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Unterwegs zur Villa d’Este in einem königlichen Bugatti Type 59

Einer großen Stars des diesjährigen Concorso d'Eleganza Villa d'Este ist der Bugatti Type 59 aus dem Besitz des ehemaligen belgischen Königs Leopold III. Wir trafen das bemerkenswerte Auto und seinen Besitzer für einen letzten Probelauf in den Schweizer Alpen.

Wenn der nächste Concorso d'Eleganza Villa d'Este am Wochenende des 21. und 22. Mai über die Bühne geht, wird dieser Bugatti definitiv einer der Top Acts sein. Denn es handelt sich um keinen Geringeren als den ersten von nur sechs Bugatti Grand-Prix-Rennwagen des Typs T59, der aufgrund seiner großen Rennerfolge, seiner außergewöhnlichen Geschichte und seines sehr guten Zustands als der Begehrenswerteste von allen gilt. 

Der Vertreter der außergewöhnlichen Pearl Collection, die für ihre exquisite Sammlung Molsheimer Vollblüter bekannt ist, betont gegenüber Classic Driver: „Dieser Typ 59 Bugatti ist der einzige im Werk zum Sportwagen umgebaute Grand-Prix-Wagen. Er wurde unter anderem von René Dreyfus gefahren, einem Spitzenfahrer der Vorkriegszeit und ein Held des französischen Widerstands. Dieser faszinierende Wagen befindet sich in einem Zustand wie aus der Zeit gefallen, und ihn zu fahren ist natürlich etwas ganz Besonderes.”

In der Tat markierte der Typ 59, der am 24. September 1933 beim Großen Preis von San Sebastián debütierte, um den erfolgsverwöhnten Alfa Romeo Tipo B Paroli zu bieten, die Spitze der Grand-Prix-Autoentwicklung von Bugatti. Er war sowohl ein technisches Wunderwerk als auch ein Design-Meisterwerk, mit seiner schlanken und flachen Karosserie und den für diesen Bugatti-Typ typischen Felgen mit Klavierdraht-Speichen. Der T59 war nicht nur elegant, er war auch sehr schnell. Angetrieben von einem aufgeladenen Reihenachtzylinder und ausgerüstet mit hochentwickelten Stoßdämpfern, war er, so der Pearl Collection-Repäsentant, „im Vergleich zum T35 und T51 ein großer Schritt nach vorn. Weitaus geduckter, auch komfortabler und absolut fabelhaft zu fahren.“ 

Während der Jahre 1934 und 1935 wurde dieser Type 59 mit dem 3,3-Liter-Triebwerk mit Motornummer 5 eingesetzt. Dreyfus fuhr ihn 1934 nach dem Ausfall der Alfas zum Sieg beim GP von Belgien in Spa und belegte im selben Jahr Platz drei beim GP von Monaco. Am Ende der Saison zog sich Ettore Bugatti aufgrund der immer stärker werdenden Konkurrenz aus Deutschland und Italien sowie schrumpfender Finanzreserven vom Grand-Prix-Sport zurück. Vier T59 wurden an englische Bugattisten verkauft, während der zuerst gebaute im Bugatti-Besitz blieb und zum Sportwagen umgebaut wurde. Dazu wurde zunächst der Kompressor demontiert und die Karosserie mit Motorrad-Kotflügeln, kleinen Windschutzscheiben, Scheinwerfern und zwei Türen straßentauglich gemacht. Weiter erhielt der Wagen zwecks Doppelpumpenschmierung einen im Heck untergebrachten Öltank und ein neues Viergang-Vollsynchrongetriebe mit Trockensumpfschmierung und Zentralschaltung. 

Nun fast ein Zweisitzer, erhielt der T59 mit der Chassisnummer T57-57248 eine neue Identität. Während der Sportwagensaison 1937 gewann Bugatti nahezu alle Rennen, herausragend der Sieg am 21. Februar in Pau, wo Jean-Pierre Wimille die Talbots und Delahayes in die Schranken wies. Von den Mechanikern liebevoll „La Grand Mère” (Die Großmutter) genannt, gewann Wimille mit 57248 auch die letzte Ausgabe des erstmals 1928 ausgetragenen Grand Prix von Algerien. Am 18. Juli trat er beim Grand Prix de la Marne auf dem Kurs von Reims zum letzten Mal mit dem 59 an. Und gewann erneut, mit drei Minuten Vorsprung auf Albert Divo auf Talbot.  

Am Ende der Saison 1937 erwarb der belgische König Leopold III., ein langjähriger und loyaler Bugatti-Kunde, das Auto. Ettore Bugatti war sehr stolz, diesen Wagen an eine solche Persönlichkeit übergeben zu können. Der Bugatti erhielt eine neues Farbkleid in Schwarz, die Lieblingsfarbe des Monarchen, ergänzt um einen gelben Streifen als Reminiszenz an die belgische Rennfarbe. Niemand weiß genau, wie der König diesen leistungsstarken Wagen nutzte, aber wahrscheinlich wurde er bei Kriegsbeginn eingelagert. Der König und seine Frau, Liliane Baels, wurden im Juni 1944 von den Deutschen nach Sachsen deportiert, nach dem Krieg ging die königliche Familie zunächst ins Exil in die Schweiz. Erst 1959 zog der Ex-Monarch in das Schloss Argenteuil in der Provinz Brabant-Wallonien um, mit dem Bugatti als Teil der Umzugsware. Zu dieser Zeit galt die Leidenschaft Leopolds für Sportwagen jedoch hauptsächlich Ferrari. Als Folge ging der Bugatti 1967 an Stéphane Falise aus Brüssel, der ihn zwanzig Jahre lang behielt. Falise liebte alles Originale, von seinem Le Corbusier-Haus bis zu seinen französischen Sportwagen. Die Autos wurden nie poliert, ihre Dellen nie geglättet, und sie wurden vermutlich auch nie gefahren. 

1989 verkaufte Falise den Bugatti an den amerikanischen Sammler Robert Rubin, bekannt dafür, seine Erwerbungen im Originalzustand zu behalten, sie nur mechanisch gründlich zu überholen. Als nächstes kam das Auto noch in den Besitz von Anthony Wang, ein weiterer Sammler historischer Ferrari, und des Belgiers Hubert Fabri, der aus Respekt vor der Vergangenheit die Karosserie ebenfalls nicht antastete.

Bald 90 Jahre nach dem Debüt in San Sebastian ist der Bugatti Type 59 jetzt Teil der erlesenen Pearl Collection, die bekanntlich viele Juwelen aus den Molsheimer Werkstätten beherbergt. Vom allerersten Bugatti von 1899 bis zum neuesten Chiron Super Sport. Glücklicherweise wird der 59er seine Kampfspuren behalten, wie uns sein glücklicher Verwalter bestätigt: „Unsere Priorität war es, den 83 Jahre alten Lack behutsam zu reparieren, denn wir wollten nicht, dass noch mehr abblättert. Dafür haben wir die deutsche Restauratorin Gundula Tutt engagiert, eine Spezialistin für Autolacke. Ziel war es, die patinierten, aber ‚gesunden‘ Lackbereiche zu erhalten und nur die Schadstellen auszubessern.“

Die Besitzer der Pearls Collction sind davon überzeugt, dass Autos wie dieses in die Öffentlichkeit gehören. „Sie sind wichtige Meilensteine der Autogeschichte. Als Bewahrer haben wir die Verantwortung, sie der jüngeren Generation zu zeigen. Diese Autos gehören der Automobilindustrie und letztlich auch der Öffentlichkeit. Nach der Villa d'Este, wo es interessant sein wird, wie die Jury auf ein unrestauriertes Auto reagiert, wollen wir den Bugatti im August auf der Passione Engadina in der Schweiz zeigen.“ Zweifellos wird der Wagen am 21. und 22. Mai auf der Terrasse der Villa d'Este für Aufsehen sorgen, wenn sein mächtiger Achtzylindermotor wieder aufheulen wird.

Fotos: Rémi Dargegen for Classic Driver © 2022