Luxus-SUV sind heute so selbstverständlich wie Hausstaub. Aber legen wir den Rückwärtsgang ein und manövrieren ungefähr vierzig Jahre zurück: Da kam wirklich nur dieser eine in Frage – jener legendäre, originale Range Rover, den wir heute als „Classic“ kennen. Und diese Art wird kaum klassischer - und seltener - in Erscheinung treten, als bei diesem herausragend restaurierten und klug konzipierten Restomod-Cabrio, das in unseren Augen die aktuelle Konkurrenz mühelos deklassiert.
Historisch betrachtet bot Mercedes-Benz seinerzeit in den achtziger Jahren die G-Klasse an und Jeep den Wagoneer, doch der erste war eher nüchtern ausgelegt, dem zweiten fehlte dieses gewisse Etwas. Obwohl der Range Rover auf breite begeisterte Zustimmung stieß oder wie die Engländer sagten: „The best four by four by far“, gab es dennoch genügend Interessenten, die sich einen ganz besonderen wünschten, der sich vom Serienmodell abhob.
Dieses Potenzial konnten die Chefs in Solihull 1980 selbst erkennen, als ein One-off-Prototyp, der entwickelt worden war, um die Markttauglichkeit eines Range Rover „ultra luxe“ zu testen, dem Magazin „Vogue“ für ein Fashion Shooting in Biarritz zur Verfügung gestellt wurde. Beim Erscheinen der Fotostrecke gab es aber so viele Anfragen zum Auto wie zur Mode von Jaeger und dem Parfum von Lancôme, die eigentlich beworben werden sollten. Man legte also eine erste Serie von 1.000 „Vogue“-Sondereditionen auf.
Der Prototyp stammte von Wood & Pickett in London, ein Unternehmen, das zwanzig Jahre früher von Bill Wood und Les Pickett, einst Fachmänner bei Hooper Coachworks, gegründet worden war. Der Veredler erwarb sich zunächst Renommee mit luxuriösen und kostspieligen Upgrades für den Mini, die anfangs auch die Aufmerksamkeit von Berühmtheiten wie Rolling Stones-Frontmann Mick Jagger und später den superreichen Ölscheichs des Mittleren Ostens erregte.
Bald boomte bei W & P – aber auch bei Rivalen wie Vantagefield, Glenfrome, Monteverdi und Rapport – das Geschäft mit Range Rover-Optimierungen. Sie profitierten vom kantigen Design des Autos mit eigenem Chassis, um ein Spektrum an Formen von Stretch-Limousinen bis hin zu Varianten für die Jagd und Safaris, für die Polo-Ausrüstung und für aufwändige Picknick-Sets zu entwerfen.
Die Exemplare von Wood & Pickett gehörten dabei zu den gelungensten. Geschäftsführer Eddie Collins, vorher Marketingchef beim konkurrierenden Mini-Veredler Radford, war ein Verkaufsgenie, das vermutlich Araber davon überzeugt hätte, in Sand zu investieren. Stattdessen verkaufte er ihnen offene Range Rover – er schlug Kapital daraus, dass der finanziell klamme Besitzer British Leyland (damals noch Eigner von Land Rover) nicht in der Lage war, eine eigene Softtop-Variante zu entwerfen und herzustellen.
Vieles in der Historie dieses Range Rover Convertible von Wood & Pickett verliert sich im Dunkel der Zeit, doch wenn das Cabrio seine frühe Karriere bei vornehmen Wüstenausfahrten verbracht hat, dann muss es irgendwo verhängnisvoll abgebogen sein. Denn es landete schlussendlich in einer heruntergekommenen Siedlung in Polen, wo der offene Range vor rund zehn Jahren von seinem aktuellen Besitzer entdeckt worden war.
Obwohl es noch die originale Außenfarbe Range Rover „Masai Red“ trug, befand sich das Auto in einem desolaten Zustand. Das elektrisch zu bedienende Dach war zerrissen und löchrig, dadurch sickerte Regenwasser in den Innenraum und zerstörte alles von den Velourssitzen bis hin zu den einst glänzend polierten Edelholz-Applikationen. Der ursprüngliche 3,5-Liter-Vergasermotor war durch ein unruhig laufendes Einspritz-Monstrum ersetzt worden – ob dieser Range Rover je wieder zu bewegen sei, war fraglich.
Selbst der Kaufpreis von rund 6.000 Euro war kaum ein Schnäppchen (fast 4.000 Euro weniger, als die Kosten für die Originalumwandlung in den achtziger Jahren). Aber als in der Wolle gewaschener Car Guy konnte der aktuelle Eigner nicht zulassen, dass dieser heute rare Exponent der Land Rover-Geschichte sein Leben auf einem Schrottplatz aushaucht.
Nach dem Verkauf wurde das Auto nach Deutschland gebracht, wo es komplett auseinander genommen wurde, um für eine fundamentale Restaurierung vorbereitet zu werden. Ein Projekt, das sich als weit anspruchsvolleres Unternehmen herausstellen sollte. Tatsächlich dauerte dieser Prozess acht Jahre, inklusive des Erwerbs eines zusätzlichen viertürigen Spenderfahrzeugs, denn es galt, den ursprünglichen, arg vernachlässigten Veteran in das zu verwandeln, was Sie hier bewundern können: Ein Range Rover-Cabrio ohnegleichen.
Obwohl man es sofort als eine von Wood & Picketts zweitürigen „Goodwood“-Interpretationen erkennt, erhielt es auch noch einen gewissen Safari-Look durch eine makellose Lackierung in der Rolls-Royce-Farbe „Fenland Sedge“, farb-kodierte Vogue-Räder und ein perfekt geschneidertes Cabriodach, dass sich wie einst mühelos per Knopfdruck bewegen lässt. Das komplett neue eingerichtete Interieur in Biscuit-Leder greift ebenfalls das Safari-Wüsten-Thema auf, während die aufgefrischten Hölzer und das Moto-Lita-Lenkrad den Qualitätsanspruch nochmals unterstreichen.
Was man auf den ersten Blick nicht vermuten könnte: Dieser offene Range Rover läuft auch so überzeugend wie er aussieht, denn während des Neuaufbaus wurde entschieden, den Vorteil des durch die Goodwood-Konversion verstärkten Fahrwerks zu nutzen und ein Upgrade zu einer 4,6-Liter-Einspritz-Motoreinheit durchzuführen. Damit steigerte sich die Ausgangsleistung von knapp 170 PS auf wesentlich lebhaftere 218 PS. Die Steigerung erforderte natürlich signifikante Bremsen- und Federungs-Modifikationen. Die Charakteristik „überall einsetzbar“ wurde weiter verstärkt durch einen Satz Radläufe ausfüllender Geländereifen von B. F. Goodrich. Und damit wirklich alle Passagiere während der Open-Air-Momente die Musik genießen können, wurde ein extrem leistungsfähiges Multilautsprecher-Soundsystem in das Interieur integriert.
Jetzt erstrahlt dieser einmalige Wood & Pickett Range Rover Goodwood wieder in echtem „Showroom“-Zustand und steht bereit für neue Abenteuer. Ob es eine fröhliche Tour zur Beach einer sonnendurchtränkten Insel ist, mit skifahrenden Freunden Richtung Piste zu fahren oder mit Kamera den „Big Five“ Afrikas zu folgen: Uns fallen beim besten Willen kaum Klassiker ein, die zugleich so praktisch, kompetent, variationsreich und stilvollendet sind. Vielleicht ist jetzt das alte Kompliment wieder wahr geworden: „The best four by four by far.“ So unnachahmlich elegant und leistungsfähig auf allen Vieren.
Fotos: Jasper Schwering für Classic Driver © 2022