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Diese sechs BMW Art Cars starteten in Le Mans – und das sind ihre Geschichten

So was nennen wir „Performance Art“: sechs mythische BMW Art Cars haben bislang an den 24 Stunden von Le Mans teilgenommen. Ehe am Wochenende das siebte der rasenden Kunstwerke an der Sarthe antritt, werfen wir einen Blick zurück auf Genesis und Geschichte der Vorgänger.

Klar, Geschwindigkeit ist schön und gut, aber um in Le Mans zu gewinnen, braucht man mehr als nur ein starkes Auto und einen oder zwei hervorragende Fahrer. Yannick Dalmas, der 1999 den legendären BMW V12 LMR zum Sieg fuhr, behauptete einmal: „Um an die Spitze zu kommen, müssen Fahrer, Mechaniker und Crew schon Monate vor dem Rennen eng zusammenarbeiten. Von Anfang an muss man das gleiche Ziel haben: den Sieg!“ Le Mans macht keine Gefangenen, und genau das ist es, was Hunderttausende von Fans und einige der größten Namen des Motorsports Jahr für Jahr zu diesem Mega-Event lockt. 

Darunter auch BMW, die 1937 erstmals mit drei 328 am 24-Stunden-Rennen teilnahmen, erst 1972 mit einem Schnitzer-2800 CS wieder nach Le Mans zurückkehrten und in diesem Jahr nach dem Gesamtsieg von 1999 mit dem neuen M Hybrid V8 erstmals wieder in der Top-Kategorie (LMDh-Prototypen) um den Sieg kämpfen wollen. Da wir in diesem Jahr in Le Mans vor Ort sind, haben wir beschlossen, dass es der perfekte Anlass wäre, einen genaueren Blick jenen Le-Mans-Rennern zu widmen, auf die BMW weltbekannte Künstler losließ, um sie dann beim größten Langstrecken-Rennen der Welt gegen den Rest des Feldes antreten zu lassen.

 

1975: Alexander Calder – BMW 3.0 CSL

Bis heute sind insgesamt 20 BMW Art Cars entstanden, sechs von ihnen sind wie skizziert in Le Mans an den Start gegangen. Es war Ende 1974, als der französische Kunstsammler und Hobby-Rennfahrer Hervé Poulain mit einer abenteuerlichen Idee auf den BMW-Rennleiter Jochen Neerpasch zukam. Wie wäre es, wenn er einen berühmten Künstler dazu bringen würde, einen BMW-Rennwagen zu gestalten, und er (Poulain) diesen dann als Gegenleistung beim 24-Stunden-Rennen fahren könne. Neerpasch und BMW-Öffentlichkeitschef Horst Avenarius erkannten sofort den großen PR-Wert der Aktion – und gaben grünes Licht für das Art-Car-Projekt. Los ging es mit keinem Geringeren als dem amerikanischen Bildhauer und Pionier der kinetischen Kunst, Alexander Calder, der ein 3,0 CSL Coupé in ein knallig-farbiges Kunstwerk verwandelte. Mit leuchtenden Orange- und Gelbtönen sowie kleinen Partien in weiß und blau erweckte er den Eindruck von Geschwindigkeit – selbst im Stillstand an der Box. Angeblich soll es Calder genossen haben, mit einem „lebensechten“ Medium zu arbeiten, das dann auch prompt für die 24 Stunden von 1975 gemeldet wurde. In Anwesenheit von Calder ging das rollende Kunstwerk mit Poulain, dessen Landsmann Jean Guichet und dem Amerikaner Sam Posey ins Rennen, um nach neun Stunden mit defekter Kardanwelle abgestellt zu werden. Doch das erste Art Car hatte da schon seine eigentliche Mission erfüllt. Denn überall wo es auftauchte – im Fahrerlager, an den Boxen und Runde für Runde an der Strecke – war es in aller Munde. Für Calder war das erste BMW Art Car eines seiner letzten Kunstwerke, er starb im November 1976 mit 78 Jahren in New York.

1976: Frank Stella – BMW 3.0 CSL Turbo

Ein Jahr nach Calders lebhaftem Entwurf war BMW bewusst, dass man mit der Art-Car-Serie bereits einen Volltreffer gelandet hatte. Im Vorfeld der 24-Stunden-Rennen von 1976 bekam der vor kurzem (4. Mai 2024) verstorbene Maler, Bildhauer und Objektkünstler Frank Stella die Gelegenheit, einem weiteren 3.0 CSL seinen Stempel aufzudrücken - ein Meisterwerk, das bis heute von Kunst- und Autofans gleichermaßen verehrt wird. Zumal es sich diesmal um ein mit einem 800 PS starken 3,2 Liter-Biturbo-Motor bestücktes Coupé handelte, gesteuert von den Profis Brian Redman und Peter Gregg. Stella ging die Aufgabenstellung von einer technischen Seite an und legte eine Konstruktionszeichnung seiner damaligen Skulpturen in Form eines feinen Gitternetzes über das Auto. Eine Art Millimeterpapier, durchzogen von schwarzen Linien, die für zusätzliche Wirkung sorgten. 

Leider fiel der bärenstarke Wagen nach vier Stunden mit Problemen an der Ölversorgung aus. Später im Jahr kam er dann nochmal beim WM-Lauf in Dijon an den Start, wo die beiden Schweden Ronnie Peterson und Gunnar Nilsson ein Feuerwerk abbrannten, das aber schon nach 33 Runden verlosch. Danach ging es auch für dieses Art Car schnurstracks ins Museum. 

 

1977: Roy Lichtenstein - BMW 320i Group 5 Turbo

Neues Jahr, neues Auto – und damit eine neue Leinwand zum Experimentieren. Diesmal war es der New Yorker Pop-Art-Künstler Roy Lichtenstein (1923-1997), der den Pinsel an einen Gruppe 5 BMW 320i setzte und ein Meisterwerk aus Bewegung und Farbe schuf. Zu dieser Zeit war Lichtensteins Comic-Kunst bereits ein Stück Popkultur, aber sein BMW Art Car war eindeutig von seinen früheren Werken beeinflusst, denn es verwendete längliche farbige Streifen, um Geschwindigkeit und Agilität zu zeigen, genau wie in einem Comic. Er erklärte: „Die gemalten Linien symbolisieren die Straße, der das Auto folgen muss, und das Kunstwerk stellt auch die Umgebung dar, durch die sich das Auto bewegt. Selbst die Sonne und der Himmel sind zu sehen.“

Wie beim ersten Art Car war erneut Hervé Poulain am Steuer, unterstützt von seinem Landsmann Marcel Mignot. In der IMSA-Klasse genannt, beendeten die beiden das Rennen in dem rund 300 PS starken 320 Turbo als hervorragende Neunte im Gesamtklassement. 

 

1979: Andy Warhol – BMW M1

Andy Warhols BMW M1 ist das bis heute vielleicht berühmteste aller Art Cars und war ein wahrer Beweis für die angeborene Kreativität des legendären Pop-Art-Stars. Er produzierte rollende Kunst, die Tausende von Zuschauern beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans 1979 in ihren Bann zog. Während die vorangegangenen Künstler viel Zeit mit der Planung und Vorbereitung der leeren Leinwand verbracht hatten, sah Warhol in diesem flachen Supersportwagen die ultimative Chance, seine Kunst frei zu gestalten. Er machte dies ganz allein, ohne vorherige Vorgaben oder Interpretationen, und schuf so ein weiteres Modell, das Geschwindigkeit selbst im Stillstand suggerierte 

Erneut hatte Poulain das Ganze eingefädelt, und so steuerte er das in der IMSA-Klasse über 2,5 Liter genannte Modell auch wieder mit Marcel Mignot. Dass der vom Werk eingesetzte M1 am Ende das beste Le-Mans-Resultat aller bisherigen Art Cars verbuchte, verdankte das Team jedoch dem dritten Fahrer, Ex-BMW-Junior Manfred Winkelhock. Obwohl der M1 wegen einer Kupplungsreparatur über eine Stunde lang an den Boxen stand, konnte sich das Trio dank Winkelhocks bravourösem Einsatz wieder bis auf P6 im Gesamt und P2 in der IMSA-Wertung vorkämpfen. 

 

1999: Jenny Holzer - BMW V12 LMR

Erst nach weiteren 20 Jahren tauchte erneut ein BMW Art Car in Le Mans auf. Wieder kam der Entwurf für diesen BMW V12 LMR aus Amerika, diesmal jedoch erstmals von einer Frau, der 1950 in Ohio geborenen Konzept- und Installationskünstlerin Jenny Holzer. Das Auto war identisch mit dem Siegerwagen von Winkelhock/Dalmas/Martini, der sich 1999 gegen starke Konkurrenz von Toyota und Audi durchgesetzt hatte, wurde aber nur im Pre-Qualifying eingesetzt. Die Karosserie des flachen Roadsters nutzte Holzer, um insgesamt sechs Botschaften und Statements aus ihrer Serie „Truisms and Survival“ unterzubringen. Darunter den großflächiger Schriftzug „Protect me from what I want“ auf dem Bugteil oder „Lack of charisma can be fatal“ auf dem Heckspoiler. Dabei setzte sie reflektierende Chrombuchstaben und phosphoreszierende Farben ein. In den Buchstaben spiegelte sich tagsüber der Himmel, nachts gab die Folie gespeichertes Tageslicht in der BMW Corporate-Farbe Blau wieder ab.

 

2010: Jeff Koons – BMW M3 GT2

Fast jedes BMW Art Car, das in Le Mans zum Einsatz kam, folgte einem ähnlichen Konzept, um den Eindruck von Geschwindigkeit zu erzeugen. Aber Jeff Koons  hat 2010 mit seinem Feuerwerk aus Farb- und Lichteffekten diesen Anspruch am vielleicht wirkungsstärksten umgesetzt. Der 1950 geborene Amerikaner ließ die Farben wie von der in einem Windkanal erzeugten Luft über den Fahrzeugkörper fließen und erzeugt damit viel Bewegung und explosive Energie. Zugleich schuf er ein Auto, das irgendwie jedes vorangegangene Art Car in sich vereint. Je genauer man hinschaut, desto mehr Anklänge an Warhols M1 und Calders 3.0 CSL sind zu erkennen. Und machen den M3 GT2 mit Vierliter-V8-Motor zu einem wunderbar originellen und doch irgendwie vertrauten Stück Automobilkunst.

Vor dem Le-Mans-Einsatz wurde Koons Werk im Pariser Centre Pompidou präsentiert, ehe es in Richtung Le Mans ging. Das von den BMW-Werksfahrern Andy Priaulx/Dirk Müller und Dirk Werner gesteuerte Art Car schlug sich anfangs gut, musste aber schon nach 53 Runden mit technischem Defekt den Dienst einstellen. Trotz der Enttäuschung brachte Koons die Unerbittlichkeit jedes Le-Mans-Teilnehmers perfekt auf den Punkt: „Diese Rennwagen sind wie Gladiatoren.“

 

2024: Julie Mehretu – BMW M V8 Hybrid

Nun tritt das sechste BMW Art Car für Le Mans auf die Bühne – ein von BMW in der LMdh-Klasse genannter M Hybrid V8, gesteuert von den Werksfahrern Sheldon van der Linde, Robin Frijns und René Rast. Als insgesamt 20. Modell der Kunstauto-Serie wurde das Hypercar von Julie Mehretu gestaltet, 1970 als erstes Kind eines äthiopischen Collegeprofessors und einer amerikanischen Lehrerin in Addis Abeba (Äthiopien) geboren und 1977 mit ihnen in die USA emigriert. Die heute in New York lebende Malerin fasst den wahren Ethos der gesamten Art Car Serie perfekt zusammen und bringt die Bedeutung mit diesem Zitat auf den Punkt. „Bei dem gesamten BMW Art Car Projekt geht es um Erfindung, um Vorstellungskraft und darum, die Grenzen des Möglichen zu verschieben. Ich sehe dieses Auto nicht als etwas, das man ausstellen würde. Ich stelle es mir als etwas vor, das in Le Mans Rennen fahren wird. Es ist ein performatives Gemälde.“

Performative Malerei ist vielleicht der einfachste Weg, um fast 50 Jahre Kreativität zusammenzufassen. Sie bringt die Welt des Automobils zusammen und ermöglicht es einigen der größten Künstler, ihre künstlerischen Muskeln auf der ultimativen Leinwand spielen zu lassen. Wir werden beim diesjährigen 24-Stunden-Rennen von Le Mans Julie's Art Car intensiv begleiten. Verfolgen Sie also unbedingt unsere Social-Media-Kanäle!

Fotos: BMW Archive