Herrenunterwäsche. Falls Sich gefragt haben, was es mit dem französischen Markennamen, mit dem dieser Lancia 037 großzügig tapeziert ist, auf sich hat. Im Rückblick war das vielleicht wirklich der ideale Sponsor, schließlich musste man bei dem mörderischen Tempo durch wahnwitzige Wertungsprüfungen in ganz Europa buchstäblich hochkonzentriert die Pobacken zusammenpressen.
Das Auto wurde mit der begehrten Evo I-Spezifikation an das mit Abarth verbundene Privatteam von Giuseppe Volta vor exakt 37 Jahren ausgeliefert. Nein, das Timing war beileibe kein Zufall. Eminence hatte angeblich versucht, direkt mit Abarth ins Geschäft zu kommen, aber Martini hatte sich bereits die Unterstützung des offiziellen Werksteams gesichert. Die angesehene Volta-Mannschaft war da mehr, als nur zweite Wahl.
Die Rallyes an der Costa Brava und Costa Smeralda, in Ypres und im Hunsrück waren die ersten vier Wettbewerbe, bei denen sich der Lancia beweisen musste, aber eine Kombination aus Pech, mechanischen Pleiten und simplen Fahrfehlern sorgten dafür, dass er nie über die Ziellinie kam. Im Hunsrück setzte sich der junge italienische Heißsporn Andrea Zanussi ans Steuer, aber sein Talent geriet bald an seine Grenzen und er verunfallte schwer und beschädigte heftig die Fahrertür.
Der Lancia erhielt noch eine hastig ausgeführte Reparatur, ehe er ein fünftes Mal auf die Startrampe rollen musste – diesmal bei der renommierten Tour de France Automobile. Volta konnte einen Coup für sich verbuchen, denn das Steuer übernahm diesmal der französische Tour Auto-Spezialist Bernard Darniche, der sich an einem Comeback versuchte, nachdem er im Jahr zuvor auf Korsika einen schweren Unfall bei Versuchen mit einem BMW M1 Procar erlitten hatte.
Obwohl er noch nicht seine körperliche Bestform wiedererreicht hatte und er sich beklagte, dass sich der 037 nicht so agil und lebhaft anfühlte, wie bei seinem Test mit dem Lancia noch vor dem Hunsrück-Debakel, zeigte Darniche, seine Fähigkeiten als Pilot. Zusammen mit seinem Co-Piloten Alain Mahé holte er mit dem Lancia den insgesamt drittbesten Platz, hinter einem Werks-Opel Manta und einem Renault R5 Turbo. Es war eine grandioser Tag für die Grande Nation und auch für Eminence, die womöglich nach diesem Podiumsplatz noch mehr Dessous für die Herren verkaufen konnten.
Für die Saison 1984 erhielt der Lancia eine Auszeit vom Motorsport. Giuseppe Volta nutzte diese Zeit, um die Chancen für eine potenzielle Rallyecross-Teilnahme zu prüfen. Aber mit dem Auftritt von Abarths neuem Delta S4 wurde dieser Plan schnell wieder zu den Akten gelegt.
Aber so leicht ließ sich Volta nicht aus der Bahn werfen, also wurde der Eminence 037 gemäß der vollen Evo II-Spezifikation ausgebaut und zunächst an Andrea Aghini ausgeliehen, um die Coppa Liburna 1985 anzugreifen und danach an das Jean-Jacques Benson-Team. Gerade die letzte Leihgabe erwies sich als lohnend, den mit Jean-Pierre Balmer und Denis Indermühle im Cockpit gewann der Lancia 1986 souverän das Schweizer Critérium International Jurassien. Das war auch die letzte Teilnahme des 037 an einem Wettbewerb.
Jetzt aber erlebt die Karriere des Lancia eine traurige Wende. Aus uns unbekannten Gründen wurde der 037 in eine Garage verbannt und schlummerte dort als Dornröschen für die nächsten drei Jahrzehnte. In der Tat, er rostete vor sich hin, ließ sich nicht einmal mehr anlassen, und schon gar nicht bewegen. Aber für den Mann, der dieses Auto entdeckte und um den Verkauf verhandelte, gab es trotz des technischen Mankos ein geradezu magisches Attribut, dass jeden Rettungsversuch wert war: die überraschende Originalität des Fahrzeugs.
Der anerkannte italienische Lancia-Spezialist Andrea Chiavenuto aus Biella wurde mit der Restaurierung des Lancia betraut und sollte ihn in seine exakte Evo I-Konfiguration mit der er auch die Tour de France Automobile 1983 bestritten hatte, zurückverwandeln. Zum ersten Mal wieder seit jenem Jahr wurde das Chassis zerlegt und in ein Säurebad getaucht, außerdem wurden die durch Zanussis Unfall verursachten Schäden endlich gründlich behoben.
„Es war eine großartige Fügung, dass niemand dieses Auto seit 1983 berührt hatte und es somit höchst ursprünglich mit vielen Details des Werksteams bewahrt blieb“, erläutert Chiavenuto. „Die Sabelt-Sicherheitsgurte beispielsweise sind original.“
Wo ursprüngliche Ausstattungsmerkmale verloren gingen, hat sich der neue Besitzer die Freiheit genommen, sie penibel und detailgenau zu reproduzieren. Die Karbon-Kevlar-Sitze wurden speziell von Sparco gefertigt und die MOMO-Räder, die als Prototypen für die 15-Zoll-Michelin-Reifen am Heck dienten (anders als die 16-Zoll-Speedlines) und nur für dieses Fahrzeug vorgesehen waren, sind ebenfalls identisch mit dem Original. Das Wunder, das aus dieser umfassenden Restaurierung entstand, kann man nur als einzigartig bezeichnen.
Giuseppe Volta starb im Alter von 71 Jahren leider auf der Autostrada zwischen Turin und Mailand im Jahr 2017 – ein tragischer Verlust für die Rallyewelt nicht nur in Italien. Dass dieser Mann, der eine wahrhafte Lancia-Legende darstellte, nicht mehr erleben durfte, wie sein wichtigstes Rallyeauto exakt 37 Jahre nach der fantastischen Podiumsplatzierung bei der Tour de France wiedergeboren wird, ist , besonders bitter. Aber wir vermuten, dass er sehr stolz gewesen wäre beim Anblick dieses Lancia in Eminence-Farben, der genauso beeindruckend aussieht, als am Tag der ursprünglichen Auslieferung im Jahr 1983. So, und jetzt vergessen Sie nicht, Ihre Eminence-Unterwäsche einzupacken, denn da wartet schon eine Spezialprüfung aus der Hölle auf Sie. Bis zum nächsten Mal.
Fotos: Kevin Van Campenhout © 2020