Die Gesetzgebung ist manchmal wie die Hölle auf Erden. Sie saugt den Designern und Ingenieuren alle Kreativität aus dem Hirn. Zwingt sie, ihre kühnen Visionen zu faulen Kompromissen herabzustufen. Nur, um eine in Stein gemeißelte Liste von Gesetzen und Regeln zu erfüllen, zur Rettung der Menschheit und des Planeten. Doch versetzen wir uns für einen Moment in eine Welt, in der die wildesten Konzeptstudien der Autohistorie in Serie gehen dürften. In der die Menschen dann täglich mit einem Ferrari Testa d’Oro, Maserati Boomerang oder Alfa Romeo Navajo zur Arbeit führen.....
Genau diesen Traum träumte 1978 der damals bei Porsche angestellte Ingenieur Eberhard Schulz. Gerade hatte er zusammen mit Tuner Rainer Buchmann von B+B den auf Mercedes- und Porsche-Teilen basierenden CW 311 vorgestellt. Den Mercedes-Stern setzten sie keck und groß auf den vorderen Kühllufteinlass, ohne vorher bei Daimler ein Okay einzuholen. Aufgrund der großen Resonanz auf der IAA von 1979 verzichtete Mercedes ob sowohl Enthusiasmus und Konsequenz jedoch auf eine Klage oder Sanktionen.
Schulz hatte sechs Jahre in den keilförmigen Supersportwagen gesteckt, auf der Suche nach einem legitimen Nachfolger des 300 SL viel Herzblut vergossen. In eine Museumsecke wollte er den sogar im Kinofilm „Car napping“ aufgetretenen und vom TÜV für die Straße zugelassenen Exoten daher nicht abschieben. So entschloss er sich 1982 zur Gründung seiner eigenen Firma – Isdera (für Ingenieurbüro für Styling, Design und Racing) in Leonberg. Und zum Bau einer Kleinserie – nun offiziell ohne Mercedes-Stern sondern einem Adler auf blauem Hintergrund, mit kleineren V8-Motoren (5,0 und 5,6 statt 6,9 Liter wie im CW 311), mehr Platz im Innenraum und Klapp- statt feststehenden Scheinwerfern.
Bemerkenswerterweise litt die spacige Optik des Imperator 108i getauften Serienmodells durch die Zugeständnisse an die Zulassungsbehörde kaum. So blieben die Imperatoren recht nah am CW311. Die frühen Exemplare trugen sogar noch den wie ein Periskop auf dem Dach montierten Rückspiegel – eine zuvor schon beim Ford GT40 praktizierte Lösung.
Der Isdera qualifizierte sich aber auch noch anderweitig für die beste Stellung auf jeder Kinderzimmer-Posterwand. Als da waren der futuristische Fiberglas-Körper, Flügeltüren, ein fetter Mercedes 5,0-Liter-V8 mit bis zu 365 (AMG)-PS und ein Cockpit, das es mühelos mit Starship Enterprise aufnehmen konnte. Als wir mit mit dem 1991 gebauten Isdera 108i eine Runde um den Showroom des Classic Driver Händlers DD Classic drehten, schienen viele Passanten tatsächlich an die Passage eines Raumschiffs zu glauben. Bei seiner Einführung war der Preis in der Tat astronomisch: 250.000 Mark, doch inklusive eines Bordtelefons. Gab es das auch im Ferrari F40?
Schulz bewies Stolz und Mut, als er seine geliebte Designstudie damals nicht den Weg alles Irdischen gehen, sondern sie das Licht der Autowelt erblicken ließ. Am Ende entstanden bis 1993 dann in zwei Serien 30 Isdera Imperator, zum Schluss auf Wunsch sogar noch mit dem 410 PS starken Dampfhammer aus dem SL60 AMG. Das nun bei DD Classic zum Verkauf angebotene Modell ist ein Linkslenker, ging neu nach Japan, wo es dann nahezu sein ganzes Autoleben in einem Museum verbrachte und so nur rund 550 Kilometer auf der Uhr ansammelte. Er dürfte der Isdera mit der weltweit niedrigsten Laufleistung sein.
Hätten doch nur mehr Ingenieure den Mut gehabt, einzeln gebaute Studien in Serie gehen zu lassen. Dann würden wir jetzt nicht unseren Tagträumen nachhängen – über eine Welt, in der wir mit einem Stratos Zero zum Shopping fahren und die Kids im Lamborghini Marzal zur Schule kutschieren würden.
Fotos: Alex Lawrence / The Whitewall für Classic Driver © 2016