Die Grundidee
Ich wollte schon immer einmal im Winter ans Nordkap fahren. Mit einem modernen Auto, so dachte ich, wäre es jedoch keine wirkliche Herausforderung gewesen. Denn auch in Kautokeino (Finmark und kältester Punkt auf der Tour) bringen die Mütter ihre Kinder bei minus 40 Grad Celsius im Fiat Punto zur Schule, ohne Aufhebens daraus zu machen. Also musste es ein klassisches Auto sein. Was böte sich da besser an, als ein Ur-911er mit ausreichend Traktion.
Im Vorfeld meiner Reise zum Nordkap bekam ich Tipps über Tipps, was ich machen müsse, damit ich ankomme und nicht erfriere. Ich dürfe das nicht zu leicht nehmen. Empfohlen wurde unter anderem eine Standheizung, Satellitentelefon, Zusatztank, Umbau-Vergaser (Stichwort: Vereisung), Zusatzscheinwerfer, Crash-Kurs-Technik, und vieles mehr. Viel zu kompliziert, für meinen Geschmack! Kurzerhand habe ich also Batterie und Lichtmaschine prüfen lassen, Winterreifen (155er Breite) mit Spikes aufgezogen, Polarschlafsack und Anorak eingepackt und bin einfach los gefahren.
Dass man tatsächlich nicht mehr Equipment benötigt, um ungeschadet das Nordkap zu erreichen, habe ich am eigenen Leib erfahren. Lediglich der Kilometerzähler hat seinen Geist aufgegeben. Ich nehme an, dass das Schmierfett irgendwann zu kalt wurde. Und bei circa minus 38 Grad glomm leicht die Ladeleuchte, die signalisierte, dass es der Lichtmaschine zu kalt wurde. Unglücklicherweise passierte das kurz vor Jokkmokk, und dort war auf Grund des bekannten „Winter Market“ nicht einmal mehr eine Badewanne zu kriegen. Folglich fuhr ich bei der Kälte etwa gegen 20 Uhr gute 150 Kilometer mit der glimmenden Ladeleuchte. Das war tatsächlich etwas irritierend, da einem nachts keiner mehr begegnete und auch kein Haus unterwegs zu finden war. Mit Standlicht habe ich letztlich doch mein Ziel erreicht. Am nächsten Tag waren die Temperaturen etwas milder und der Porsche fuhr problemlos weiter.
Die Fahrt
Bis in die Nähe von Kramfors bin ich – auf der Suche nach salzfreien Straßen – im modernen Land Rover gefahren. In Kramfors habe ich den Porsche ausgeladen und in Rovaniemi das erste Mal übernachtet. Von dort aus ging es am nächsten Tag über Ivalo nach Honnigsvag, direkt am Nordkap gelegen. In Ivalo bot sich mir die Gelegenheit, im „Porsche Driving Expierience“ Center einige dynamische Runden auf einem zugefrorenen See zu drehen.
Am nächsten Morgen fuhr ich nach einem Kurzbesuch des Örtchens Gjesvaer im Konvio zum Norkap. Zuvor musste ich allerdings eine Stunde warten, da ich zwischendurch eine Zeitzonenüberquerung übersehen hatte. Alleine ist es im Winter verboten, die letzten Kilometer ans Nordkap zu fahren. Soweit das Wetter dies überhaupt zulässt, rollt zweimal pro Tag ein Konvoi zum Nordkap. Angeführt von einem stattlichen Schneepflug. Wir waren an diesem Tag mit drei PKWs – darunter ein X6 mit russsischer Zulassung – eine sehr überschaubare Kolonne. Übringens wird auch der Rückweg ausschließlich in Begleitung absolviert. Da es an diesem Tag derart menschenleer war, konnte ich den Porsche völlig ungestört neben der Weltkugel, dem Wahrzeichen des Kaps, fotografieren.
Abends ging es weiter nach Alta. Von dort nach Arvidsjaur (die dritte Übernachtung), dann zum Land Rover und in circa 24 Stunden zurück nach Bonn. Zuvor musste ich noch die Batterie überbrücken – nicht der Porsche schwächelte, sondern die Batterie des Land Rover war nach der kurzen Standzeit entladen. Insgesamt war ich sechs Tage auf Achse und habe eine Strecke von 6.000 Kilometer zurückgelegt. Sprich 1.000 km pro Tag, entweder mit Anhänger oder auf Schnee.
Besonderes Fahrerlebnis
Beim Tanken erschienen mir die Reifen optisch zu „platt“. Eine Luftdruckprüfung bestätigte zunächst, dass ein Bar fehlte. Doch schon bei der Ausfahrt von der Tankstelle drehte ich mich zum ersten Mal auf der Tour. Und das vor einem Reisebus mit Deutschen Touristen. Wenige Kilometer später wurde es mir auf der leeren Straße zu öde, und ich habe den Wagen wedeln lassen. Nach über 2.000 km auf Schnee und Eis kam mir das nicht gefährlich vor. Der Wagen brach jedoch sofort dramatisch aus und blieb im Tiefschnee hängen. Später stellte sich heraus, dass die Reifen über 3,0 bar Luftdruck hatten. Durch die Wölbung des Reifens kamen die Spikes anscheinend nicht mehr in den Schnee. Natürlich kam kurze Zeit später der Bus mit den Touristen erneut vorbei, die sich wahrscheinlich fragten, wie ich bei zwei missglückten Manövern innerhalb weniger Kilometer überhaupt so weit gekommen war. Ein freundlicher Norweger zog den Porsche dann wieder auf die Straße.
Auto und Equipment
Porsche 911 2,0 SWB, Baujahr 1966, unrestauriertes originales Auto, Modifikationen: Winterreifen mit Spikes, Luftzuführung zu den Vergasern teilweise abgeklebt, um der Vereisung vorzubeugen.
Mitnehmen sollte man, was benötigt wird, um eine Nacht bei -40 Grad zu überleben: Polarschlafsack, Zelt (oder im Auto schlafen), Daunenjacke und Thermohose, dicke Handschuhe und Mütze, Lebensmittel.
Wichtige Erkenntnisse
Nicht über die Küstenstraße in den Norden fahren, sondern durch's schwedische Inland. Dort liegt viel früher Schnee, und es wird kein Salz gestreut.
Hilfreich sind Schneeketten und Reservekanister für den Notfall. Beides hatte ich dabei, aber nicht gebraucht. Tanken sollte man immer dann, wenn der Tank unter halbvoll ist.
Bei unter minus 20 Grad ist die Heizung des 911ers übrigens wirklich überfordert, und es wird richtig kalt! Ich hatte eine Skihose, Polaranorak, dicke Fäustlinge, Mütze und Wanderstiefel an und habe trotzdem gefroren. Die Scheiben waren bis auf die Frontscheibe völlig vereist. Man muss aber auch nur nach vorne schauen können. Von hinten oder von der Seite kommt keiner.
Fotos: Frank Strothe