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Eines der größten Homologations Specials von Alfa Romeo versteckt sich in Südafrika

Großartige Weine mögen der Hauptgrund für einen Besuch im südafrikanischen Franschhoek sein. Doch wie wir entdeckt haben, verbirgt sich in den Weingütern noch eine andere Delikatesse: der legendäre GTV6 3.0, ein ganz besonderes Homologations Special von Alfa Romeo...

Während man bei Südafrika sofort an Wildtiere, unglaubliche Landschaften und die Trockenfleischspezialität Biltong denkt, hat die Regenbogennation auch eine lebhafte Community von Petrolheads hervorgebracht. Das konnten wir Anfang des Jahres feststellen, als wir das Deus Café in Hout Bay besuchten, um Aaron und seinen schwarzen Testarossa zu treffen. Etwas überraschend und als Ergebnis seiner lebhaften Autokultur hat Südafrika im Laufe der Jahre auch einige spezielle Homologationsmodelle hervorgebracht, die man sonst nirgendwo finden kann. Wir hatten bereits eine Begegnung mit dem knurrenden Ford Capri Perana auf dem Killarney Raceway, aber als wir von einem ultraseltenen homologierten Spezialfahrzeug italienischer Provenienz hörten, das in der üppigen Weinregion von Franschhoek (etwa zwei Autostunden östlich von Kapstadt) steht, wussten wir, dass wir dieses Objekt unbedingt aufspüren mussten.

Ohne eine einzige Wolke am Himmel und mit einer bei 37 Grad Celsius langsam zu kochen beginnenden Quecksilbersäule rolle ich zum stattlichen Eingang des Franschhoek Motor Museums. Nachdem ich an einem halben Dutzend ziemlich rauer Siedlungen vorbeigefahren bin, die auf dem glühend heißen Niemandsland zwischen Kapstadt und Franschhoek errichtet wurden, erscheint mir das gepflegte Gelände des Motormuseums wie eine kleine Oase. Wenn wir das definitive Exemplar des oben erwähnten Homologations-Specials finden wollen, sind wir hier genau richtig. 

Nachdem ich auf den von Bäumen gesäumten Parkplatz des Museums gefahren bin, werde ich beim Aussteigen aus meinem Golf von einer Hitzewand empfangen. Pünktlich rollt Lorenzo, der Mann, der für die vielen makellosen Klassiker des Museums verantwortlich ist, in einem strahlend weißen 1984er Alfetta GTV6 3.0 um die Ecke. Das Auto ist einfach umwerfend, zum einen wegen seines makellosen Zustands, zum anderen aber auch, weil es die unerbittliche Sonneneinstrahlung fantastisch in meine Augäpfel reflektiert. Ich hätte besser meine Sonnenbrille mitnehmen sollen.

Ich schlage vor, in der schattigen Kabine des Alfa Schutz zu suchen und eine kurze Spritztour zu einem der vielen wallpaper-würdigen Ausblicken des Franschhoek Motor Museums zu machen. Kaum zu glauben, dass dieses Auto fast 40 Jahre alt ist; alles, von den Schriftzügen auf dem Radio bis zum Nadelstreifenstoff sieht praktisch brandneu aus; und die niedrige Sitzposition fühlt sich genau richtig an. Der Alfa erwacht zum Leben und der damals von Ingegnere Busso entworfene V6 gibt ein charismatisches Brummen von sich, als wir an gepflegten Blumenbeeten vorbeifahren, während Lorenzo mich freundlich über die Geschichte des GTV6 3.0 aufklärt.

Der GTV6 3.0 wurde Mitte der 1980er Jahre entwickelt und homologiert, um in der damals florierenden lokalen Tourenwagenmeisterschaft gegen den BMW 535i anzutreten. In der es anders als zum Beispiel in der Tourenwagen-Europameisterschaft keine eigene Klasse für Tourenwagen bis 2,5 Liter Hubraum gab. Er wurde daher vor allem deshalb geboren, weil es Sampie Bosman - der damalige De-facto-Motorsportmanager von Alfa in Südafrika - leid war, sich mit einem nur 2,5 Liter großen V6 gegen leistungsstärkere Konkurrenten anzulegen. Zufälligerweise hatte Roger McCleery - Alfas PR-Manager - gerade von einer Charge spezieller Kurbelwellen, Kolben und Zylinderbuchsen gehört, die bei Autodelta in Italien erhältlich waren und den V6 bei einer Bohrung von 93 mm und einem Hub von 72 mm auf einen Hubraum von 2.934 cm³ anhoben.

Schon bald wurde ein Prototyp des 3,0-Liter-GTV zusammengeschustert, aber trotz größerer Ventile und röhrenförmiger Auspuffkrümmer entsprachen Leistung und Drehmoment noch nicht den Vorstellungen von Bosman, vor allem, weil die Einspritzanlage nicht für den größeren V6 ausgelegt war. Offensichtlich wirkte Alfas vierblättriges Kleeblatt, das Quadrifoglio, wie von Zauberhand, denn wie es der Zufall wollte, verfügte Alfa Romeo Südafrika über eine Reihe von Dellorto-Vergasern, die bei den importierten Alfa 6-Limousinen aufgrund der schlechten Kraftstoffqualität Probleme machten. Im 3.0 GTV6 funktionierten sie jedoch dank der Betankung mit Rennbenzin perfekt. Problem gelöst! Das Endergebnis war ein formidabler V6 mit einer Leistung von 171 PS und einem Drehmoment von maximal 222 Nm.

Um die Homologations-Specials zu bauen, kamen die 2,5-Liter-V6-Motoren in Kisten verpackt zu Auto Unique - Bosmans Betrieb in Booysens - und verließen ihn als stärkere Dreiliter, komplett mit vergrößerten Vergasern, modifizierten Abgaskrümmern und einem lokal hergestellten Schwungrad. Insgesamt wurden nur etwa 250 der 2,5-Liter-V6-Motoren so umgebaut. Alles verlief reibungslos, bis man beim Einbau feststellte, dass sich die Motorhaube aufgrund des größeren Ansaugstutzens und des großvolumigen Luftfilters nicht schließen ließ. Bosman nahm die Hilfe einer Firma in Anspruch, die bereits den tieferen Frontsplitter des GTV6 3.0 entwickelt hatte, um so das Untersteuern zu unterbinden. Deren Lösung bestand aus einer Motorhaube aus Fiberglas mit einer noch größeren Ausbuchtung als beim Standard-V6. Die, wie hier zu sehen, mit einer NACA-Düse ausgestattet zum Markenzeichen des GTV6 3.0 avancierte.

Wenn man um das Auto herumgeht, kann man nicht leugnen, wie gut der GTV6 3.0 aus der 3/4-Frontansicht aussieht. Allerdings gibt es einen kleinen Haken. Bei näherer Betrachtung werden Sie feststellen, dass der NACA-Kanal eine Fälschung ist - zumindest bei den Straßenmodellen. Ich bin vor Schreck fast umgekippt, als ich auf die Plastikabdeckung schielte und feststellte, dass sie komplett versiegelt war.

Angesichts der unbestreitbaren motorsportlichen Abstammung des GTV6 3.0 können wir diese kleinen Täuschung aber gern verzeihen. Mit einer Beschleunigung von 0-100 km/h in rund 8,5 Sekunden und einer Höchstgeschwindigkeit von 245 km/h gewann der GTV6 3.0 77 Prozent der Rennen, an denen er teilnahm. Die hübschen 15-Zoll-Felgen von Compomotive, die mit 205/50er-Pneus bestückt sind, machen auch alle nur angedeuteten Lüftungsschlitze mehr als wett. Die breiteren Reifen haben jedoch zu einer anderen Eigenart geführt: die Achsübersetzung, die den Kraftstoffverbrauch krass in die Höhe treibt.

Dieses Exemplar, das zuerst dem mehrfachen südafrikanischen Rallye-Meister Serge Damseaux gehörte, leidet nicht unter solchen Problemen, da es über ein länger übersetztes Getriebe aus einem Alfa 75, 16-Zoll-Gummis und  einen verbesserten Bremskraftverstärker verfügt. Lorenzo und ich waren leider nicht in der Lage (und angesichts des tadellosen Zustands des Wagens auch nicht gewillt), die sportlichen Fähigkeiten dieses GTV6 3.0 auf den malerischen Straßen des Franschhoek Motor Museum zu testen, aber man spürt sofort die Bereitschaft dieses legendären Alfa, Geschwindigkeit aufzubauen und auf die Straße zu bringen.

„Damals fühlte er sich absolut phänomenal an, verglichen mit dem, was sonst noch so auf der Straße unterwegs war. Das Fahrverhalten ist absolut großartig, die Sitzposition ist typisch Alfa, so dass man fast im Auto liegt, das Ansprechverhalten ist ebenfalls fantastisch, und obwohl er nur einen 12-Ventiler hat, hat er dank der Vergaser jede Menge Punch. Heute gibt es nur noch zwischen 210 und 240 Exemplare, und ich denke, dass die Seltenheit des Wagens seinen Reiz ausmacht. Irgendwie wurde er zu diesem ikonischen Meisterwerk, er war einfach so anders“, sagt Lorenzo.

Der GTV6 3.0 ist wahrhaftig ein Titan der südafrikanischen Motorsportgeschichte, und ich wäre schon mehr als glücklich gewesen, diese Schönheit nur von der anderen Seite des roten Seils in einer der temperatur- und feuchtigkeitskontrollierten Scheunen des Motormuseums zu bestaunen, wo dieses Auto normalerweise zu Hause ist. Es war ein unvergessliches Erlebnis, sich in den Wagen zu setzen und ihn zu genießen, während man vom Verwalter seine Geschichte erfuhr, wofür wir dem Franschhoek Motor Museum an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich danken wollen.

Fotos: Mikey Snelgar