Der Porsche 911 Dakar mag der bislang letzte Liebling aller All-Terrain-Liebhaber aus Zuffenhausen sein. Doch sei Ihnen gesagt, dass sich Porsche vor einem halben Jahrhundert schon einmal mit voller Mannschaftsstärke auf der für ihre Unwägbarkeiten berüchtigten afrikanischen Rallye-Szene engagierte. Mit dem Ziel, die auf der Rundstrecke bewiesene Überlegenheit mit einem Sieg bei der Safari-Rallye auch abseits befestigter Pfade zu bestätigen. Dazu rüsteten die Schwaben ihre schnellste und erfolgreichste Waffe, den 911, mit allen für eine solche Busch- und Steppen-Rallye notwendigen Modifikationen aus.
Man schrieb das Jahr 1973 und es war ein gutes halbes Jahr her, seit Porsche den 911 Carrera RS 2.7 auf dem Pariser Salon enthüllt hatte. Heute würde jeder dieser „Bürzel”-911er einen Porschaholic in helle Aufregung versetzen. Dabei waren nicht alle identisch. 200 Einheiten wurden in der leichtgewichtigen M471 „Sport”-Spezifikation gebaut.
Dieser Wagen mit Chassisnummer 285 gehörte zu den frühen „Lightweights” und wurde im Dezember 1972 fertiggestellt; lackiert in Grand Prix Weiß mit roten Carrera Seitenstreifen. Doch das war erst der Anfang, denn Porsches Rennsportabteilung hielt den Wagen zusammen mit seinem Schwesterauto, Chassis 288, für weitere Modifikationen zurück. Warum, fragen Sie? Nun Porsche wollte wie erwähnt 1973 die East African Safari erobern, eines der wenigen wichtigen Events, die man noch nicht gewonnen hatte. Und die 1973 erstmals WM-Status genoss.
Die am 911 Nr. 285 vorgenommenen Modifikationen waren umfangreich. Als erstes wurde die Fahrzeughöhe erhöht, um eine Bodenfreiheit von 250 mm zu erreichen, anschließend wurden Stahlstoßstangen mit zusätzlichen Rammstangen eingebaut. Beide Fahrzeuge erhielten ein verstärktes Fahrwerk, stärkere Stoßdämpfer, Aluminium-Unterfahrschutzplatten und einen auf 110 Liter vergrößerten Kraftstofftank. Außerdem wurden außen zu beiden Seiten des Heckfensters „Zuschauergriffe“ angebracht, damit hilfsbereite Fans den 911er im Falle eines Missgeschicks wieder auf die Strecke ziehen konnten. Der letzte Schliff? Eine Reihe von auf der vorderen Haube montierte Zusatzscheinwerfer und Hupen sowie eine auffällige gelbe Bosch-Lackierung. Ausgestattet mit typischer Safari-Ausrüstung wie Seilen, Schaufeln, Winden und Ersatzteilen – im Grunde mit allem, was man in der Wildnis Afrikas brauchen könnte – wurde Nr. 285 mit einer kleinen Crew von Mechanikern nach Nairobi verschifft.
Trotz aller Bemühungen war Porsche dann auf die gefährlich schlammigen afrikanischen Pisten nicht ausreichend vorbereitet. Björn Waldegård und Hans Thorszelius mussten sich in der 285 über eine 5.300 Kilometer lange Strecke quälen, nur um drei Stunden vor dem Ziel auf einem besonders schnellen Abschnitt mit Motorschaden (abgerissener Ölschlauch) zu stranden. Wir können uns nur vorstellen, wie frustriert das Porsche-Safari-Team gewesen sein muss, zumal auch der zweite Wagen mit den Polen Zasada/Bien nach einem Unfall ausgeschieden war. Aber unverdrossen kehrte die kleine Porsche-Mannschaft nach Stuttgart zurück und begann mit der Planung eines zweiten Afrika-Angriffs im Jahr 1974.
Glücklicherweise bot die 1.000-Seen-Rallye, ausgetragen im August 1973, eine wertvolle Gelegenheit, die Probleme vor der Rückkehr nach Afrika zu beseitigen. Zum Einsatz kam die Nr. 285. Sie war in einem besseren Zustand als das verunfallte Schwesterauto und erhielt eine neue und verbesserte Fahrwerksabstimmung, zugeschnitten auf die für Finnland typischen Sprungkuppen und schottrigen Waldpassagen. Porsche sicherte sich für diese Rallye die Dienste des finnischen Lokalmatadors und Ex-Werksfahrers Leo Kinnunen, der während der drei Tage 20 von 43 Wertungsprüfungen gewinnen konnte. Dies brachte Porsche einen respektablen 3. Platz in der Gesamtwertung ein.
Nach den Erfahrungen von 1973 wollte Porsche die Safari nicht unterschätzen und investierte 1974 zusätzliche Mittel für beide Werksfahrzeuge. Im Vertrauen darauf, dass die Stoßdämpfer und das Getriebe – ihre Achillesferse im Vorjahr – nun ausreichend standfest sein würden, sicherte sich Porsche auch einen neuen Sponsor: Das deutsche Logistikunternehmen Kühne & Nagel. Und so rollte die Nummer 285 mit dem zweifachen Safari-Sieger Edgar Herrmann und Beifahrer Hans Schuller in den strahlend weißen und blauen Farben ihres neuen Gönners über die Startrampe in Nairobi.
Leider wiederholte sich die Geschichte, und der schon im Vorjahr für viel Chaos sorgende Regen kehrte mit voller Wucht zurück. Die Rallye-Organisatoren sahen sich sogar gezwungen, eine besonders schlammige Etappe, auf der 72 der 99 Teams im Morast steckengeblieben waren, zu neutralisieren. In einer solchen Situation beschlossen Herrmann und Schuller, einem gestrandeten Fiat-Team zu helfen, das die Straße blockierte. Ihre gute Tat wurde jedoch nicht belohnt, denn als sie zu ihrem Auto zurückkehrten, fanden sie es ohne Karten, Etappenaufzeichnungen und Lizenzen vor. Zum Glück waren der in Kenia als Geschäftsmann lebende Ulmer Herrmann und der Schwabe Schuller mit der Strecke einigermaßen vertraut, und so fuhren sie weiter, bis ein Motorschaden sie aus dem Rennen warf. Schwacher Trost für die beiden Deutschen, dass das Schwesterauto mit den Schweden Waldegård und Thorszelius den zweiten Platz belegte. Es war das bisher beste Ergebnis von Porsche bei einer der schwierigsten Rallyes der Welt und ein Beweis für die Geländegängigkeit dieser speziell vorbereiteten 911er.
Während Porsche nach Stuttgart zurückkehrte, wurde der 911 mit Chassisnummer 285 an einen lokalen Enthusiasten verkauft. Er wurde 1975 in Kenia zugelassen und mit dem kenianischen Nummernschild KPU 539 gesichtet. 1992 erwarb der ehemalige Rallye-Beifahrer und Vertreter des FIA World Motor Sport Council, Surinder Thatthi, den Wagen. Restaurierte ihn teilweise und spendierte ihm einen frischen weißen Anstrich.
In den frühen 2000er-Jahren erhielt der deutsche Carrera RS Club von einem lokalen deutschen Händler die Info, dass das Auto in Kenia sei. Gabriele Mahler-Kurzenberger und Uwe Kurzenberger - 1. Präsidentin und Sekretär des Clubs - stiegen sofort in ein Flugzeug, um den verlorenen RS 2.7 zu holen. Bei ihrer Ankunft fanden sie ihn in einem schlechten Zustand vor: Der Motor war festgefressen und die Karosserie verfallen. Unbeirrt vertrauten sie das Restaurierungsprojekt Eckhard Spreng in der Nähe von Ludwigsburg an, der die Nr. 285 drei Jahre lang penibel restaurierte, bis sie wieder in neuem Glanz erstrahlte. Entscheidend war, dass der Wagen noch alle werksseitigen Modifikationen aufwies. Ein neuer 2,7-Liter-Motor wurde eingebaut und das Getriebe komplett überholt. Der letzte Schritt bestand darin, Nr. 285 wieder in die Kühne & Nagel-Lackierung zu kleiden, die er bei der Safari von 1974 trug. Und ihn mit den damals werksseitig ausgegebenen deutschen Nummernschildern (S-AR 7909) neu zuzulassen.
Im Gegensatz zu vielen Carrera RS-Restaurierungen, die in der Regel in hermetisch abgeriegelten Garagen ihr Dasein fristen, wurde Nr. 285 nach der Restaurierung sofort wieder ins Geschehen geworfen. Seit Mitte der 2000er-Jahre hat er an Oldtimer-Rallyes in ganz Deutschland teilgenommen und war sogar bei der Hochzeit der Kurzenbergers dabei. Obwohl er die letzten sechs Jahre eingelagert worden war, haben die Kurzenbergers einen Ölwechselservice durchgeführt und das Auto einer neuen TÜV-Prüfung unterzogen. Nr. 285 ist ein ganz besonderes Auto, nicht nur wegen seiner Seltenheit als echter Carrera RS 2.7 Lightweight mit Werkszulassung, sondern auch wegen seiner Afrika-Historie. Wenn dieser extrem seltene und geschichtsträchtige Carrera RS auch Ihr Herz erobert hat, dann sollten Sie ihn genau im Auge behalten, wenn er am 17./18. August bei der Monterey Jet Center Auktion von Broad Arrow versteigert wird.