In den 1960er-Jahren erfüllten nur wenige Autos die Anforderungen eines Grand Tourers so gut wie der 1964 neu eingeführte Ferrari 330 GT 2+2. Mit seiner eleganten Karosserie von Pininfarina, ausreichend Platz für vier Personen und einem luxuriösen, seidenweichen 4,0-Liter-V12 mit fast 300 PS erfüllte der bis zu 245 km/h schnelle 330 GT alle Anforderungen. Im Oktober 1965 war Ferrari so weit, auf dem Pariser Automobil-Salon die noch ausgefeiltere „Serie 2“-Version dieses bereits vortrefflichen Cruisers zu enthüllen.
In Anwesenheit zahlreicher VIP-Gäste, allen voran Frankreichs Staatspräsident Charles de Gaulle, nahm exakt dieses Auto mit der Chassisnummer #07557GT den Logenplatz am Stand von Ferrari ein – zusammen mit je einem 275 in GTS- und GTB-Ausführung. #07557GT glänzte an diesem Tag in der makellosen Kombination aus Verde Scuro über einer Innenausstattung aus beigem Leder. Neben den optionalen Borrani-Felgen hob sich das neue Serie-2-Modell mit einem Fünf- statt Vierganggetriebe, dem vereinfachten Frontend-Design mit runden Einzelscheinwerfern anstelle der vier „Chinese Eyes“ (nach Vorbild der Park-War-Version des Bentley S2 Continental) und größeren Lüftungsschlitzen in den Vorderkotflügeln vom Serie-1 ab. Es versteht sich von selbst, dass er sich so präsentierte, wie auch wir unser springendes Pferd damals ausgestattet hätten.
Nach der Messe blieb #07557GT zunächst im Besitz von Franco Britannic, dem seit 1958 ersten offiziellen Frankreich-Importeur von Ferrari. Dessen CEO Donald Sleator war von 1955 bis 1967 auch offizieller Fahrer des Automobile Club de l'Ouest und steuerte in Begleitung des Renndirektors in diesem Zeitraum bei allen 24-Stunden-Rennen von Le Mans das offizielle Führungsfahrzeug. Zwischen 1960 und 1967 gelang es ihm dann, jedes Mal einen seiner Ferrari als Pace Car zu „platzieren“. Und für 1966 wählte er #07557GT!
Allerdings hätte niemand den titanischen Kampf vorhersagen können, der sich bei der Ausgabe von 1966 entfalten würde. Mit einem der größten Showdowns der Motorsportgeschichte, als Ford den Dauersieger Ferrari erstmals schlug und mit drei GT40 auf den Plätzen 1 bis 3 die Sensation perfekt machte. Henry Ford II war selbst Zeuge dieses historischen Ereignisses, durfte sogar die Startflagge schwenken und hat #07557GT im Vorfeld des Triumphs seines Unternehmens sicher mehrmals vorbeifahren gesehen.
Nach Le Mans sollte #07557GT im Oktober 1966 an die Ecurie Saint Christophe in Paris gehen – ein Verkauf, der aus unbekannten Gründen aber scheiterte. Ergo blieb der grüne Ferrari zwei weitere Jahre unter der Obhut von Franco Britannic, bis dieser wunderschöne 330 im April 1968 endlich seinen ersten offiziellen Besitzer fand: den Straßentransport-Unternehmer Philippe Stuff aus dem 16. Pariser Arrondissement. Danach hatte #07557GT während seiner Zeit in der französischen Hauptstadt noch zwei weitere Besitzer.
1974 begann ein neues Kapitel für #07557GT, als ein normannischer Enthusiast das Auto kaufte und im Département Calvados anmeldete. Ala nächstes tauchte der Ferrari viel weiter südlich, in einer Werkstatt in Villeneuve-sur-Lot in der Region Nouvelle-Aquitaine auf, wo ihn dann ein Gastronom aus Biscarosse (Gascogne) entdeckte und kaufte. Etwa zu dieser Zeit wurde das Auto, das einen leichten Auffahrunfall am Heck erlitten hatte, in einem hellblau-grauen Farbton neu lackiert und mit dreiteiligen Rücklichtern ausgestattet.
Der Restaurantbesitzer meldete seinen Ferrari im Januar 1977 an, aber schon wenig später fand er über die Garage Mercier in Bordeaux einen neuen Besitzer – den mysteriösen Schlossbesitzer Monsieur A, der den Ferrari im Mai 1977 für 29.000 Francs erwarb. Dieser meldete einen Monat später sein neues Spielzeug – nun wieder in Calvados - auf seinen Namen an. Mit einem km-Stand von erst 29.000 Kilometer und mit dem Kennzeichen 8174 RE 14, das der Ferrari bis heute trägt. Endlich schien dieser 330 einen treuen Besitzer gefunden zu haben, denn Monsieur A behielt ihn viele Jahre lang, ohne etwas von seiner illustren Vorgeschichte zu ahnen.
Zahlreiche Rechnungen belegen, wie viel Freude Monsieur A beim Fahren dieses schönen Ferraris hatte – er blieb zu seinem Tod in den 2000er Jahren eines seiner Lieblingsauto. Danach wurde er in einem Nebengebäude des Familienschlosses eingelagert. Dort blieb er stehen und wurde über 15 Jahre lang mehrmals im Jahr von einem Familienmitglied angelassen – bis etwa 2015, als der Motor zum bislang letzten Mal lief.
Heute trägt #07557GT seinen angemessenen Anteil an Schloss-Staub auf der Karosserie und würde von einer umfassenden Restaurierung profitieren. In Anbetracht seiner einzigartigen Herkunft – sowohl als Show Car auf dem Pariser Salon von 1965 als auch als Le Mans Pace Car von 1966 – sind wir der Meinung, dass es sich lohnt, diesen schönen 330 im ursprünglichen Farbton Verde Scuro neu zu lackieren. Wenn Sie nach einem Scheunenfund mit einer erstklassigen Werksausstattung, einer dokumentierten Geschichte und mehr als nur einem Auftritt im Rampenlicht suchen, verpassen Sie nicht die Rückkehr dieses Ferrari 330 GT 2+2 von 1965 nach Paris. Wo er am 16. März bei der Aguttes on Wheels Frühjahrs-Auktion zu einem Schätzpreis zwischen 120.000 und 220.000 Euro versteigert wird.