Vielleicht ist es keinem anderen neuen Hersteller der letzten Jahrzehnte gelungen, die Essenz des Hypercars so zu erfassen wie Pagani. Automobil-Ikonen wie der Zonda, der Huayra und jetzt der Utopia strahlen wie nichts anderes auf der Straße und bewahren jenen Grad der Exklusivität, den Ferrari und Lamborghini vor einigen Jahren verloren haben. In diesem Jahr feiert Pagani sein 25-jähriges Bestehen, und im Vorfeld des FuoriConcorso Aero, auf dem ein ganz besonderer Zonda HP Barchetta Revo ausgestellt wird, hatten wir das Glück, mit dem argentinischen Gründer von Pagani, Horacio Pagani (67), selbst zu sprechen. Um herauszufinden, was einen der führenden Designer der Automobilwelt antreibt und was die Zukunft für Pagani Automobili bereithält.
Wie hat Ihre Liebe zu Autos begonnen und wann haben Sie sich erstmals für Autodesign interessiert?
Ich muss zugeben, dass ich das große Glück hatte, meine Leidenschaft für Autos schon in meiner Kindheit zu entdecken. Es begann damit, dass ich in meiner argentinischen Geburtsstadt Casilda zum ersten Mal Autos fahren sah. Später verschlang ich einige im Land verkaufte Magazine, in denen vor allem Rennwagen abgebildet waren, manchmal aber auch Artikel über internationale Automobilmessen oder Gran Turismo-Präsentationen. Auf diese Weise lernte ich die Sportwagen von Ferrari, Lamborghini, Maserati, Jaguar und Aston Martin kennen. Ich verliebte mich in diese Klasse von Fahrzeugen und begann, sie zu entwerfen. Im Alter von elf Jahren fing ich an, Modelle von ihnen in Balsaholz zu bauen, die heute in unserem Museum stehen. Seit diesem Alter habe ich an diesem Traum festgehalten und ihn nie wieder losgelassen.
Was war Ihr erstes Auto und was war zu jener Zeit Ihr Traumwagen?
Mein erstes Auto war eine Art Buggy. Ich erinnere mich, dass ich einen alten Renault Dauphine von einem Schrotthändler gekauft habe. Ich zerlegte ihn und nahm dann alle Teile, um ein einzigartiges Modell zu bauen. Ich war 17 und habe dieses Auto lange Zeit benutzt; ich kann Ihnen versichern, dass es eine unglaubliche Erfahrung war. In ähnlicher Weise begeisterte ich mich für mein erstes Traumauto: einen roten Jaguar E-Type, der einem Mann in meiner Stadt gehörte. Ich fuhr mit meinem Fahrrad hinter ihm her, konnte ihn aber natürlich nicht einholen. Aber immer, wenn der Besitzer ihn an der von ihm betriebenen Tankstelle abstellte, konnte ich ihn stundenlang von allen Seiten bestaunen. Es war ein wirklich erstaunliches Fahrzeug.
Wie schafften Sie den Sprung vom Autodesigner zum CEO eines Herstellers der weltweit spektakulärsten Supercars?
Eigentlich habe ich schon als Kind immer davon geträumt, ein Designer zu sein und eines Tages meine eigenen Autos zu bauen. 1978 war ich 21 und lebte noch in Argentinien, als ich zum ersten Mal einen Rennwagen baute. Das war im Grunde der erste Pagani. 1982 zog ich nach Italien, und begann bei Lamborghini zu arbeiten. Später gründete ich ein Unternehmen zur Verarbeitung moderner Verbundwerkstoffe, aus dem später Modena Design hervorging. Danach, vor 25 Jahren, begann die Geschichte von Pagani Automobili als Hersteller von Hypercars.
Wie haben sich Supercars während der letzten Jahrzehnte verändert und wodurch unterscheidet sich Pagani Automobili vom Rest?
Die Supercars haben sich verändert, denn es entstand mit dem Hypercar eine neue Kategorie aus noch extremeren Modellen. Unser Hauptsitz in San Cesario sul Panaro liegt nahe Modena, im Motor Valley, zu dessen großen automobilen Erbe historische Marken wie Ferrari, Maserati und Lamborghini gehören. Jeder dieser Sportwagenbauer hat eine eigene Persönlichkeit und stellt exklusive Produkte her. Wir sind der kleinste von ihnen und stellen nur ein Auto pro Woche her. Das ermöglicht es uns, jedes Detail genauestens zu beachten, um einzigartige Objekte zu schaffen, für die unsere Kunden bereit sind, viel Geld zu bezahlen. Da wir praktisch keine Budgetgrenzen haben, können wir bei der Entwicklung auf modernste Materialien und Technologien zurückgreifen. Wir investieren viel Zeit und Ressourcen in das Design. Ich darf sagen, dass sich bis jetzt noch kein einziger Kunde über unsere gewissenhafte und zeitintensive Arbeit beschwert hat.
Gibt es Automobildesigns und -designer, die in all den Jahren Ihre Arbeit beeinflusst haben?
Ja, es gibt viele Autos, die ich wirklich liebe. Unglaubliche Autos. Ich denke da an den Miura, den Ferrari 275, den Jaguar E-Type, den Porsche 917. Aber auch an die Projekte von Giugiaro und Bertone. All diese Autos haben unsere Leidenschaft und unser Verständnis gefördert. Als Designer und Gründer dieses Unternehmens kann ich jedoch bestätigen, dass wir immer danach streben, uns abzuheben und sicherzustellen, dass Pagani-Hypercars keine anderen Modelle imitieren. Man mag sie hässlich oder schön finden. Das spielt keine Rolle. Wichtig ist, dass sie eigenständig sind und dass die Leute, wenn sie einen sehen, sagen: ‚Das ist ein Pagani‘. Die größte Aufgabe der letzten Jahre war es für uns, zeitlose Fahrzeuge zu schaffen, eher Design- als Stylingstücke.
Wie hat die Aerodynamik Ihre Design-DNA beeinflusst? Gab es Beispiele, bei denen die Aero Priorität vor der Ästhetik genoss?
In der Aerodynamik wurden enorme Fortschritte gemacht, nicht nur beim Exterieur, sondern auch im Interieur. Heute können wir unsere Arbeit durch CFD-Berechnungen und Simulationen in Windkanälen analysieren. Wir konnten vor allem uns selbst beweisen, dass Aerodynamik nicht immer auf Kosten der Ästhetik geht – ganz im Gegenteil. Das haben wir sowohl beim Utopia als auch beim Huayra gesehen. Indem wir versucht haben, die Ästhetik der Fahrzeuge zu steigern, konnten wir auch die aerodynamischen Eigenschaften verbessern. Sehen Sie, das ist das Vermächtnis, das uns Leonardo da Vinci hinterlassen hat: Kunst und Wissenschaft können Hand in Hand gehen. Es ist nur wichtig, dass es eine gemeinsame Kultur zwischen Ingenieuren und Designern gibt, um Lösungen zu schaffen, die ebenso effektiv wie schön sind.
Gibt es ein spezielles Modell aus der Pagani Geschichte, auf die Sie besonders stolz sind? Ein Lieblingsauto, das Pagani gebaut hat?
Jedes Auto, das wir geschaffen haben, hat seinen eigenen Platz und ein kleines Stück Geschichte. Der Zonda zum Beispiel hat Pagani 1999 auf die automobile Landkarte gebracht. Es war unser erstes Auto, in das wir viel Mühe und Schweiß gesteckt und an dem wir Tag und Nacht gearbeitet haben. Daher sind wir diesem Erstlings-Werk sehr verbunden. Das gilt nicht minder für den Huayra und den Utopia, Fahrzeuge voller Spitzentechnologie, neuer Konzepte und anspruchsvoller Materialien wie Karbon-Titan. Jedes der drei von mir genannten Fahrzeuge hat es uns ermöglicht, zu wachsen und immer mehr in Forschung und Entwicklung zu investieren. Das ist der Grund, warum ich mich mit allen drei Fahrzeugen verbunden fühle, aber in keines von ihnen verliebt bin. Das mag wie ein Widerspruch erscheinen, ist es aber nicht. Weil wenn man sich in ein Modell verliebt, kann das einen daran hindern, die Objektivität an den Tag zu legen, die für die Durchführung einer wissenschaftlichen Arbeit wie der unseren notwendig ist. Kurz gesagt, ich liebe meine Arbeit, aber ich verliebe mich nicht in meine Kreationen!
Erzählen Sie uns mehr über den Pagani HP Barchetta. Was war die Inspiration und warum verdient es dieses Auto, Ihre Initialen im Namen zu tragen?
Der Barchetta ist ein etwas „dummes“ Auto, das ich zu meinem 60. Geburtstag gebaut habe. Was ich damit sagen will: Es ist ein Fahrzeug, mit dem ich mir einen persönlichen Wunsch erfüllen wollte. Es soll nicht mehr sein als ein extrem egoistisches Objekt, ein komplett offenes Auto mit einer extrem niedrigen Windschutzscheibe. So kann ich den Wind im Gesicht spüren und alles intensiv erleben, einschließlich des Dröhnens des Motors. An den Sitzen und Türverkleidungen finden sich Karostoffe, wie anno dazumal auch in den Cockpits der Rennwagen meines großen Landsmannes Juan Manuel Fangio. Das Auto hat also eine gewisse Originalität. Eigentlich wollten wir nur einen bauen, aber unsere Kunden bestanden darauf, dass wir zwei weitere nachlegten. Das taten wir und entschieden uns für eine private Auktion, an der mehrere Kunden teilnehmen konnten.
Wo sehen Sie Pagani im nächsten Jahrzehnt?
Ich bin optimistisch in dem Sinne, dass wir weiterhin schöne Autos bauen müssen, die Emotionen wecken. Wir investieren viel in die Technologie, damit unsere Autos auch in Zukunft auf dem neuesten Stand der Technik sind. Ständige Verbesserung ist nicht nur eine Philosophie, wie einige Kennzahlen zeigen: 14 Millionen Euro wurden 2022 investiert – elf Prozent des Umsatzes – und 69.400 Stunden in Forschung und Entwicklung investiert. Wir wollen immer besser werden, jeden Tag. Bei Pagani gibt es keinen Platz für Worte wie Erfolg oder Perfektion, denn Erfolg und Perfektion entstehen durch ständige Forschung, Dynamik und Bewegung in Köpfen und Händen. Das Durchschnittsalter unserer Mitarbeiter liegt bei 32 Jahren, und ich bin zuversichtlich, dass das Unternehmen mit diesen jungen Leuten, die voller neuer Ideen stecken, in den nächsten zehn Jahren nur wachsen kann.
Letzte Frage: Auf was freuen Sie sich am meisten beim FuoriConcorso?
Ich denke, dass der FuoriConcorso eine wirklich wunderbare Veranstaltung ist. Weil es eine unglaubliche Anzahl von sehenswerten Modellen zu sehen gibt. Ich kann es kaum erwarten, dort hinzugehen und das zu genießen wie ein Kind in einem Süßwarenladen. Ich bin wirklich gespannt darauf, diese schönen und aufregenden Fahrzeuge aus der Nähe zu sehen und das gleiche Gefühl zu erleben, das ich bei anderen Besuchen in der Villa d'Este und den umliegenden Villen hatte. Das sind immer Tage, die der Schönheit des zeitlosen Designs gewidmet sind.
Classic Driver freut sich, exklusiver Medienpartner des FuoriConcorso zu sein. Wenn Sie weitere faszinierende Einblicke erhalten möchten, dann machen wir aufmerksam auf eine Podiumsdiskussion zum Thema Aerodynamik, die Classic Driver CEO J.P. Rathgen am Samstagnachmittag moderieren wird. Als Gäste begrüßen wird er neben Horacio Pagani Christian von Koenigsegg, den Aerodynamikspezialisten Dr. Ralf Häßler von Porsche, den Dallara-Ingenieur Dialma Zinelli, Paolo Dellachà (CEO von Pininfarina) und Alex Gibson, Leiter Colour & Materials Design bei McLaren. Diese Expertenrunde sollten Sie nicht verpassen!
Fotos von Andrea Luzardi und Pagani Automobili