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Dieser Porsche 356 beweist, dass bei Sportwagen weniger mehr sein kann

Sind Sie auch all der übermotorisierten und übergewichtigen Supersportwagen überdrüssig? Dann ist dieser jadegrüne Porsche 356 Pre-A, der bei Aguttes' Herbstauktion am 14. Dezember versteigert wird, genau die richtige Purismus-Kur für Sie.

Wenn Sie noch in diesem Jahr auf der Suche nach einem neuen Sportwagen sind, haben Sie die Qual der Wahl zwischen zahlreichen Angeboten auf dem Markt. In den 1950er Jahren war diese Entscheidung noch etwas einfacher. Ging es um einen reinrassigen Grand Tourer mit Schwerpunkt auf Höchstgeschwindigkeit, standen mit dem Jaguar XK 120 und dem Mercedes 300 SL zwei gleichermaßen verlockende Optionen zur Verfügung. Wer mehr Wert auf Offenfahren legte, nahm einen BMW 507 in die engere Wahl und wer einen Rennwagen für die Straße wollte, kam kaum am unvergleichlichen Ferrari 250 SWB vorbei. Suchten damalige Kunden jedoch eine Kombination aus all diesen Attributen, also ein ultrasüßes Fahrverhalten, ein umwerfendes Styling, Langstreckentauglichkeit und eine Extraportion altmodischer deutscher Zuverlässigkeit, dann war Porsche die richtige Wahl, um das hart verdiente Geld auszugeben. 

Wir können uns vorstellen, dass der Erstbesitzer dieses Wagens bei seiner Bestellung ähnliche Überlegungen angestellt hat. Und daher entschied er sich für dieses atemberaubende Stück automobiler Skulptur, einen Porsche 356 aus dem Jahr 1955 und – wie die Adleraugen unter Ihnen feststellen werden – noch dazu für ein sehr seltenes Prä-A-Modell. Diese bis Mitte 1955 gebauten Fahrzeuge gehören noch zur ersten Serie des 356 und wurden zugunsten des im Herbst 1955 folgenden 356 A und der noch moderneren und schnelleren B- und C-Modelle (ab 1959 beziehungsweise 1963) oft vernachlässigt. Doch was den Prä-A 356ern an Tempo fehlte, machten sie durch ihr unbestreitbar puristisches Design wieder wett. Wir denken, Sie werden uns zustimmen, dass dieses besondere Exemplar ein echter Hingucker ist. 

Die frühen 356er hatten noch eine zweigeteilte Windschutzscheibe. Im April 1952 wich sie einer einteiligen, leicht gebogenen Scheibe, die in die identische Aussparung passte. Ein zeitloses Design, dass gekrümmte Windschutzscheiben vorwegnahm und zum ganz speziellen Charme dieser frühen Produkte aus Zuffenhausen beitrug.

Dieses Exemplar wurde im November 1955 vom Schweizer Importeur AMAG nach Schinznach-Bad (Kanton Aargau) geliefert. Wir müssen den Erstbesitzer für seinen tadellosen Geschmack loben, denn wir bezweifeln, dass man einen 356 in einer schöneren Farbe als Jadegrün lackieren konnte; passt sie doch so trefflich zu den organischen Kurven dieses Porsches. Im Innenraum wurde dieser 356 mit beigem Kunstleder bezogen, was ebenfalls perfekt mit dem hellen Metallic-Grün des Exterieurs kontrastierte. Wir malen uns aus, welche Freude der stolze Porscheeigner hatte, als er sein neues Spielzeug auf den Bergpässen kennenlernte, für die die Schweiz so berühmt ist. Sicherlich hatte er das Gefühl, die richtige Wahl getroffen zu haben. Denn die PS-stärkeren, aber schwereren Angebote der Porsche-Konkurrenz dürften auf dem kurvenreichen Schweizer Asphalt mit dem geschmeidigen kleinen Porsche kaum mitgehalten haben. 

Bis in die frühen 1960er-Jahre blieb dieser 356 in der Eidgenossenschaft, ehe er nach Schweden exportiert wurde und dort bis in die 2000er-Jahre verblieb. Danach erwarb ihn ein deutscher Porsche-Fan, der zugleich eine Restaurierung in Gang setzte. 2020 kaufte der aktuellen Besitzer das Auto, setzte die Restaurierung fort und brachte das Auto im weiteren Verlauf in jenen makellosen Zustand, in dem es sich heute präsentiert. Allein gut 600 Arbeitsstunden flossen in die Karosserie, die glücklicherweise in der fantastischen Originalfarbe nachlackiert wurde. Während dieser Zeit stellte der 356-Spezialist Jean-Philippe Duval sicher, dass der Motor (ein 1600er vom Typ 616/1), das Getriebe und die übrige Mechanik ebenso wie die Polsterung auf das höchste Niveau gebracht wurden. 

Nach zwei Jahren und mit Kosten in Höhe von 210.000 Euro erstrahlt dieser 356, einer der letzten vor Produktionsanlauf des 356 A, fast wie neu. Zwar stellten die nachfolgenden Porsche die Performance-Werte dieses 356 in den Schatten, doch hält nach unserer Meinung keiner den Vergleich mit diesem Auto stand, das die Porsche Designsprache, wie wir sie alle kennen und lieben, begründet hat.

Als extrem seltenes und bestens erhaltenes Beispiel für eines der frühesten Porsche-Modelle wäre dieser 356 eine fantastische Ergänzung für jede „Best of“-Porsche-Sammlung. Wenn diese jadegrüne Schönheit Ihr Interesse geweckt hat, sollten Sie sich die Herbstauktion von Aguttes in Paris am 14. Dezember ansehen.

Fotos von Simon Gosselin