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Ferrari SP38 Deborah trifft Ferrari F40 – Rendezvous in Lugano

Welches autovernarrte Kind hat noch nicht einen Sportwagen gezeichnet und ihm die Flügel eines springenden Pferds verliehen? Für einen leidenschaftlichen und treuen Ferrari-Kunden ging dieser Wunsch in Erfüllung. Wir durften uns zu einem Rendezvous mit der einzigartigen SP38 Deborah verabreden.

Wenn Sie das Glück haben, als vollwertiges Mitglied der Ferraristi zu gelten, dann erhalten Sie auch Einladungen zum Erwerb begehrter „Halo”-Supersportwagen wie dem Enzo oder dem LaFerrari. Sollten Sie aber für die Marke eine noch größere Bedeutung besitzen, dann reserviert die Corse Clienti-Abteilung exklusiv für Sie reine Rennstreckenexemplare wie die „XX”-Modelle oder sogar noch eines der früheren Formel 1-Fahrzeuge. Aber es geht tatsächlich noch eine Stufe höher in der Wertschätzung. Und welcher leidenschaftliche Ferrari-Sammler träumt davon nicht: Dann nämlich bietet sich das Special Projects-Programm mit der Einladung an, einen ganz eigenen, höchst persönlichen Ferrari entwickeln zu dürfen.

Das muss man wissen, ehe man der betörenden SP38 Deborah begegnet - eine Ferrari-Sonderanfertigung auf der Basis des 488 GTB, den die Spezialisten der Special Projects für einen sehr, sehr wichtigen Kunden gebaut haben. Als wir den SP38 bei der Villa d`Este entdeckten, war es augenblicklich um uns geschehen. Der Auftritt strahlt eher den Charakter eines V12-Hypercars als den eines V8-Supercars aus und lässt im Vergleich den Spender 488 GTB geradezu „normal” aussehen. Kaum zwei Wochen später finden wir uns in der bezaubernden Schweizer Stadt Lugano wieder und haben ausgiebig Gelegenheit diese grandiose Maschine Seite an Seite mit ihrer Inspirationsquelle, dem machtvollen F40, zu bewundern.

Was hier passiert ist, bewegt sich jenseits eines Besuchs beim örtlichen Ferrari-Händler, wo man dann so viele Kreuzchen auf der Ausstattungsliste macht, dass die Summe auf dem Kaufvertrag eher einer Großstadttelefonnummer gleicht. Es ist vier lange Jahre her, dass sich der Besitzer des SP38 mit Ferraris Designchef Flavio Manzoni zusammensetzte, um diesem Traumauto Gestalt zu verleihen. Sozusagen von Null anfangend, war das Briefing des Sonderkunden ganz klar: Es sollte eine zeitgemäße Hommage an den F40 werden, und lackiert in einem außergewöhnlichen dunklen Rot.

Nachdem die ersten Zeichnungen abgesegnet worden waren, schuf Ferrari zunächst dreidimensionale Vorlagen und schließlich ein 1:1-Modell, ehe der eigentliche Herstellungsprozess in Angriff genommen wurde. Bekanntlich ist Geduld eine Tugend. Aber man kann sich die Qual des künftigen Besitzers nur zu gut vorstellen: drei lange Jahre warten zu müssen, ehe diese Bella Macchinal in rot endlich zum Leben erwachen darf. 

Festzustellen, dass das Warten sich gelohnt hat, ist natürlich eine Untertreibung. Dieser SP38 in seiner ganzen Metallpracht ist schlicht exquisit. Für unser Rendezvous mit dem Solitär aus Maranello war der Schweizer Ferrarihändler Loris Kessel Auto SA , der dem Kunden in der Spätphase der Konstruktion behilflich war, so freundlich, uns mit einem F40 auszustatten. Denn so hatten wir die Gelegenheit, einige von Deborahs Designelemente hautnah zu vergleichen - beispielsweise die mit Latten versehene Clamshell des Hecks, die riesigen, sternförmigen Räder sowie den detailreichen hinteren aerodynamischen Träger, der an den markanten Heckflügel des F40 erinnert.

Obwohl der F40 als Grundlage des SP38 diente, handelt es sich hier letztlich um ein umfassend anderes und sehr viel moderneres Design. Die keilförmige Front, die zum breiten und tief angesetzten Kühlergrill hin verjüngt, schlägt den Bogen zurück zum Ferrari 308; die schlanken Tagfahrleuchten sehen hingegen so böse aus wie jene am FXX K. Die muskulösen Radgehäuse, die sich aus der schlanken, geraden Schulterlinie herauswölben verleihen dem Fahrzeug einen Hauch des Lancia Stratos. Aber der am meisten auffallende und zugleich klügste formale Unterschied zum 488 GTB ist der Verzicht auf die etwas plumpen Lufteinlässe an den Hüften. Sie wurden nun diskret und gelungen durch Aluminiumblenden kaschiert, die sich nahtlos die Linie der C-Säulen fügen. 

Und dann ist da noch diese spezielle Lackierung. Ein dreifach aufgetragenes, vollmundiges und metallisches Rot, das Rosso Deborah getauft wurde. Ferrari hat sich offensichtlich so in diese eigene Schöpfung verliebt, dass der Rotton nun auch als Kundenoption angeboten wird.  Für alle, die sich fragen, weshalb dieser einzigartige Ferrari auf den Namen Deborah hört: nun, angeblich heißt so die Designerin, welche diese Farbe entwickelte. Sie besitzt fraglos großartigen Geschmack, denn es ist eine hinreißende Farbe, die sich im hellen Sonnenlicht fast zu orange wandelt. Ein Farbton, der so einladend wirkt, dass man immer näher an den SP38 herantritt, bis man mit der Nase fast an die schimmernde Karosserie stößt. 

Bestimmte Elemente des ebenfalls sonderangefertigten Interieurs wie Details in der Außenfarbe und das gestickte „Deborah” am Armaturenbrett auf der Beifahrerseite und die Plakette mit Manzonis Unterschrift sind zwar fein, aber ein Innenraum, der eine größere formale Einheit mit der Karosserie bildet, hättet uns doch eher gefallen. Wir verlassen uns gerne auf Ronnie Kessel, der für unser Rendezvous als Fahrer diente und uns versicherte, dass sich der SP38 am Steuer so phänomenal schnell, ausbalanciert und agil anfühlt wie der 488 GTB.

Für die verwöhnten Bewohner von Lugano ist der Anblick solcher Exoten nichts Außergewöhnliches. Doch das Erlebnis dieser beiden doppelt aufgeladenen Titanen, die schnurrend und grummelnd vorbeifuhren, sorgte doch für einige lange Hälse. Das ist doch ganz klar ein Ferrari, oder? Aber einer der so distinktiv anders geartet ist, als die zu Dutzenden auftauchenden 458 und 488, die in diesem Teil der Schweiz quasi zum Straßenbild gehören. Diese beiden Automobile Seite an Seite zu erleben, bot ein echtes Spektakel - den fulminanten F40 in den Schatten zu stellen, ist schon eine Leistung für sich. Aber in Gesellschaf des SP38 musste sich der Traumwagen der achtziger Jahre tatsächlich mit der zweiten Reihe begnügen.

Wir sind im Übrigen nicht die einzigen, die den SP38 für ein Meisterstück automobilen Designs halten. Beim Concorso d`Eleganza Villa d`Este, wo sich dieser Ferrari erstmals der Öffentlichkeit zeigte, überzeugte er auch auf Anhieb die Jury und erhielt den ersten Preis in der Kategorie der Konzeptfahrzeuge. Verglichen mit frühen One-offs aus dem Special Projects-Atelier wie Eric Claptons SP12 EC oder dem P540 Superfast Aperta wirkt die Formensprache wie aus einem Guss. Aber letztlich zählt, dass diese Einzelanfertigung die kompromisslose Treue und Leidenschaft für Ferrari eines Menschen verkörpert - das Juwel in der Krone einer sicherlich atemberaubenden Sammlung und geschaffen als Verbeugung vor einem der größten Supersportswagen, der je ersonnen wurde. Grazie, Deborah!

Fotos: Tom Shaxson für Classic Driver © 2018  

Sie finden den gesamten Bestand von Loris Kessel SA zum Verkauf im Classic Driver Markt; zusätzlich können Sie dort auch eine breite Auswahl an klassischen und modernen Ferraris entdecken.