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Ein Tag in Berlin mit Flitzer-Gründer Dirk Rumpff und seinem Maserati Khamsin

Er sagt von sich, er hättedas Lächeln eines Bond-Bösewichts hat. Dabei ist der Mediziner Dirk Rumpff, der rührige Geist hinter dem Flitzer Club, in Wirklichkeit nicht weniger als ein Superheld mit Faible für klassische Maserati. Wir haben ihn in Berlin besucht.

Je nachdem, wie man psychisch beschaffen ist, kann es entweder sehr belebend oder sehr frustrierend sein, sich in der Gegenwart eines Menschen wie Dirk aufzuhalten. Es schleicht sich schnell ein Gefühl der Unzulänglichkeit ein – nicht nur, weil er tagein, tagaus mit dem Fahrrad zur Arbeit fährt. Der wahre Grund für dieses bewegte Leben ist – um Jeremy Clarkson zu paraphrasieren –, dass dies der Mann ist, der einfach stillsitzen mag. Wenn er nicht gerade als Notfallarzt und Mitglied eines Rettungswagens Leben rettet oder lange Schichten als Anästhesist in der Berliner Charité absolviert, dann sind seine Tage angefüllt mit Kunst, Musik, Reisen und alle den anderen Seiten eines schönen und kultivierten Lebens. Und dazu gehört eben auch eine Leidenschaft für klassische italienische Autoschönheiten der 1960er und 1970er Jahre.

Wer regelmäßig Classic Driver liest, kennt Dirk als den Erfindes des fabelhaften Flitzer Clubs – einem einmaligen Club von gleichgesinnten Autoliebhabern. Genau genommen ist es nicht ganz richtig, die Flitzer als Club zu beschreiben. Es ist mehr eine verschworene Gemeinschaft von Seelenverwandten, die eine Passion für beherztes Fahren, Design, Architektur und lebhafte, von einem perlenden Glas Sekt begleitete Unterhaltungen schätzen. Der Flitzerkreis ist also etwas anders als der typische Klassikerclub, wo man fachmännisch gegen Reifen tritt tritt, burgunderrote Chinos trägt und nichts als einen abschätzenden Blick für jene hat, deren Autos sich nicht in concoursfähigem Zustand befinden. Das Erfolgsrezept von Flitzer ist eine geheimnisvolle Formel, die nur Dirk erspürt. Aber wenn man einmal in den Kreis aufgenommen wurde, dann verblassen andere Auto-Treffen – ausgenommen höchstens die großen Ikonen wie Goodwood oder der Concorso d'Eleganza Villa d'Este.

Aber beherztes und schnelles Fahren mit Boxenstopps für Kaffee und Kuchen vor verrückt-brutalistische Architektur, in der ausgefallene private Kunstsammlungen beheimatet sind, erzählen nicht die ganze Geschichte. Vor der Flitzer-Gründung verfolgte Dr. Rumpff eine ernsthafte Karriere als DJ für elektronische Musik. Er spielte in legendären Clubs in ganz Europa, beispielsweise im Plastic People und Rumba in London, dem Trouw in Amsterdam und natürlich den bekanntesten Adressen in Berlin und München. Er hat unter dem Namen „Season“ eine Handvoll Platten veröffentlicht und moderierte seine eigene Radio-Show, die „OFFtrack“ hieß.

Als ich seinen Berliner Loft betrete, bin ich auch nach den drei Jahren, die ich Dirk nun kennen, leicht eingeschüchtert von der Bandbreite seiner Aktivitäten. Er ist auch ein toller Fotograf und obwohl ich dieser Hinsicht beanspruche, ein klein wenig besser zu sein, bin ich weit schlechterer Snowboarder und Mechaniker. Er kann mit geschlossenen Augen Bremsen entlüften und Öl wechseln, ich allenfalls die Pannenhilfe anfordern.

Das Loft, das Dirk mit seinem Partner Leo Jivetky, dem früheren künstlerischen Verwalter des Moskauer Bolschoi Theaters und Programmdirektor des Russischen Nationalorchesters, teilt, ist in meinen Augen die perfekte Man Cave. An den Wänden und in den Regalen faszinieren verschiedene Maserati-Sammelstücke in einem Mix mit Kunst, die überhaupt nichts mit Autos zu tun hat. Ein paar überlegt platzierte Designobjekte beanspruchen Aufmerksamkeit, während eine beeindruckende Zahl an limitierten Autobüchern sich Raum mit Leos Sammlung historischer Musikalien teilen muss. Hier und da entdeckt man Kurioses wie einen ausgestopften Vogel oder eine Michelin-Männchen-Lampe – das ganze verströmt einen gewissen Bohème-Charme und beweist, dass für Dirk tatsächlich der Teufel im Detail steckt.  

Was man aber wirklich nicht übersehen kann, ist die zweieinhalb Tonnen schwere Sammlung an Vinylplatten, die das visuelle Herzstück des Lofts bildet. Zum privaten Studio gehören zwei gewaltige und limitierte TI5000 JBL-Lautsprecher, die Dirk seit 25 Jahren besitzt und von seinen Studentenbuden bis zu allen späteren Wohnungen mitgeschleppt hat. Seine Freunde nennen sie liebevoll die „Kindersärge“. Zwischen ihnen ruhen zwei Plattenspieler und ein Mixer – ein weiterer Beleg, dass hier zwar ein Mediziner leben mag, er ansonsten aber nicht dem Stereotyp aus der TV-Serie entspricht.

Ich war hier schon oft zu Besuch, aber nicht in einem offiziellen journalistischen Auftrag. Das heißt, dass es mir endlich einmal nicht peinlich sein musste, Tausende von Fragen zu einem bestimmten Gegenstand zu stellen. Und Dirk ist mehr als glücklich, mir alle Schätze zu zeigen. Ob Schachteln mit originalen Maserati-Zündkerzen „mit einem besonders hübschen Design“, ein Buch mit großartigen Reproduktionen von Marcello Gandinis Zeichnungen (vom Meister selbst signiert), eine riesige Schachtel mit den ursprünglichen Maserati-Schaltplänen und -Designs über die Jahrzehnte, ein Album mit Fotos, welche der junge Dirk Rumpff in den frühen neunziger Jahren beim Oldtimer Grand Prix am Nürburgring aufgenommen hat – damals, als er als Junge mit seinem Vater Shows und Rennen besuchte. Es sind Fotos, die bereits ein Auge für das besondere Detail verraten und eine Faszination für exquisites Design. Es war, wie er sagt, „der Moment, in dem ich mich in Autoklassiker verliebt habe“.

Als wir uns in der Erzählung über die Autoliebe vertiefen, bemerkt Dirk, dass er noch nie ein neues Auto besessen hat. Vom ersten Tag an waren es ausschließlich Vintage-Maschinen. Sein erster Klassiker war ein dunkelgrüner Volvo 164 mit rotem Interieur, dann eine Amazone von Volvo, die er entdeckte, als er ein halbes Jahr als Mechanikerlehrling tätig war. Er zahlte dieses Auto in Raten im Lauf von zwei Jahren ab, der Löwenanteil seines bescheidenen Gehalts. Doch die Mühe hat sich gelohnt, denn er behielt die Amazone ungefähr 17 Jahre lang – „meine längste Beziehung“.

Der große Traum von Dirk war aber immer ein Maserati. Als die Zeit reif war und er sich einen Sportwagen aus Modena leisten konnte, kaufte er gleich fünf oder sechs davon. Gut, nicht alle zur selben Zeit, aber doch in so kurzen Zeitabständen, dass man fast von Horten sprechen darf. Natürlich unterliefen hier auch Fehlkäufe, denn einige Autos wie Dirks erster Khamsin waren solche Rostlauben, dass restaurieren keinen Sinn ergab. Der Khamsin wurde verkauft, den Motor behielt er. Sein Biturbo S mit dem fantastischen Missoni-Interieur – er fuhr damit einmal problemlos die 4.000 Kilometer nach Portugal und zurück – wurden veräußert, um andere, seltenere Modelle zu kaufen.

Was ist noch schöner, als über klassische Maserati zu plaudern? Sie zu betrachten! Wir bewegen uns auf der Zeitachse ein paar Stunden weiter. Statt bei einem Kaffee auf der Couch zu sitzen und ein originales Maserati-Farbmuster aus den siebziger Jahren zu bewundern, das sehr teuer bei einer Auktion ersteigert wurde, sind wir jetzt ein wenige Kilometer nördlich seines Neuköllner Lofts in einer Garage nahe der Karl Marx-Allee und stehen vor einem der Projekt-Autos, die er behalten hat.   

Ein teilweise restaurierter Maserati Mexico steht in einer Ecke des unscheinbaren Gebäudes. Jedes Mitglied der SED, das sich hätte seinerzeit vorstellen können, dass Autos wie dieses in diesem Monument sozialistischen „Fortschritts und der Gleichheit“ parken, hätte wohl mit einem Parteiausschluss rechnen dürfen. Das Auto, das Dirk 2012 auf eBay in Gaylordsville im US-Staat Connecticut kaufte, sitzt relativ hoch auf seinem Platz, denn der 4,7-Liter-Motor mit 290 PS wurde zum Überholen ausgebaut. Das Auto ist ebenfalls seines Innenraums beraubt, der kürzlich neu aufgepolstert wurde und nun hoch oben auf den Regalen in der Garage auf den Einbau wartet. Am Mexico muss noch einiges gemacht werden – es war, wie sich herausstellte, ein Show Car für die Messe in Barcelona –, aber das hat Dirk nicht daran gehindert, ihm zwei Paar Borrani-Speichenräder zu schenken. Quasi das Tüpfelchen auf dem „i“ eines zehn Jahre währenden Restaurierungsprojekts.

Ich bewundere den attraktiv patinierten roten Lack, nur um zu erfahren, dass diese spezielle Vignale-Karosserie ursprünglich das Werk in Grigio Milano verlies – ein faszinierender dunkelgrauer Farbton mit einem Hauch von grün. Gäbe es nicht Dirks Farbmuster, wäre es sehr schwierig diese historische Farbe zu reproduzieren, denn seinerzeit wurden nur 485 Exemplare des Mexico gebaut. Das ist beileibe nicht sein einziger Maserati. Um die Restaurierung des Mexico abzuschließen sowie sein anderes Projekt – darunter ein ebenfalls umwerfender und eigenwilliger, von Pietro Frua und Tom Tjaarda designter Maserati Kyalami, der auch in Barcelona und in Genf als Show Car fungierte – zu finanzieren, musste er sich von einem Indy America von 1971 in „Rosso Rubino“ verabschieden. Mit diesem Auto hatte Dirk über die Jahre viele Roadtrips nach Italien, Südfrankreich und zum Grand Prix Historic nach Monaco unternommen. Zum Glück ging das Auto an einen Flitzer-Freund, der damit so oft wie möglich unterwegs ist – keine „Garage Queen“ zu besitzen ist ein essentieller Aspekt der Rumpff-Philosophie.

Sein absoluter Schatz und Begleiter auf europaweiten Ausfahrten ist jedoch ein Maserati Khamsin von 1974 im Farbton Verde Scuro. Das ist dieser unnachahmliche, von Gandini gezeichnete GT-Keil mit dem markanten, verglasten Kammheck und den schwebenden Rückleuchten. „Top Gear“-Showmaster Jeremy Clarkson hat in einem Interview einmal erzählt, dass er, wenn er ein Auto wäre, ein Ford Granada Ghia sein wollte. Wäre Dirk Rumpff ein Auto, dann wäre er genau dieser spezielle Khamsin.

Welches andere Auto erinnerst so sehr an eine architektonische Form, dass, wenn man die Räder abmontierte und die Radläufe ausfüllte, es wie ein Möbel oder den eher dekorativen Teil eines im Stil des Brutalismus gebauten Gebäudes wirkt? Es ist ein Stil, der Dirk fesselt. Mit exquisiten Details wie asymmetrischen Belüftungsöffnungen auf der Motorhaube sieht der Khamsin in der Aufsicht fast aus wie ein suprematistisches Gemälde der russischen Kunstavantgarde. Wenn er sich durch die Stadt bewegt, sei es entlang der sozialistischen Prunkarchitektur der Karl Marx-Allee oder dem von Renzo Piano entworfenen Potsdamer Platz, dann sieht der Khamsin nicht wie ein Automobil, sondern eher aus wie ein konzeptionelles Werk, dass geschaffen wurde, um unsere überkommenen Mobilitätsvorstellungen herauszufordern. Auch 47 Jahre später regt diese Karosserie weiter die Gedanken und die Fantasie eines zeitgemäßen Intellektuellen an – denn genau das ist Dirk Rumpff.

Er ist das, was man im Englischen einen „Renaissance Man“ nennt – universal gebildet und versiert. So vielfältig wie der Besitzer, könnte man festhalten, ist auch dieses Auto. Es verbindet die Merkmale eines Sportwagens – also eine 50:50-Gewichtsverteilung, Trockensumpfschmierung, 330 PS Leistung und eine Höchstgeschwindigkeit von 270 Stundenkilometer – mit den Komfortattributen eines GT: wohlige Sitze, weich gepolsterte Nackenstützen und ein großzügig bemessener Kofferraum. Gibt es ein anderes Modell aus jener Zeit, dass über hydraulische, progressiv selbst-zentrierende Lenkung, eine verstellbare Lenksäule, hydraulisch bedienbare Sitze und Klappscheinwerfer sowie elektrische Fensterheber und zwei Doppelauspuffläufe mit grandiosem Sound verfügt? Vermutlich nicht.

Als wir uns aufmachen, an einigen von Dirks liebsten Berlin-Locations wie der ehemaligen tschechoslowakischen Botschaft, dem Campus der Technischen Universität oder der Philharmonie Fotos zu schießen, kann ich nicht umhin, den Khamsin nicht allein als Supercar zu betrachten, sondern eben auch als „Superhero Car“. Ein superbes Auto, wie geschaffen für einen Superhelden.

Photos: Błażej Żuławski für Classic Driver © 2021

Good News! Am kommenden Samstag, dem 20. November 2021, spielt Dirk als DJ beim Rennmeister Pop-Up Pit Stop in Berlin. Hier erfahren Sie mehr