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Dieser Mercedes-Benz 540K könnte Ihr Ticket für Pebble Beach sein

Mit dem 540 K bewies Mercedes-Benz Mitte der dreißiger Jahre, dass man einen hauseigenen mächtigen Kompressor wie den SSK auch noch selbst toppen kann. Diese umfassend restaurierte Variante eines Cabrio B hat bereits eine Einladung nach Pebble Beach und wartet nun auf einen Käufer.

Große klassische Automobile faszinieren nicht nur, weil sie Ästhetik und Handwerk mit einst fortschrittlicher Technik vereinen. Sie sind Zeitzeugen, die mit Würde Spuren eines bewegten Lebens tragen und den Schlag öffnen zu einer Reise in die Vergangenheit. Man stelle sich vor, es ist 1938 und dieser fabrikneue Mercedes-Benz 540 K Cabrio B rauscht mit dem charakteristischen Heulen des Kompressors auf der noch sehr jungen und sehr leeren Autobahn an einem vorbei. Am Steuer des viersitzigen und zweitürigen Cabriolets ein noch sorgloser Gentleman Driver, der seinem Chauffeur großzügig einen Tag frei gab, aber wohl selbst bei dieser Grand Tour auf der Schnellstraße nicht ahnen konnte, dass der prachtvoll sportliche Reisewagen zu den Ahnen der nicht minder legendären Gran Turismo-Modelle der Nachkriegszeit gezählt werden würde. 

Der Mercedes-Benz 540 K, der 1936 auf der Automobilmesse von Paris Premiere feierte, war der Nachfolger des 500 K, der zwei Jahre zuvor in Berlin vorgestellt worden war. Beide Modelle der Baureihe W 29 sind Erben der Typen SS und SSK und profitierten von der Stuttgarter Motorsportexpertise. Wie der 500 K hatte auch der 540 K einen Achtzylinder-Reihenmotor, allerdings war dieser auf 5,4 Liter Hubraum aufgebohrt worden und besaß zudem ein zuschaltbares Roots-Gebläse, dass die 115 PS des Saugmotors auf 180 PS anblies und ein Spitzentempo von 170 Stundenkilometer ermöglichte. Automatische Zündverstellung, hydraulische Bremsen mit Saugluftunterstützung und schraubengefederte Achsen für den offenen Tourer mit Viergang- und später Fünfganggetriebe spiegelten den technischen Anspruch von Mercedes-Benz wider. 

Aber natürlich setzten nicht nur Chassis und Fahrwerk Maßstäbe. Für das so schnelle wie luxuriöse Cabriolet entwarfen die Stuttgarter Stilisten eine Karosserie, die sich auf 5,25 Meter erstreckte und in eine aufreizend lange Motorhaube komplett mit Kompressorrohren und mächtig und stolz aufragendem Kühlergrill mündete. Und dann sind da natürlich die breiten, elegant ausschwingenden Kotflügel, in denen Autodesigner der zwanziger und dreißiger Jahre noch nach Herzenslust schwelgen durften. Dass Alltagstauglichkeit und Extravaganz durchaus vereinbar sind, verraten die verchromten Einkerbungen in der Mitte der Trittbretter: Sie dienten dazu, vor dem Einstieg den schnöden Straßenschmutz von feinen Herren- und Damenschuhen abzustreifen. Die W 29-Familie umfasste bald neben den Cabrio-Varianten A, B und C, zweitürige Limousinen, Coupés, die stromlinienförmigen Autobahn-Kuriere und als Sternstunde unter den 540 K-Modellen den Spezial-Roadster mit kurzem Radstand, dessen Silhouette fast nur noch aus den gegenläufigen Schwüngen von Front- und Heckkotflügeln zu bestehen scheint. Kein Wunder, dass Stars des ebenfalls noch jungen Hollywood wie Clark Gable oder Filmmogul Jack Warner sich diesen rassigen Vertreter der alten Welt sichern mussten. Auch die Sammlung von Bernie Ecclestone war ohne diesen 540 K nicht komplett, der heute bei Auktionen zweistellige Millionenpreise erzielt.

Dagegen war das 540 K Cabriolet trotz Motorleistung eine gediegenere Erscheinung - ein repräsentatives Automobil, das Auftritte in UFA-Filmen hatte und auch das Begehren eines Hermann Göring weckte. Doch auch er hatte wie die anderen Käufer des Cabrio B wenig davon, denn mit Kriegsbeginn 1939 wurde die Produktion eingestellt. Viele Fahrzeuge wurden in den nächsten Jahren requiriert und verloren sich in den Weiten Russlands, andere waren zwar auch selbstbewusster Ausdruck deutscher Ingenieurskunst der dreißiger Jahre, um sich dann als rollende Zeitzeugen der Okkupation der ersten Nachkriegjahre durchzuschlagen. An die Stelle des Vorkriegs-Herrenfahrers traten die vielen jungen US-Soldaten, die den Enthusiasten in sich entdeckten und sich trotz ihres geringen Solds in einem von existenzielleren Sorgen geplagten Europa einen Alfa Romeo, einen Jaguar, Bentley oder eben einen Mercedes-Benz 540 K leisten konnten. 

Dafür steht beispielhaft die Geschichte von Chassisnummer 189369. Noch vor Kriegsausbruch von einem Ministerium in Berlin gekauft, erlitt dieser 540 K einen Granatbeschuss am Heck. Ende April 1945 wurde das beschädigte Cabrio B in einer Seitenstraße in Würzburg geparkt und dort von US-Soldaten beschlagnahmt. Nach einer kurzen Dienstzeit in deren Fuhrpark wurde er schließlich 1954 von Louis E. Ebert, ebenfalls im Dienst der US Army, gekauft und zurück in die USA verschifft, wo das große Cabriolet 1958 im Bundesstaat Indiana registriert wurde. Erst nach 51 Jahren verkaufte Ebert im Juli 2009 seinen Mercedes wieder zurück nach Europa. Das Auto wechselte noch ein paar Mal die Hände, ehe es beim aktuellen Eigner zur Ruhe kam.

Der Begriff Ruhe ist vielleicht übertrieben, denn der neue Besitzer bestellte für das Matching Numbers-Exemplar, das sich in originalem, wenngleich patiniertem Zustand befand, bei den Spezialisten von Zinke in Zwonitz eine umfassende Restaurierung. Drei Jahre und unzählige Arbeitsstunden später entfaltet Chassisnummer 189369 wieder die ganze funkelnde Pracht des opulenten Tourenwagens -  als hätte er nicht am 18. Mai 1938 die Tore des Werks Sindelfingen verlassen, sondern erst vor wenigen Wochen. So wie die W 29-Familie in Manufaktur entstand, so wurde auch dieser 540 K von Hand wieder aufgebaut. Nachdem er in seine Einzelteile zerlegt worden war, wurden Teile der Holzkarkasse und Blechteile der Karosserie - auch des zerschossenen Hecks - restauriert wie auch Motor, Getriebe und Fahrwerk. Selbst das Radio aus der Zeit konnte gerettet und restauriert werden. 

Die Lederausstattung des Interieurs wurde gemäß dem Original gefertigt, das schwarze Verdeck ist ebenfalls eine Maßanfertigung. Von der ersten Reihe im Cockpit hat man jetzt auch wieder einen ungetrübten Blick auf das mittig angeordnete Armaturenbrett aus natürlichem Perlmutt. Makellos instandgesetzt ist auch der komplette Satz Scheinwerfer. Die vorderen und hinteren Stoßstangen weichen zwar von anderen Modellen des 540 K Cabrio B ab, wurden aber von den Zinke-Spezialisten gründlich aufpoliert und glanzverchromt.

Die Investition des aktuellen Besitzers trägt schon jetzt Früchte, hat er bereits eine Einladung zum diesjährigen Concours von Pebble Beach erhalten. Und nur wenige Autostunden südlich von Monterey liegt Los Angeles mit seinem Sunset Boulevard. Wir gönnen der alternden Filmdiva Norma Desmond in Billy Wilders „Boulevard der Dämmerung” durchaus ihre Isotta Fraschini-Limousine. Aber die Grandezza dieses Mercedes-Benz 540 K Cabrio B hätte ihren eigenen verblichenen Stern getröstet. 

Fotos: Mathieu Bonnevie für Classic Driver © 2019

Dieser außergewöhnliche Mercedes-Benz 540K Cabriolet B aus dem Jahr 1938 steht derzeit im Classic Driver Markt zum Verkauf

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