Eisrennen auf zugefrorenen Seen im Alpenraum haben eine bis auf die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg zurückreichende Tradition. So auch im österreichischen Zell am See: Erstmals 1937 wurden auf dem dortigen See Menschen auf Skiern hinter Motorrädern gezogen – das in Skandinavien von Bauern erfundene Skijöring hatte seinen Weg in die Alpen gefunden. 1952 kamen erstmals Autos als „Zugpferde“ zum Einsatz, und ein Jahr später drehten sie dann schon alleine ihre Pirouetten. 1969 fanden die Rennen erstmals auf einer eigens präparierten Eispiste des Flugplatzes statt, ehe das immer populärer gewordene Event 1973 seine vorerst letzte Auflage erlebte. Nach 46 Jahren Pause reisten dann 2019 über 10.000 Fans an, um das von den beiden Neu-Gründern Ferdi Porsche, Urenkel des Firmengründers Professor Ferdinand Porsche, und Vincenz Greger ins Leben gerufene GP Ice Race zu verfolgen.
Es folgte eine dreijährige Zwangspause, geschuldet der Corona-Pandemie und einem plötzlichen Wärmeeinbruch Anfang 2023. Um so mehr nun die Vorfreude bei Organisatoren, Teilnehmern und Fans auf das erstmals unter dem Patronat von F.A.T. International ausgetragene Meeting. Rund 100 Teilnehmer aus 14 Nationen hatten sich eingeschrieben – Autos von 22 verschiedenen Herstellern, acht Buggys und 30 Skijöring-Paarungen. Pech mit dem Wetter konnte die Partyatmosphäre unter den 3000 Zuschauern auf den vollbesetzten Tribünen nicht trüben. Auf der zuvor von Temperaturen weit über dem Gefrierpunkt und Dauerregen stark in Mitleidenschaft gezogenen Eisfläche konnten die Profi- und Hobbypiloten zwar keine Rennläufe austragen, dafür aber bei strahlendem Sonnenschein einige Showrunden drehen. Besonders erfreut darüber zeigte sich zuvorderst Ferdi Porsche: „Dieses Festival-Feeling hat uns die letzten Jahre gefehlt und mein ganzes Team und ich können es kaum erwarten, nach Zell am See anschließend in Aspen das F.A.T. Ice Race zu feiern.“
Die zehn in ihrem eigenen Paddock-Bereich aufgereihten Porsche 550 Spyder waren ein absolutes highlight des Events – selten zuvor hat man so viele von ihnen an einem Ort zusammen gesehen. Und sie passten nur zu gut in diese von viel Porsche-Mythos umwehte Region. 1941 kaufte der alte Professor Porsche den nahe gelegenen Gutshof Schüttgut als Stammsitz der Familien Porsche und Piëch, und 1974 verlegte F. A. „Butzi“ Porsche sein Studio Porsche Design von Stuttgart nach hierhin. Dem Modell 550 A verdankte Porsche auch seinen ersten Gesamtsieg in einem internationalen Rennen – 1956 mit Umberto Maglioli bei der Targa Florio. Und auch Kult-Schauspieler James Dean machte mit seinem „Little Bastard“ genannten 550er den 550 Spyder weltbekannt.
Unser Fotomodell mit Chassisnummer 550 A-0126 ist einer von nur 40 gebauten Porsche 550 A und wurde in Zell am See durch Vincent Kolb von der Victoria Collection vorgestellt. Vorbereitet für den Einsatz in Österreich wurde er von einem auf Porsche spezialisierten Team rund um Torsten Rüttger aus Eberbach am Neckar. Der am 8. Mai 1957 ausgelieferte 0126 erlebte seine Sternstunde beim 1000-km-Rennen von Buenos Aires im Jahr 1958. Beim Auftakt zur Sportwagen-WM jenes Jahres errangen Erstbesitzer Hubert Wiesse aus Guatemala und der ebenfalls in dem mittelamerikanischen Land lebende, aber in Prag geborene Jaroslav Juhan Platz drei in der GT-Klasse bis 1,5 Liter.
Mit der Einführung des „A“ im Jahr 1956 hatte Porsche den erstmals 1953 eingeführten 550 auf ein nochmals höheres Niveau gehoben. Der aus Rohren zusammengeschweißte flache Kastenrahmen wich einem leichteren und deutlich steiferen Gitterrohrrahmen. Weil durch die höher liegenden Aufhängungspunkte viele tragende Versteifungen entfallen konnten, sank das Gewicht der Karosserie um 27 auf 63 Kilo. Die hintere Pendelachse mit tiefer gelegtem Drehpunkt und ein Stabilisator für die Vorderachse schärften das Handling des trocken nur 530 Kilo schweren Spyders. Zusammen mit einer reduzierten Stirnfläche und dem auf 135 PS getunten Fuhrmann-Motor mauserte sich der 550 A zu einer potenten Rennmaschine – in fünf Jahren fuhr er knapp 400 Klassensiege ein!
Doch zurück nach Zell am See: Wie die große Mehrheit der Starter – einige fuhren gar auf Ski! – sollte auch der 550A auf mit Spike-gespickten Pneus aufs Eis gehen. Das ist ein „Must“ bei solchen Events, denn erst die zwischen 120 und 130 Stifte pro Pneu stellen die gewünschte Verzahnung mit dem Untergrund her. Statt neuer, von Pirelli aufgelegter 3J-Spike-Reifen, griff Torsten Rüttger zu älteren 5J-Michelins aus eigenen Beständen, die den Wagen nach seinen Worten „weniger schmalbrüstig“ wirken ließen. Noch in der heimischen Werkstatt wurde wie bei allen Modellen, die länger gestanden haben, jede Schraube kontrolliert. Getriebe, Elektrik, Fahrwerk, Benzin- und Ölkreislauf – nichts blieb den kritischen Augen der Spezialisten verborgen.
Um den nicht unempfindlichen, weil komplexen Viernockenwellen-„Fuhrmann“-Motor gewissenhaft aufzuwärmen, konstruierte das Team eigens für das Eisrennen eine Zuleitung, mit der warme Abluft vom Motor in Richtung der beiden Weber-40 DCM-1-Vergaser geschickt wurde. „Das konnten wir gut zuhause simulieren, weil gerade zu dieser Zeit auch bei uns tiefe Temperaturen herrschten“, freut sich Rüttger. Für Fahrten bei Minusgraden wird der Motor dann zehn Minuten lang mit maximal 2500 U/min vorgewärmt, ehe er sich in die geliebten höheren Drehzahlregionen vorwagen darf. „Die Hausaufgaben werden zum großen Teil zu Hause gemacht“, betont Rüttger. „Doch genauso wichtig ist die Nachbereitung nach einem Event. Auch dann müssen zum Beispiel wieder alle Schrauben auf korrekten Sitz überprüft werden. Solch ein 550 Spyder wird forsch bewegt, da wirken Fliehkräfte ein, die hohen Drehzahlen bewirken Vibrationen.“
Der auf trockener Rennstrecke bis zu 240 km/h schnelle Porsche 550 A ist ein lupenreiner Rennwagen aus den 1950er-Jahren, so das Briefing von Rüttger an den fürs Eisrennen genannten Fahrer Vincent Kolb. „Der Kontakt zur Fahrbahn ist sehr gut, die Lenkausschläge gering, natürlich kann man driften, aber das Übersteuern ist gut zu kontrollieren. Das Handling ähnelt einem Porsche 356.“ Weiter riet er Kolb, sich auf das ungewöhnliche Schaltschema des Fünfganggetriebes einzustellen. „Denn der erste Gang liegt links oben und der zweite Gang mittig oben – weil man den Ersten nur zum Anfahren braucht und dann im Rennen möglichst zügig zwischen Gang 2 und 3 hin- und herschalten will.“
Und alles wird akustisch untermalt vom kernigen Timbre der Sebring-Rennauspuffanlage. Weil die Rennleitung vorsorglich Beschädigungen an den tief liegenden Spydern verhindern wollte, ließ er sie nicht auf die sehr matschige und mit tiefen Löchern gespickte Piste. Dennoch blieben die Porsche nicht in ihrem Zelt. Sondern drehten zur Freude der Fans ein paar Runden durchs Fahrerlager. Mit denen sie bei allen Dabeistehenden Gänsehaut hervorriefen und „Good vibrations“ erzeugten.
Fotos von David Fierlinga