Manchmal haben die bescheidensten Klassiker die interessantesten Geschichten zu erzählen. Als wir im vergangenen September zur Eröffnung von Curvistan Bangkok Thailand besuchten, waren wir überwältigt von der Lebendigkeit der Autokultur und dem Niveau und Porsche-Szene der Stadt. Aber in einem Meer aus knallbunten 911ern, umgebauten Dakars und RWB-Restomods, die unter tropischen Blättern im Curvistan’schen Hinterhof parkten, war das Auto, das uns am meisten faszinierte, ein eher bescheidenes, elfenbeinweißes Volkswagen Karmann Ghia Cabriolet. Entworfen von Luigi Segre und Felice Mario Boano bei Carrozzeria Ghia in Italien und von Hand gebaut vom deutschen Karosseriespezialisten Karmann auf dem Fahrwerk und Motor des Käfers, wurde der stilvolle Sportwagen als „Volkswagen für Leute, die den Anblick eines Volkswagens nicht ertragen können“ auf den Markt gebracht.
Zwischen 1955 und 1975 wurden fast eine halbe Million Coupés und Cabriolets des VW Karmann Ghia gebaut. Während der aus derselben Ära stammende, ebenfalls dem VW Käfer entstammende Porsche 356 in der Klassikerszene bish heute sehr präsent ist, sieht man den italienisch-deutschen Sport-Käfer von Karmann und Ghia immer seltener. Als wir nun zu unserer Überraschung eines dieser Exemplare im Herzen Bangkoks entdeckten, wollten wir den Besitzer natürlich unbedingt treffen und mehr erfahren. Wie wir schnell herausfanden, gehört das Auto dem Architekten Tassanai Yan-Ubol, Designdirektor der Kreativagentur „The Embassy of Design Territory“ und verantwortlich für das Außen-, Innen- und Ausstellungsdesign von Curvistan Bangkok.
Mit seinem schwarzen Bob-Dylan-Shirt und Chuck Tailors, den langen Haaren und dem freundlichen Lächeln hätte der Mann problemlos eine Zeitreise ins Kalifornien der 1970er-Jahre unternehmen können, ohne dort aufzufallen. Und nach einem kurzen Gespräch bei Mango und Sticky Rice in der Straßenküche nebenan nahm uns „Ball“ – wie ihn seine Freunde nennen – mit auf eine Fahrt durch die Straßen Bangkoks. Und da wir sofort im berüchtigten Verkehr der Stadt feststeckten, hatten wir jede Menge Zeit zum Plaudern.
Ich muss es fragen: Warum ist dein Spitzname Ball?
Jeder Thailänder hat seinen eigenen Spitznamen. Mein Vater war Fußballspieler und nannte mich deshalb einfach Ball. (lacht)
Das ergibt Sinn. Aber heute wollen wir über Autos sprechen. Was ist deine erste Erinnerung an ein Auto? Und woher kommt deine besondere Verbindung zu Volkswagen?
1972, ein Jahr vor meiner Geburt, hatte mein Vater einen blauen VW Käfer gekauft. Ich erinnere mich noch gut an dieses Auto. Später, als ich Architektur studierte und dorthin pendeln musste, bekam ich mein erstes Auto, ebenfalls einen Käfer, Baujahr 1962. Damals wurden viele VWs nach Thailand importiert, sie waren nicht sehr teuer und leicht zu warten. Eines Tages lieh sich meine damalige Freundin mein Auto, weil ich für die Uni arbeiten musste. Am nächsten Morgen kam sie weinend zurück. Sie hatte meinen Käfer in einen Fluss gefahren. Jemand war hineingesprungen und hatte sie gerettet. Ich habe sie trotzdem geheiratet, sie ist jetzt meine Frau. (lacht) Wir haben das Auto auch geborgen und restauriert.
Wann bist du zum ersten Mal einem Karmann Ghia begegnet?
Neben meiner Uni gab es einen Pub, in dem ich oft mit meinen Freunden rumhing. Eines Tages tauchte der Besitzer der Kneipe auf: Lange Haare, Brille und eine Gitarre über der Schulter – er sah so cool aus, genau wie John Lennon! Nachdem die Kneipe geschlossen hatte, warf er die Gitarre auf die Rücksitze eines wunderschönen Cabrios und fuhr los. Ich fragte meine Freunde, was das für ein Auto gewesen sei, und sie sagten mir, es sei ein Volkswagen Karmann Ghia. Da wusste ich, dass ich eines Tages so ein Auto besitzen und so cool sein wollte wie dieser Typ.
Aber es hat einige Zeit und Mühe gekostet, bis du ihn endlich besessen hast, nicht wahr ?
Ich habe dieses Auto vor 14 Jahren von einem Freund gekauft. Er hatte eine ziemlich interessante Autosammlung – drei Karmann Ghias, vier Käfer, zwei Citroën DS – aber er lagerte sie heimlich, sodass seine Frau nie von den Autos erfuhr. Wie ich interessiert er sich für die Vintage-Kultur der 1960er und 1970er Jahre. Wir beide hätten gerne in dieser Ära gelebt. Eines Tages überzeugte ich ihn, mir diesen Karmann Ghias zu verkaufen – es ist ein 1600er von 1964.
Was gefällt dir stilistisch am Karmann Ghia?
Es gibt zwei Typen von Karmann Ghia, dieser hier ist ein Typ 14. Er ist sehr kurvig und feminin, sehr schön. Und er sieht freundlich aus – genau wie ein Käfer oder ein Porsche 356. Meine Freunde, die klassische Porsches besitzen, sind auch sehr an meinem Auto interessiert.
Bangkok ist berüchtigt für seinen Verkehr. Wie ist es, hier täglich ein sechzig Jahre altes Auto zu fahren?
Es hat ein Schaltgetriebe, also kann es anstrengend werden. Und mein Rücken tut oft weh. Ich kann nicht schneller als 120 Kilometer pro Stunde fahren und es wird schnell sehr laut mit dem Motorengeräusch und dem Wind. Aber ich liebe das Auto – es ist schön, es ist leicht, es braucht nicht viel Leistung. Und es erinnert mich an den Käfer, in dem ich aufgewachsen bin. Also fahre ich ihn weiter. Neue Autos sind praktisch, aber langweilig. Meine Schwester besitzt eines dieser neuen chinesischen Elektroautos: Man sitzt drin und alles ist still und kalt. Es gibt keinen Ton, man spürt nichts. Beim Karmann Ghia öffne ich die Tür und liebe den Geruch – es fühlt sich an, als würde man nach Hause kommen.
Du hast Architektur studiert, dein Unternehmen heißt aber „The Embassy of Design Territory“. Wie kam es dazu?
Nachdem ich einige Zeit in Kalifornien verbracht hatte, kehrte ich nach Thailand zurück und wartete darauf, wieder an die Universität zu gehen, um meinen Master zu machen. Ich musste etwas Zeit totschlagen und mein Onkel bat mich, ihm bei einem Projekt zu helfen. Er war Eventorganisator und musste eine Geburtstagsparty für einen skandinavischen Prinzen in Pattaya organisieren. Wir schlossen ein ganzes Hotel und veranstalteten eine Party mit Safari-Motto. Wir bauten einen Berg, den man öffnen konnte, und aus dessen Spitze der Prinz auf einem Thron saß. Es gab jede Menge Spezialeffekte. Das Personal trug Safariausrüstung, wir hatten sogar einen echten Tiger. Es war unglaublich. Ich wusste, dass ich das machen wollte. Ich arbeitete zehn Jahre lang für meinen Onkel und gründete dann meine eigene Firma, The Embassy of Design Territory.
Du hast das Außen- und Innenkonzept für Curvistan Bangkok entworfen und gebaut, aber auch einige der Skulpturen geschaffen. Was genau ist dein Job bei diesen Projekten?
Wir sind ein Team aus Architekten, Innenarchitekten und Grafikdesignern, die alle gemeinsam an Ausstellungen, Installationen und Skulpturen arbeiten. Wir bringen Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten zusammen. In Thailand nennen wir einen solchen Designer eine Ente. Denn eine Ente kann laufen, sie kann fliegen, sie kann schwimmen. Sie ist sehr vielseitig. Es war eine großartige Erfahrung, mit Stefan Bogner und Chanond Ruangkritya, dem Unternehmer hinter dem Projekt und dem Porsche Design Tower, an Curvistan Bangkok zu arbeiten. Mit seinen Projekten gibt Chanond den Menschen immer wieder großartige Möglichkeiten.
Um auf den Karmann Ghia zurückzukommen: Da es in Südostasien viele schöne Fahrstraßen gibt, hast du schon irgendwelche Roadtrips damit geplant?
Ich möchte mit einigen Freunden, die auch klassische Volkswagen besitzen, eine Reise nach Laos machen. Wir würden auch gerne von Bangkok nach Deutschland fahren, aber wir sind alle mit der Arbeit beschäftigt, also beginnen wir mit Laos.
Dein anderes Auto ist ein Mercedes-Benz W124 Kombi, ein weiterer absoluter Favorit des Classic Driver-Teams.
Ja, er ist cool, aber auch sehr praktisch. Ich benutze ihn für die Arbeit. Ich kann viele Dinge darin unterbringen und unser Team herumfahren. Aber der Mercedes meiner Träume ist ein SL Pagode. Schließlich wurde das Auto nach den Pagoden-Tempeltürmen Thailands benannt. Das wäre eine tolle Ergänzung für meine Garage.
Fotos: Stefan Bogner