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Dieser alpine Roadtrip weckt unseren Appetit auf epische Kurven

Kurz bevor die berühmten Schweizer Alpenpässe in den Winterschlaf verfallen, begleiteten wir unsere Freunde vom Flitzer Club auf einem letzten Showdown durch die Alpen. Unser Reporter Błażej Żuławski fuhr in einigen der interessantesten Wagen mit.

Jeder Autofreak im Alter zwischen 30 und 40 Jahren, der in den frühen Nullerjahren hingebungsvoll Top Gear geschaut hat, wird Ihnen das bestätigen: Jeremy Clarksons absolutes Lieblingsauto ist, abgesehen vom alles übertrumpfenden Lamborghini-Traktor, ein roter Alfa Romeo GTV6. Es ist ein Auto, das weder besonders gut gebaut noch zuverlässig ist - wie ich schnell lernte, als die Vibrationen der schlecht ausgewuchteten Kardanwelle mit jedem Kilometer Schweizer Asphalt, den wir zurücklegten, immer stärker wurden.

Dieses Mailänder Coupé ist trotz seines Aussehens auch nicht sonderlich schnell. Aber dank seiner exzellenten Lenkung, der fantastischen Gewichtsverteilung- schließlich handelt es sich um eine Transaxle-Konstruktion mit De-Dion-Hinterachse - und dem epischen, sonoren 2,5-Liter-Busso-V6, der den ganzen Weg bis zur roten Linie in einer Mischung aus Pavarotti-Schreien, nachdem er barfuß auf einen Legostein getreten ist, und dem Brüllen des MGM-Löwen singt, ist der Alfa die Inkarnation eines Fahrerautos. Zumal die GTV-Typen die letzten in Großserie gebauten Alfa Coupés mit Hinterradantrieb waren. Kein Wunder, dass das amerikanische Kultmagazin Road & Track den GTV drei Jahre in Folge zum „GT-Sportwagen des Jahres“ kürte.

Ein Alfa Romeo GTV6 ist ein Auto für Romantiker, für Menschen, die glauben, dass ein Stück Blech und Gummi eine Seele haben kann, und denen es deshalb nichts ausmacht, dass es alles andere als perfekt ist. Wie Eugenio Amos einmal über einen Teil seines Lancia Futurista sagte: „Es funktioniert nicht, denn wenn es funktioniert hätte, wäre es ein Audi gewesen“. Das bedeutet, dass es Autos gibt, die sich hervorragend für den täglichen Weg zur Arbeit eignen oder wenn man tatsächlich ein Ziel erreichen muss. Und solche, die man nutzen möchte, wenn man auf der Suche nach einem Erlebnis ist.

Es ist dieses romantisierende Ideal des Reisens um der Reise selbst willen. Sebastian „Zeb“ Gottschalk und sein roter GTV6 sind ein Paradebeispiel für diese Philosophie - ebenso wie seine Kollegen und Freunde, diese eklektische Gruppe von hoffnungslosen Grand-Tour-Romantikern, die den Flitzer Club bilden. Einmal im Jahr machen sie sich von Berlin und anderen europäischen Hauptstädten aus auf den Weg in ihr gelobtes Land, zur Grand Tour durch die Schweizer Alpen. Oder „Flitzerland“, wie Clubgründer und Maserati-Enthusiast Dirk Rumpff es nennt. „Dort, wo die Kurven eng und die Bußgelder hoch sind.“ 

Das diesjährige Roadbook umfasste berühmte Pässe wie den Gotthard und die Tremola (zweimal), den Albula, den Julier, die Furka, den Grimsel, den Simplon, den Nufenen, den Susten und sogar die kleine und nur sechs Kilometer lange Oberaar Panoramastraße, die so schmal ist, dass sie in nur in einer Richtung befahren werden kann. Jeweils für die ersten zehn Minuten jeder Stunde von der obersten Kehre der Nordrampe des Grimselpasses bis zum Südufer des Oberaarstausees und ab jeder halben Stunde für nochmals zehn Minuten retour.

Mit einem Start am fantastischen Bauhaus Hotel der Fondazione Monte Verità, das der Architekt Emil Fahrenkamp von 1927 bis 1929 im Auftrag des deutschen Bankiers und Kunstsammlers Baron Eduard von der Heydt am Ort früher Nudisten- und Vegan-Communitys errichtet hat, legten wir einen Halt am freistehend auf einer Hügelkuppe stehenden Jugendstil-Hotel Paxmonata mit herrlichem Rundblick auf den Sarnersee und die Obwaldner Berge ein, erforschten den herrlichen Furkablick, ergötzen uns ein doppelten Regenbögen, winkten lokalen Kühen zu und genossen die endlosen alpinen Kurven.

Ich verbrachte viel Zeit im Alfa, denn er bietet viel akustisches Vergnügen und ist das perfekte Kameraauto - dank der Fenster, die sich komplett in den Türen versenken lassen. Zeb, der früher historische Rennen bestritt, scheut sich auch nicht vor dem einen oder anderen riskanten Überholmanöver. Was sehr hilfreich ist, um die passenden Fotos zu bekommen - vor allem, wenn er dem rennfertigen Porsche 911 ST von Stefano Regattieri folgt, das einzige Modell auf der Tour, das lauter ist als der GTV6. Während wir zügig einen der Pässe erklommen, dachte ich über die anderen Autos nach, in denen ich auf dieser Reise auch sitzen und fahren durfte.

Zunächst war da der rote Ferrari Testarossa von Fabio Don. Der mich sofort an meine Kindheit erinnerte, als ich versuchte, durch einen Spalt in meiner Schlafzimmertür Episoden von Miami Vice zu sehen (meine Eltern erlaubten es wegen der Gewalttätigkeit nicht). Wenn Sie mit dem Gedanken spielen, einen solchen TR zu kaufen, sollten Sie sich darüber im Klaren sein, dass es sich dabei nicht um einen Supersportwagen nach heutigem Maßstab handelt, sondern um einen weich gefederten, komfortablen Gran Turismo mit Mittelmotor (und das macht ihn schon ziemlich einzigartig). Ja, er ist breit, aber nicht so breit wie viele moderne SUV. Und obwohl er zu hohen Geschwindigkeiten und einer irren Beschleunigung fähig ist, die einen mit dem Leder des Sitzes verschmelzen lässt, ist er wirklich kein Auto, das zu jeglicher Art von Rowdytum anregt. Mit seiner schweren Kupplung, Lenkung und Handschaltung muss man ihn regelrecht beherrschen, um seine Leistung abzufragen. Zum Lohn singt dann sein 180°-V12 ein wunderbares Lied, aber das Auto hat den Charakter eines faulen Grizzlybären, nicht den eines Geparden.

Apropos Tiere - die überraschendsten Wagen auf dieser Reise waren die großen Jaguar. Ich hielt sie für temperamentvolles Fahren in den Bergen für eher ungeeignet. Aber irgendwie, vielleicht dank ihres ausgeklügelten Fahrwerks und der Scheibenbremsen, verhielten sie sich in engen Bergkurven wie ein Subaru Impreza. Der V12 E-Type schien weniger wendig zu sein als seine viertürigen Brüder, aber die „carry on regardless“-Einstellung seines Fahrers Kai „Reynolds“ Generlich machte ihn zu einer beeindruckenden Waffe, auch wenn es sich um einen Automatikwagen handelte. Das Ergebnis des Missbrauchs? Ein kollabierter Dämpfer, glücklicherweise gerade dann, als die Tour fast beendet war.

Wenn ich es bei dieser Grand Tour durch die Schweizer Alpen mal wirklich bequem haben wollte, wählte ich entweder den Maserati Khamsin von Dirk Rumpff, der mich mit seinen bequemen Sitzen und seinem sanften V8-Brüllen umhüllte, oder den Peugeot 504 von Christof Dame, bei dem es darauf ankam, den Schwung zu bewahren, um mitzuhalten. Die größte Überraschung der Tour Flitzerland 2022 war jedoch der Maserati Mistral: Besitzer Stéphane Drieux ließ mich für einen Sprint hinters Steuer, den ich so schnell nicht vergessen werde - und das nicht nur, weil die Pedale so nah beieinander liegen, dass ich beim Bergabfahren einmal Gas und Bremse verwechselte!

Die direkte Lenkung, die überraschend präzisen Gangwechsel und das hervorragende Fahrwerk, kombiniert mit einem - wieder einmal - fantastischen Sechszylinder-Soundtrack, sorgten für eine unvergessliche Fahrt und... einige Stunden, die ich jetzt auf dem Classic Driver Markt verbringe, um den perfekten Mistral für mich zu finden. Eines Tages, Błażej, vielleicht eines Tages...

Photos: Błażej Żuławski for Classic Driver © 2022