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Von Jochen Rindt bis zum Fliegenden Sikh, dieser Porsche 911 hätte viel zu erzählen

Kein anderes Auto hat eine so ruhmreiche Geschichte wie der Porsche 911. Von Filmstars bis zu Rennfahrer-Legenden – alle wollten einen haben. Dieser über RM Sotheby’s versteigerte Porsche hatte als Erstbesitzer keinen Geringeren als Jochen Rindt und kam danach als Rallyewagen zum Einsatz!

Was haben Herbert von Karajan, Tom Cruise, Miley Cyrus, Bill Gates, Kendall Jenner, Steve McQueen und Jochen Rindt gemeinsam? Nun, sie alle standen ebenso wie in jüngeren Jahren Rihanna und die Tennisspielerin Maria Sharapova in den Bestellbüchern für einen Porsche 911. Heute geht es bei uns um einen ganz besonderen 911er, der im März 2021 im Porsche Kundenmagazin Christopherus vorgestellt wurde und nun über RM Sotheby's Private Sales einen neuen Besitzer sucht. Er gehört zu den nur 4015 Exemplaren der „O-Serie“ des 911 S, die dank höherer Verdichtung im Werk auf 160 PS getunt wurden. Über die Porsche Konstruktionen KG Salzburg wurde er mit dem Kennzeichen S8.491 im Juni 1967 neu an den damaligen Porsche-Werksfahrer Jochen Rindt ausgeliefert. 

Wenn man in den 1960er-Jahren den Mumm hatte, sich hinter das Steuer eines Formel-1-Wagens zu setzen, war man bereit, so ziemlich alles zu fahren, was vier Räder und einen Motor hatte. Wenn es für Teams und Fahrer darum ging, der Konkurrenz ein Schnippchen zu schlagen, rückte die Sicherheit in dieser tödlichsten Ära des Sports an die dritte, manchmal sogar erst vierte Stelle. Für den jungen Jochen Rindt verlief der Aufstieg in die Königsklasse des Motorsports so schnell wie die Autos, die er später fahren sollte. 1961 bestritt er mit nur 19 Jahren im Simca Montlhéry seiner Großmutter sein erstes Rennen. Von diesen bescheidenen Anfängen benötigte der Deutsch-Österreicher nur vier Jahre, bis er in der Formel 1 gegen Rennfahrergrößen wie Graham Hill, Jackie Stewart und Jim Clark antrat. 1965 fuhr er mitten im Feld der arrivierten Starts auf Cooper-Climax seine ersten WM-Punkte ein. 

Wie so viele Fahrer in dieser Zeit nahm auch Rindt zwischen den Formel-1-Läufen an Formel 2- und Langstreckenrennen teil. Um den Geschwindigkeitsdrang zu stillen und das Honorar aufzubessern. 1965 gewann er zusammen mit Masten Gregory in einem von N.A.R.T. eingesetzten Ferrari 250 LM nach dem Ausfall aller leistungsstärkeren Konkurrenten sensationell in Le Mans und befand sich danach in Gesprächen mit Porsche. Der in Mainz geborene, aber in Graz aufgewachsene Jochen fuhr in der Folge werksseitig eingesetzte 906, 907 und 910 Prototypen sowie einen privaten 908/02. Als „Dienstwagen“ überließ ihm Porsche den hier vorgestellten 911 S in der Farbe Bahama Geld über einem Interieur aus schwarzem Kunstleder. Rindt nutzte den Wagen ausgiebig, um damit von Rennstrecke zu Rennstrecke zu düsen. Oft sah man seinen 911er zwischen den Trucks der Rennteams geparkt, zweifellos mit einer Fülle toter Insekten auf der Scheibe!

1969 wechselte Rindt von Brabham zu Lotus, und damit zog als neues Dienstmodell ein vom Motorenhersteller Ford (Cosworth) gestellter Mustang ein, der sich für den mittlerweile etablierten Formel-1-Star wie ein Rückschritt angefühlt haben dürfte. Nachdem Rindts Zeit mit dem 911 S nach gut einem Jahr zu Ende gegangen war, setzte sich die Karriere des 911 S mit Fahrgestellnummer 308139 S fort. Schon Ende 1968 war der Wagen in die Obhut von Porsche Salzburg zurückgekommen, wurde dort zum Rallyemodell aufgerüstet und dem kenianischen Routinier Joginder Singh zugeteilt – allgemein wegen seiner indischen Wurzeln als „The Flying Sikh“ bekannt. Singhs erster Einsatz auf dem Porsche war die 40. österreichische Alpenfahrt im Mai 1969. Singh und Beifahrer Peter Jakl traten gegen Rallye-Stars wie Hannu Mikkola, Simo Lampinen und Paddy Hopkirk an, doch trotz dreier Top-Ten-Platzierungen in den Sonderprüfungen endete ihr Premieren-Einsatz mit einem DNF. 

Nach diesem steinigen Einstieg hielt sich Singh kurz darauf mit Platz drei bei der Semperit-Rallye schadlos, während der Wagen 1970 der Paarung Walter Pöltinger/Manfred Stepany bei der Rallye Lyon-Charbonnières-Stuttgart-Solitude zu Platz zwei in der Klasse und P25 im Gesamt verhalf. Bis zum Ende seiner Rallyekarriere kam das Auto noch zweimal zum Einsatz. Bei der Österreichischen Alpenfahrt belegte der Porsche-Spezialist und vierfache Landesmeister Klaus Russling mit Co Gerd Eggenberger P10 im Gesamtklassement und Platz zwei in der Klasse. Gefolgt vom Schwanengesang Ende Juli 1970 bei der Donau Elan-Elf-Rallye, die für den Kärtner Russling trotz zweiter Top-Ten-Resultate mit einem Ausfall endete.

Nachdem sein zweites Leben als Rallyeauto zu Ende gegangen war, ging der Wagen durch verschiedene österreichische Hände und wurde sogar so umgestrickt, dass er einem späteren Elfer der G-Serie ähnelte – was zu dieser Zeit für frühe Porsche 911 nicht ungewöhnlich war. 

Zum Glück für alle Beteiligten wurde die unglaubliche frühe Geschichte dieses 911 gut dokumentiert und verblieb mit dem Auto, bis es schließlich in die Hände des bekannten Porsche-Historikers und Autors Dr. Georg Konradsheim fiel. Im Jahr 2011 gelangte der Wagen zu seinem jetzigen Besitzer, der sich daran machte, ihn wieder in einen fahrbaren Zustand und optisch auf den Stand der Rindt-Jahre zu versetzen. Daher wurde der Elfer einem österreichischen Markenspezialisten anvertraut, der ihn in zweieinhalb Jahren und mit Investitionen von über 200.000 Euro in einer „Nut-and-bolt“-Restaurierung nach den ursprünglichen Werksspezifikationen fast wieder in einen Neuzustand versetzte. Während dieses Prozesses erhielt der Wagen seine ursprüngliche Farbe Bahama-Gelb und das schwarze Kunstleder-Interieur zurück - eine Kombination, die heute als eine der trefflichsten in der umfangreichen Farbpalette von Porsche gilt. Es wurde großer Wert daraufgelegt, so viele Originalkomponenten wie möglich zu erhalten – wo es erforderlich war, wurden neue Teile aus alten Beständen (old stock parts) verwendet.

Das Ergebnis ist nicht nur ein wunderbares Stück Porsche-Geschichte und ein schönes Beispiel für einen frühen 911er, sondern auch ein Auto mit einer unvergleichlichen Motorsport- und Owner-Geschichte. Das dem einzigen posthumen Weltmeister der Formel 1 (Rindt verunglückte bekanntlich 1970 im Training zum GP Italien in Monza tödlich) gehörte und von ihm regelmäßig genutzt wurde. Allein aus diesen Gründen wäre dieser Porsche 911 S eine würdige Ergänzung für die Sammlung eines jeden Stuttgart-Liebhabers!

 

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