalter dieses Ferraris: Wir beneiden Sie zutiefst, aber gleichzeitig sind wir mehr als glücklich, von der Tribüne aus zusehen zu können, wie sie ihren gelben Italiener um die Strecke bewegen. Allein es scheint, als wäre in den oberen Rängen der Sammlerauto-Welt der Besitz solcher Autos sowohl ein Segen als auch ein schöner Fluch.

 

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Dieser Artikel wurde im Rahmen einer bezahlten Partnerschaft mit RM Sotheby's erstellt und veröffentlicht. Classic Driver ist nicht verantwortlich für die oben genannten Informationen.