Das ungewohnte Coupé in der Farbe Flag Metallic Blue umrundet die Kurven schnell und immer dicht an den Asphalt geduckt. Angenehm undramatisch und ganz im Gegensatz zur Horde AC Cobras, die erratisch in seinem Gefolge herumschwänzelt. Bis kurz nach Halbzeit ein technisches Problem den in Führung liegenden David Hart zur Aufgabe zwingt. Bis dahin hatten wir keinen Zweifel, dass der von ihm pilotierte Ecurie Ecosse Tojeiro-Ford die Royal Automobile Club TT Celebration gewinnen würde. Das prestigeträchtigste Rennen im gesamten historischen Motorsportkalender, das jeder gewinnen will.
So geschehen beim Goodwood Revival, an einem brütend heißen Sonntag im letzten September. Wer sich glücklich schätzen konnte, damals dabei gewesen zu sein, wird sich erinnern, wie dominant und wunderbar ausbalanciert das Heckmotor-Coupé um die historische Rennstrecke hämmerte. Viele werden sich zugleich gefragt haben, wie es kommen konnte, dass es dieser sonderbare, kurvige und hüfthohe Sport-/ Rennwagen im Kampf um den Sieg mit veritablen automobilen Ikonen aufnehmen konnte.
Würde es Ihr Interesse finden, wenn wir Ihnen verraten, dass es sich hier um den allerersten GT Prototypen mit geschlossener Karosserie und Heckmotor handelt? Der ein ganzes Jahr vor dem Lola Mk6 erschien – jenem Modell, das als Vorläufer des Ford GT40 gilt. Und dass er zu den ersten Autos gehörte, in denen ein „Fliegender Schotte“ namens Jackie Stewart sein Talent aufblitzen ließ? Und dass er gleich hier, beim Classic Driver-Händler ChromeCars aus Jena, zum Verkauf steht? Wir denken, dass wir jetzt Ihre Aufmerksam erweckt haben.
Als Co-Produkt des renommierten schottischen Privatteams Ecurie Ecosse – mit Jaguar Le Mans-Sieger 1956 und 1957 - und des angesehenen Rennwagenkonstrukteur John Tojeiro, ein Brite portugiesischer Abstammung - war das Coupé für einen Einsatz in der 2,5-Liter-Prototypenklasse bei den 24 Stunden von Le Mans des Jahrs 1962 vorgesehen. Ihre unbändigen Ambitionen und der unnachgiebige Drang zu Innovationen hatte die britischen Garagisten Ende der 1950er-Jahre an die Spitze des technischen Fortschritts befördert. Allen voran John Cooper bewies der „alten Garde“, dass dem Heckmotor-Layout – „die Kutsche vor das Pferd spannen“ – die Zukunft gehörte.
Ecosse-Patron David Murray wollte aus diesem bahnbrechenden Ansatz auch im GT-Rennsport Kapital schlagen. Und fand in John Tojeiro einen kongenialen Partner. Dieser verbreiterte und verstärkte den Rahmen seines Tojeiro Formel Junior, vermählte den Coventry Climax FPF Vierzylinder mit einem Cooper Knight Fünfganggetriebe und baute beides im hinteren Teil des Stahl-Gitterrohrahmen-Chassis ein. Am Ende wurde der Tojeiro EE mit einer hübschen, gleichwohl hastig zusammengeschusterten Karosserie nach Entwürfen des britischen Malers und Zeichners Cavendish Morton verkleidet.
Zwei Autos wurden in Auftrag gegeben, jedoch schaffte es nur einer in komplettem Zustand bis nach Le Mans – der zweite wurde in halb fertigem Zustand mitgeschickt und diente als Ersatzteilspender. Der Zeitplan war so eng, dass die noch unlackierten Autos erst am Montag vor dem Rennen den Teamsitz in Merchiston Mews, Edinburgh, verließen. Zu allem Überfluss hatte der Transporter noch vor der Kanalüberquerung in Kent einen Unfall, bei dem das Einsatzauto leicht beschädigt wurde. Trotzdem kam der Tojeiro-Climax durch die technische Abnahme, nachdem der Schaden behoben und auch die blaue Farbschicht aufgetragen worden war. Im Rennen lagen die Fahrer Jack Fairman und Tom Dickson zunächst solide im Mittelfeld, bis gegen 23 Uhr plötzlich das Getriebe blockierte. Bis dahin waren sie das zweitbeste britische Team im Rennen gewesen. Dickson blieb bei Maison Blanche mitten auf der Strecke stehen, es vergingen bange Minuten, ehe das Auto mit Hilfe der Streckenposten auf den Seitenstreifen geschoben werden konnte.
Im Gefolge von Le Mans untersuchte das Team den Einsatz eines Buick-V8 mit Aluminium-Block in einem der Tojeiro Coupés. Chefmechaniker Stan Sproat hatte lange vor McLaren oder Rover dessen Potential erkannt und machte sich daran, ihn auf Trockensumpfschmierung umzustellen und mit einem Corvair-Getriebe zu verblocken. Zugleich quetschte er weitere 120 PS heraus, was im Resultat 230 PS entsprach.
An diesem Punkt betrat ein noch sehr junger Jackie Stewart die Bühne. Jackies älterer Bruder Jimmy war ein früherer Fahrer der Ecurie Ecosse und seinem Ex-Teamchef David Murray blieben Jackies Erfolge in der Formel 3 nicht verborgen. So kam es zu einer Einladung zum Test des Tojeiro-Buick sowie dann auch zu Einsätzen. Der 23-Jährige schlug sich dabei ganz wacker, holte Siege in Charterhall und Snetterton. Gleichwohl war der Schotte nicht gerade erbaut vom Handling des Coupés, was die Eindrücke anderer Piloten, die das Auto damals ebenfalls pilotierten, wiederspiegelte. Was Stewarts Vorstellungen um so eindrucksvoller erscheinen lässt.
1964 wurde das Auto, das wir hier auf den phantastischen Bildern des ChromeCars Hausfotografen Roman Rätzke sehen (Chassis TAD-1-64) mit einem aus der alles beherrschenden AC Cobra bekannten 4,7-Liter-V8 von Ford bestückt. Erneut kam Jackie Stewart zum Zuge, konnte aber als beste Platzierung nur einen dritten Platz verzeichnen. Der erfahrene Lister-Pilot John Coundly machte es später im Jahr mit einem Sieg und einem zweiten Platz in Brands Hatch dann besser.
Im Vorfeld der Saison 1966 erfuhr der Tojeiro-Ford dann eine noch drastischere Umwandlung – nämlich zum offenen Sportwagen im CANAM-Stil. In dieser Verkleidung und weiterhin mit dem kräftigen Ford-V8 im Heck zeigte er großes Potential. Doch endete dieses Intermezzo brutal bei der British Eagles Trophy, einem Rahmenrennen zum GP von England in Brands Hatch. Den heftigen Aufprall in die Böschung ausgangs von Paddock Hill Bend überlebte der neue Ecurie Ecosse-Fahrer Bill Stein wie durch ein Wunder.
Es dauerte dann bis 1993, ehe TAD-1-64 beim berühmten Rennwagenrestaurateur Crosthwaite & Gardiner auf den Stand von 1964 – also als geschlossenes Coupé – zurückgebaut wurde. Es gelang sogar, das zwischenzeitlich für ein anderes Fahrzeug verwendete Original-Dach aufzutreiben und auch wieder einzusetzen. Heute präsentiert sich der „Toj“ in einem 1a-Zustand – und jede Sekunde startbereit.
Als eines von nur zwei Ecurie Ecosse Tojeiro Coupés wird wohl jeder Organisator eines historischen Rennsportmeetings den roten Teppich für das Auto ausrollen – speziell aufgrund der Jackie Stewart-Connection. Dieser hinterließ auf der Innenseite der fahrerseitigen Aluminium-Tür sogar sein Autogramm. Beim Goodwood Revival darf der EE sogar an zwei Rennen teilnehmen: der Whitsun Trophy und der RAC TT Celebration. Und es besteht kein Zweifel, was seine Erfolgschancen anbelangt. Fragen Sie nur Nicolas Minassian und David Hart.
Damit nicht genug, weiß Michael Gross von ChromeCars, dem Classic Driver Händler, der aktuell diesen Ecurie Ecosse Tojeiro-Ford zum Verkauf anbietet, dass das faszinierende Heckmotor-Coupé im Vergleich zu vielen der etablierten Konkurrenten, gegen die es antritt, einen großen Gegenwert darstellt. „In Goodwood will jeder, der im historischen Rennsport etwas gilt, fahren und möglichst auch gewinnen. Dieser seltene Tojeiro-Ford bietet die Chance, gegen die Big Boys der Szene anzutreten.“ Prüfen Sie die Kommentare von Le Mans-Siegern, Formel 1-Stars und Tourenwagen-Veteranen im Starterfeld der RAC TT – und sie werden verstehen, was Gross meint...
Es ist ein faszinierendes Modell – ein Symbol der britischen Garagisten der 50er- und 60er-Jahre und ihres unbeugsamen Kampfeswillens. Zugleich steht er am Anfang der Karriere von John Young „Jackie“ Stewart, die zwischen 1969 und 1973 in drei Formel 1-WM-Titeln gipfelte und dank seines Einsatzes für mehr Sicherheit auch dem Motorsport ganz allgemein einen eigenen Stempel aufdrückte.
Fotos: Roman Rätzke für ChromeCars © 2020