Direkt zum Inhalt

Magazin

The ICE St. Moritz trotzte den Schneemassen und verwandelte sich spontan in eine glamouröse Garagenparty

Vom zugefrorenen St. Moritzer See durch massiven Schneefall vertrieben, entfaltete The ICE einfach den Concours in einer nahegelegenen Parkgarage. Uns hat zwar das Winterspektakel draußen gefehlt, aber dafür hat der Anblick der für die Juroren aufgestellten grandiosen Autos unser Weekend gerettet.

Es kündigte sich mit einzelnen, verstreuten Schneeflocken an, die durch die knackige alpine Luft tänzelten, aber als wir am Freitagmorgen in unseren Zimmern im Suvretta House aufwachten und zum Fenster hinausblickten, hatte sich das Engadin in ein Winterwunderland verwandelt. Über 60 Zentimeter Neuschnee waren in den letzten 20 Stunden gefallen und hatten die Bergpässe unpassierbar gemacht, wodurch auch die Region zum Teil von der Außenwelt abgeschnitten war – damit war auch der Zugang zum zugefrorenen See für den ersten Tag von The ICE St. Moritz unmöglich geworden. Weil die für den Concours gemeldeten Autos noch auf ihren Auftritt in der nahegelegenen Serletta-Parkgarage warteten, inspizierten die Juroren kurzerhand ihre Klassen in dieser „Höhle automobiler Träume“ und diskutierten intensiv Fragen rund um Heritage, Engineering und Design.

Im Fortlauf des Tages, während das Team fieberhaft versuchte, Dorf und Track zu räumen und vorzubereiten, hielt sich noch die Hoffnung, dass The ICE doch noch am Samstag zum See zurückkehren könnte. Aber es schneite ohne Unterlass weiter: Am Freitagabend mussten die Organisatoren zu ihrem großen Bedauern die Gäste informieren, dass der ganze Event aufgrund höherer Gewalt abgesagt werden musste. So verbrachten die Juroren, die Fahrer und die vielen Enthusiasten, die sich aus ganz Europa nach St. Moritz aufgemacht hatten, den ganzen Tag in der Serletta Garage und bewunderten die dort aufgereihten prachtvollen Maschinen. Schließlich zählte man in der Garage rund 400 Besucher pro Stunde und kein Teilnehmer verließ die Veranstaltung vor dem Dinner am Samstagabend.

Zu der hochkarätig besetzten Jury zählten einige der namhaftesten Spezialisten aus den Welten der Automobile, der Kunst und Architektur, Mode und Design. Unter der Leitung von Marco Makaus hatten sich unter anderem zusammengefunden die italienischen Journalisten Massimo Delbò und Michele Lupi, der Aerodynamikexperte Richard Adatto, der Concours d`Elegance Suisse-Gründer Mathias Doutreleau, der berühmte britische Architekt und Pritzker-Preis-Gewinner Lord Norman Foster, der Künstler, Designer und Philanthrop Rolf Sachs und Classic Drivers CEO JP Rathgen.

Mit noch mehr außergewöhnlichen Automobilen, die in diesem Jahr bei The ICE in fünf Klassen zu beurteilen waren, gestaltete sich die Aufgabe des Auswahlkomitees als noch mal herausfordernder. Unter den Racing Legends waren die für uns hervorstechenden Autos ein Lancia Stratos in Marlboro-Farben, der berühmte Mercedes-Benz 300 SEL 6.3 – besser bekannt als „Rote Sau“ -, die uns an ihre Rallyeerfolge zu ihrer aktiven Zeit erinnerten. Beide Exemplare hätten ohne weiteres auch als leistungsstarke Schneepflüge für die umliegenden Bergpässe eingesetzt werden können. Unsere Freunde von La Squadra und Zagato hatten zwei Alpine A220-Rennwagen von 1968 mitgebracht – einer als Long Tail ausgeführt, einer als Short Tail -, um den jüngst vorgestellten, bahnbrechenden AGTZ Twin Tail-Supersportwagen zu promoten. Unter den Rennwagen mit Open-Wheel-Design rangierte der Ferrari F1 „Sharknose“ unter unseren absoluten Favoriten bei den Monoposti. Arturo Merzario, selbst schon ein Racing Legend, war anscheinend unserer Ansicht, denn er wich diesem ikonischen Ferrari fast den ganz Tag über nicht von der Seite.

Leser von Classic Driver wissen, dass unser Herz auch für eigensinnige Concept Cars, seltene One-offs und fast vergessene Prototypen schlägt, schon allein deswegen verbrachten wir viel Zeit beim Studium dieser Concours-Klasse. Der US-Sammler Philip Sarofim und der lokale Petrol Head Richard Gauntlett hatten ein paar Ski auf ihrem außerirdisch faszinierenden Aston Martin Bulldog montiert – wie schade, dass wir nicht erleben konnten, wie er gleich einem futuristischen Curlingstein übers Eis schoss. Dennoch war das wohl atemberaubendste Concept Car das Abarth 1000 Balbiero-Rekordfahrzeug aus der Pearl Collection – ein aerodynamischer Prototyp mit aberwitzig niedrigem Luftwiderstandsbeiwert, dessen Form an ein abgenutztes Seifenstück erinnerte.

Letzte Woche hatten wir bereits das Vergnügen eines Rendezvous mit dem flippigen Autobianchi A112 Giovani aus der Lopresto Collection, aber es gab da noch ein anderes exzentrisches Concept aus den 70ern, das wir beinahe vergessen hatten: Ein knallgrüner Fiat Aster 132 Zagato von 1979, den man entweder liebt oder hasst. Ein Auto, dass wir immer angebetet, aber nie real zu Gesicht bekommen hatten, ist der Audi Quattro Gruppe 5-Prototyp, den Audi Tradition extra aus ihrem geheimen Modelllager geholt und nach St. Moritz transportiert hatten. Wir hoffen, dass wir ihn bei nächster Gelegenheit genauer studieren können.

Die schönsten klassischen Autos bei The ICE entdeckt man immer wieder bei „Barchettas on the Lake“. Es spricht für deren zeitloser Ausstrahlung, dass sie selbst in der kargen und nüchternen Parkgarage eine Aura des Glamours und der Eleganz umgab. Zu unseren persönlichen Favoriten gehörte ein himmelblauer Talbot Lago T26 GS von 1950 und ein sehr ungewöhnlicher, historisch bedeutsamer Talbot-Maserati 250 S Campana Special von 1956, der auch einmal an den 24 Stunden von Le Mans teilgenommen hatte. The ICE lockte auch drei außerordentliche Rennpferde ins Engadin – ein Ferrari 750 Monza von 1955, ein Ferrari 500 TR von 1956 und ein Ferrari 857 Monza von 1956 – sowie, ebenfalls bedeutsam, ein Jaguar C-Type und ein XKSS.

Zu den weiteren Attraktionen gehörte eine Reihe der begehrtesten Sportwagen des 20. Jahrhundert, die in der Kategorie „Icons on Wheels“ zu bewundern waren und einige darunter auch einige interessante Geschichten erlebt hatten. Während Simon Kidston in der Welt der Schönheitswettbewerbe als Mitglied des Auswahlgremiums und Moderator des Concorso d´Eleganza Villa d´Este bekannt ist, hatte er zu The ICE seinen persönlichen Lamborghini Miura SV mitgebracht – eine Auto, das er seit mehr als 25 Jahren besitzt und fährt. An der Seite dieses graziösen Stiers gab es noch viele andere italienische Skulpturen auf Rädern zu bestaunen wie beispielsweise einen schönen Ferrari 225 S Vignale Barchetta und Cal´Spyder sowie einen bezaubernden Lancia Aurelia B24 Spider. Letztlich war es Fritz Burkard von der Pearl Collection, der sich für seinen exzeptionellen Delage D8-125 S die „Best of Show“-Trophäe sicherte – mehr über dessen bemerkenswerter Historie können Sie an anderer Stelle bei Classic Driver nachlesen.

Am Samstag bat Fritz Burkard auch noch selbst zu einem spontanen Alternativevent im Herzen von St. Moritz: Alle Eigner der Klassiker waren eingeladen, mit ihren Bobs die berüchtigte St. Moritz-Bobbahn hinab zu rasen und mit ihren klassischen Autos den Berg wieder hoch zu fahren. Diese Challenge bewies einmal mehr, dass die Haute Volée von St. Moritz jeder Situation einen Spaßfaktor abtrotzen kann, und sei es geradezu apokalyptischer Schneefall. Unsere Sympathien ruhten dagegen bei den Organisatoren von The ICE, die hoch engagiert das ganze Jahr an einer weiteren Auflage des aufregendsten Winterevents für Autos gearbeitet hatten. Mutter Natur hatte natürlich immer eine tragende Rolle in der Geschichte dieser Veranstaltung übernommen, aber es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass alle sich aufgrund des milden Winters Gedanken über die möglicherweise unzureichende Eisdecke des Sees gemacht hatten, nur um den Event wegen ungeheurer Schneemengen canceln zu müssen. Egal, wir haben ein grandioses Winterwochenende in St. Moritz genossen und können es kaum erwarten zu The ICE 2025 zurückzukehren!

Fotos: Stefan Bogner / Curves Magazine