Ich muss gestehen, dass ich eher der Mercedes G-Modell-Typ bin. Die freiliegenden Nieten und das kantige Design, die robuste Verlässlichkeit und sein „park it anywhere“-Anspruch sind Attribute, die nur wenige andere Autos vorweisen können. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich liebe einen alten Land Rover, würde mich aber sofort für den Luxus und die Präsenz eines frühen Range Rover entscheiden. Doch an diesem nassen und stürmischen Tag im tiefsten Hampshire sollte mich ein Stück blauer Himmel in eine andere Land-Rover-Welt beamen.
Tatiana, die vielleicht stolzeste Besitzerin eines Klassikers, die ich je kennengelernt habe, verstaute mich auf die Rückbank ihres 1985er Land Rover 90, den sie liebevoll „Blaumeise“ (Blue tit) nennt. Fotograf Tom Shaxson durfte auf dem Beifahrersitz Platz nehmen, mit der Bildstabilisierungs- Funktion seiner Kamera im Überstunden-Modus. Wir stießen sofort auf dicken, knietiefen, unnachgiebigen, lehmartigen Schlamm, der selbst den fähigsten modernen Geländewagen Probleme bereiten würde. Aber der Land Rover fühlte sich hier ganz in seinem Element. Bei jedem Knarzen, jedem Wassertropfen, der meine Schulter traf, jeder weißen Rauchwolke von unter der Motorhaube kicherten wir ob des Spaßes, mit diesem Auto zu fahren, alle drei wie Hyänen.
Ich verstand sofort den Reiz dieser frühen Landys, und als wir den 90er an einer 30-Grad-Steigung zum Stehen brachten, war ich neugierig, mehr darüber zu erfahren, wo Tatis Liebe zur Marke und zu Autos im Allgemeinen ihren Anfang nahm. „Ich kann darauf keine genaue Antwort geben. Keines meiner Elternteile hatte mit Autos zu tun, und meine früheste Erinnerung an Verbrennungsmotoren war wahrscheinlich, dass ich auf dem Schoß meines Vaters saß und den Rasenmäher lenkte. Meine Liebe zu diesem Auto rührt vor allem daher, dass es vielleicht mehr symbolisiert als nur vier Räder und einen Motor. Nachdem sich meine Eltern trennten, als wir noch klein waren, wurde diese Situation, wie so oft, zu einem Katalysator für das Erwachsenwerden. Sowohl meine Schwester als auch ich waren schon immer unglaublich autark, was wahrscheinlich die Hartnäckigkeit erklärt, mit der wir uns weigerten, den Landy zu einem Fachmann zu bringen. Eine „Wie schwer kann es schon sein?!“-Einstellung kann einen im Leben überraschend weit bringen!“
Nach ein paar Stunden mit Tati erfuhr ich recht schnell, wie diese Einstellung in der Praxis umgesetzt wird. Sie äußert sich unter anderem in der Hartnäckigkeit, alles selbst zu reparieren, ehe man Hilfe holt. „Die Liebe zu Land Rover ist relativ neu; ich kann mich nicht daran erinnern, dass es Land Rover in meinem Leben gab, bevor ich 18 war. Als ich das erste Mal einen fuhr, wurde mir gesagt, dass man auf der Kupplung stehen muss, aber es dauerte nicht lange, bis ich auch die anderen Macken und Eigenheiten entdeckte, die einen Landy so liebenswert machen“, erinnert sich Tati.
Vom Landy-Fieber gepackt, machte sich Tati auf die Suche nach dem idealen Gefährten. Dabei ging sie mit einer gesunden Portion Vorsicht vor, um die Schrottkisten von den Diamanten zu unterscheiden – denn leider leiden viele frühe Land Rover unter Korrosion. Schließlich stieß sie auf diesen 90 Baujahr 1985 in der Farbe Stratos Blue, komplett mit dem 2,5-Liter-Sauger-Benziner, der als ideales Triebwerk für Fahrten über Landstraßen und im Gelände gilt. Aber auch für eine gemütliche Fahrt mit Tempo 105 km/h, vielleicht mit ein wenig Windunterstützung.
„Ich holte ihn im Mai 2023 ab, und zwei Tage und zwei Pannen später war ich mit einem Freund auf dem Weg zum Kontinent, in den Sommer unseres Lebens. Mein zur Vorsicht neigender Freund, der mich auf der ersten Etappe begleitete, ermutigte mich, auf dem Weg zur Kanalüberquerung eine Pannenversicherung abzuschließen, was sich nur drei Tage später als nützlich erwies!“
Denn die „Blaue Meise“ bekam alles Mögliche ab: von einem rostigen Tank über gerissene Zylinderköpfe bis hin zu einer gebrochenen Aufhängung, was dazu führte, dass sich Tatis Werkzeugkasten exponentiell schnell füllte. Sie begann, ihre Irrungen und Wirrungen auf ihrem Instagram-Profil @overintherover zu dokumentieren. Schnell fand sich eine treue Fangemeinde ein, die Tatis heldenhaften Optimismus, die gelegentlichen Macken des Landys zu korrigieren, mit einer gesunden Portion Humor mitverfolgen wollte. „Ich fühle mich oft ein wenig betrügerisch –Hochstapler-Syndrom nennt man das wohl. Da ich keine Erfahrung mit Autos habe und daher nicht so viel weiß, obwohl ich verzweifelt versuche, immer mehr zu lernen. Ich habe eine wunderbare, sachkundige, freundliche und hilfsbereite Gruppe von Freunden um mich herum, die viel mehr über Land Rover wissen als ich. Ohne sie hätte ich schon vor langer Zeit bittstellend an die Türen von Werkstätten geklopft. Ich gebe mir wirklich Mühe, mein Instagram so authentisch wie möglich zu halten, und das scheint den Leuten zu gefallen!“
Tati und die Blaumeise sind trotz allem eine himmlische Kombination. Die es ihr ermöglicht hat, mit einem Kaffee in einigen der schönsten Gegenden Europas aufzuwachen. „Abgesehen davon, dass wir auf viele Tieflader fahren mussten, sind wir durch ganz Frankreich gefahren, von Dover nach Nizza, dann nach Turin, Zürich, Mailand, Pisa, Florenz, St. Marino, vorbei an Venedig, dann zu den atemberaubenden Dolomiten, schließlich über Österreich, Lichtenstein, die Schweiz mit Andermatt und Basel, Luxemburg, Belgien und Deutschland, und das alles mit... relativ wenig Problemen!“
Viele kaufen sich ein solches Fahrzeug oder sehnen sich danach, ein solches Modell zu besitzen, um die Freiheit zu genießen, die man bei der Erkundung neuer Landschaften verspürt. Den Stress und das Chaos des Alltags hinter sich zu lassen, um Ruhe zu finden, ist ein wunderbares Gefühl, von dem Tati einfach nicht genug bekommen kann. „Als wir unterwegs waren, habe ich das Datenvolumen meines Handys absichtlich nicht aufgestockt – ich liebte die Ruhe und den Frieden. Das Wissen, dass außer meiner Familie niemand genau wusste, wo ich mich auf der Welt befand, war ein seltsames und doch unglaublich befreiendes Gefühl. Ohnehin mag ich mein Telefon nicht wirklich, also war es für mich der Himmel, nicht erreichbar zu sein.“
Was nimmt Ihr Classic-Driver-Redakteur nun mit von dieser Ausfahrt? Zunächst, dass der Charme eines alten Land Rovers in seinen Ungereimtheiten besteht. Zugegeben, manchmal ist es schön, in einen mit Sitzheizung und Doppelverglasung ausgestatteten Autobahnfresser zu steigen, aber der Nervenkitzel kommt von der Reise, nicht vom Ziel selbst. Mit jedem Ölleck, jeder Autobahnpanne kommt der Nervenkitzel des Reparierens, des ständigen Herumbastelns und der damit einhergehenden Ausbildung. Etwas, dass kein modernes Auto jemals auf die gleiche Weise bieten kann. „Die Freude, die das Auto mir bereitet, ist unübertroffen. Der Landy hat mir ein Leben voller Erinnerungen und Abenteuer, mit viel Lernen und Spaß, beschert. Und wird es hoffentlich auch weiterhin tun. Er öffnete mir die Welt!“
Verfolgen Sie Tatianas Reise mit „Blue Tit, the Landy“ hier