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Die legendäre MonteCarlo Offshorer kehrt zurück als Restomod-Superyacht

Der Sarde Giorgio Colombi erweckt eines der berühmtesten Rennboote, das in den siebziger und achtziger Jahren an der Côte d`Azur und der Costa Smeralda begeisterte zu neuem Leben: die MonteCarlo Offshorer. Das Phänomen Restomod setzt Akzente in der Autowelt. Warum nicht künftig auch bei Booten?

Wenn Sie in den achtziger Jahren einen Bummel durch die Häfen von Cannes oder St. Tropez unternommen hätten, wären Sie häufiger auf ein spezielles Boot getroffen: die MonteCarlo Offshorer. Und wären Sie damals dann auch noch jemand gewesen, der auf sich hielt, wären Sie natürlich Eigner einer Offshorer gewesen oder hätten Zugang zu diesem begehrenswerten Boot gehabt. Der schmale, sehnige Day Cruiser mit innovativem abgestuften Rumpf, Mittelsitz-Fahrposition, großzügigem Sonnendeck und rassigen graphischen Elementen galt als Must have galt in dieser exzessiven Epoche von Synthesizer-Pop, pastellfarbenen Leinenanzügen und hochtoupierten Frisuren.

Zwei Männer trugen wesentlich zur Schöpfung der Offshorer bei: Carlo Riva , der traditionsreiche Bootsbauer, und der italienische Unternehmer, Petrolhead und dreimalige Offshore-Rennboot-Weltmeister Renato Della Valle. Kurz nachdem er in den frühen Siebzigern seine gleichnamige Marke an Bertram verkauft hatte, reiste Riva nach Florida, um Bob Hobbs kennenzulernen. Dieser enge Freund Rivas war Schiffsingenieur und Mathematiker und hatte den innovativen „V-stufigen“ Rumpf entwickelt, der signifikant Leistung und Kontrolle auf dem Wasser verbesserte.

Hobbs hatte allerding ein Problem damit, diesen speziellen Rumpf in Florida fertigen zu lassen. Zusammen mit Cal Connell, dem Gründer von Crusader, schmiedete Riva den Plan, ein Boot mit Hobbs neuartigem Rumpfdesign in Italien zu bauen. Damit betritt Renato Della Valle die Bühne, seinerzeit einer der einflussreichsten Geschäftsmänner des Landes. Er kaufte die kleine „Mare e Sole“-Werft in Ventimiglia und gründete PowerBoat In Monaco, das Unternehmen, das sich den Vertrieb des Bootes übernehmen sollte. Damit schlug die Geburtsstunde der MonteCarlo Offshorer.

Man hätte einwenden können, dass diese Entwicklung nicht die eleganten, femininen Linien einer klassischen Aquarama aus Holz besaß. Aber Carlo Riva hatte die Zeichen der Zeit erkannt, außerdem war es praktikabel mit Glasfaser zu arbeiten und das Material ließ sich leichter pflegen. Vor allem zeigte das Boot eine hervorragende Leistung im Wasser, nicht zuletzt wegen des „gestuften“ Konzepts von Hobbs. Und natürlich war Rivas mitreißendes Offshorer-Design einfach unbestritten schön.

Es dauerte nicht lang und die formvollendete Offshorer avancierte zu dem Statussymbol an den Küsten der Riviera. Ob exzentrischer Playboy, milliardenschwere Erbin, wohlhabende Familie oder Gäste auf einer gecharterten Yacht – sie alle genossen den unvergleichlichen Raum an Deck und die begeisternde Leistung eines Tagesausflugs auf dem saphirblauen Gewässer des Mittelmeers. Die MonteCarlo Offshorer schaffte es sogar auf die große Leinwand. Sie hatte einen Auftritt in „Yuppies “, einem sehr erfolgreichen italienischen Streifen, der das expressive Lebensgefühl der achtziger Jahre verkörperte. Kurz danach durchpflügte sie unter den sicheren Händen des oh-so-weltmännischen Pierce Brosnan alias James Bond in „Goldeneye“ die Wellen.

Interessanterweise vertreibt und wartet die Firma Riva-MBS, die Carlo Riva und seiner Tochter Lia gehört, bis zum heutigen Tag Offshorer in Monaco. Im Lauf von drei Jahrzehnten wurde die beeindruckende Zahl von 343 Offshorer gebaut – Exemplar Nummer 42 gehört seit über 30 Jahren der Familie von Giorgio Colombi. Dieser Mann ist auch der treibende geist hinter The Restorer, einem neuen Projekt, das sich der Restaurierung dieser großartigen Rennboot zum Ziel  gesetzt hat, um sie gemäß heutigen Anforderungen sicher und verlässlich zu machen und dabei die quintessentielle Ästhetik der Achtziger zu bewahren. Colombi wurde am Lago d´Iseo geboren, dort wo auch Rivas Yachten zuhause sind. Er wuchs also umgeben von wunderschönen Booten auf.

„Ich sehe noch das Bild meines Vaters, der Direktor in der Riva-Werft war, am Steuer unserer Offshorer 30, während ich fest auf dem Sofa verzurrt war und das Boot nur so über die Wellen flog“, erinnert er sich. „Die MonteCarlo ist das klassische Boot für einen vergnüglichen Nachmittag auf dem Wasser. Das Heck bietet ein großes Sonnendeck zusammen mit einer einziehbaren Leiter. Das Sofa im Cockpit ist geräumig und komfortabel, die Fahrposition vom Mittelsitz aus gewährt einen optimalen Blick über das gesamte Boot.“

The Restorer offeriert zwei sehr unterschiedliche Modelle der Offshorer: Connaisseur und Resto Mod. Beide haben völlig neue elektronische und hydraulische Systeme an Bord, die den Eignern unterwegs Präzision, Verlässlichkeit und Entspannung schenken. Der Unterschied zwischen der Resto Mod und der Connaisseur besteht darin, dass erstere über neue, leistungsstarke Einspritzmotoren verfügt, während das andere Modell die ursprünglichen Vergasermotoren für Sammler, die sich das authentische Erlebnis wünschen, bewahrt hat. Kunden, die sich für die Resto Mod entscheiden, haben mehrere Antriebsoptionen zur Wahl mit Motoren, die jeweils bis zu 430 PS leisten sowie einem elektrisch betriebenen Aggregat. Wir würden arg untertreiben, wenn wir feststellen, dass uns das interessiert!

Beide Rennboote profitieren von einer umfangreichen  Restaurierung, die Colombi  als bekennender Perfektionist kurz umreißt. „Der Prozess beginnt mit der Demontage des Boots ehe es komplett in den ursprünglichen Werksfarben neu lackiert wird. Alle Stahlelemente wie die Windschutzscheibe, Poller und Kanten werden ersetzt. Dann werden neue hydraulische und technische Systeme eingebaut, wobei wir alle originalen Instrumente und Bedienelemente erhalten, um jene authentische Patina zu erzeugen. Schließlich gibt es innen wie außen eine umfassend neue Polsterung. Danach wird das fertige Boot ausgiebig auf dem Lago d`Iseo von unseren technischen Experten geprüft, um dann an den Kunden ausgeliefert zu werden.“

Sollten Sie sich gefragt haben, wie hoch sich die Kosten dieser Verwandlung belaufen, hier eine ungefähre Größenordnung: Für ein Spenderboot aus anderer Quelle oder von The Restorer selbst muss man rund 30.000 Euro investieren, je nach gewählter Spezifikation kostet die Restaurierung sowie die Überarbeitung oder der Ersatz der Motoren zusätzlich 160.000 – 200.000 Euro.

Hier, auf den verführerische blauen Gewässern vor Sardinien, die schon in den achtziger Jahren  sonnenverwöhnte, champagnerselige Offshorer-Eigner anlockten, ist die erste Connaisseur von The Restorer eine atemberaubende Erscheinung. Als eine von nur vier Offshorer, die ursprünglich mit den leistungsstarken und charaktervollen BPM Marine-Motoren aus Verona ausgestattet waren, kam es dem Jetset-Besitzer dieses Exemplars überhaupt nicht in den Sinn, auf sie zu verzichten. 

Während unseres vergnüglichen Tages vor der Costa Smeralda kam die „gespaltene“ Persönlichkeit der Offshorer zum Vorschein. In einem Augenblick fliegt man über die Wellen mit einer Geschwindigkeit, die selbst abgehärtete Adrenalin-Junkies jubeln lässt und kurvt wendig auf einer Art und Weise über das Wasser mit Manöver, die man bei einem Boot dieser Größe nie für möglich gehalten hätte. Und im nächsten setzt man den Anker, schaltet die Motoren aus, räkelt sich mit den Liebsten in der Sonne, umgeben vom sanften Plätschern der kleinen Wellen gegen den leicht wippenden Rumpf. Schiere Lebensfreude. Kann man eigentlich auf eine stilvollere Art relaxen?

Automobile Restomods, deren Vorreiter beispielsweise Singer Vehicle Design in Kalifornien und Alfaholics in Großbritannien sind, erlebten in den letzten Jahren einen wahren Boom. Nicht zuletzt, weil ihre Schöpfer exquisite Designdetails mit moderner, verlässlicher Leistung vermählten – Eingriffe, die schlicht unmöglich waren, als seinerzeit diese heutigen Klassiker gebaut wurden. The Restorer verfolgt ein ähnliches Konzept, wobei Colombi nicht überzeugt ist, dass sich die maritime Szene diesen Trend zu eigen macht. „Verschiedene Unternehmen haben Boote dem „Restomod“-Prozess unterzogen, aber unsere Philosophie ist insofern einmalig, weil wir die Ursprünglichkeit des Designs erhalten und alles andere modernisieren.“

Rennboot aus den achtziger Jahren wie eben zum Beispiel die Offshorer faszinieren seit geraumer Zeit auch die Menschen in den sozialen Medien. Eine Entwicklung, die uns nicht überrascht, denn die Fotos lassen Bilder im Kopf entstehen von schönen, sonnenverwöhnten Menschen, Meereslandschaften verbunden mit einem frechen, trockenen Humor, der die geradezu aufreizende Extravaganz dieser Epoche umspielt. Aber für Colombi reicht dieses neu entfachte Interesse weiter als Nostalgie für ein vergangenes Lebensgefühl. „Diese Boote strahlen eine einzigartige Eleganz und Verheißung aus, trotzdem ist die konstruktive Qualität sehr hoch. Da sie aus Fiberglas hergestellt wurden, ist ihre Pflege auch nicht aufwendig,“ resümiert er.

Diesen maritimen Ikonen eine Renaissance ihres früheren Glanzes und eine Wiederkehr zu ihren mondänen Ferienorten zu bescheren, bedeutet aber auch, dass Colombi tatsächlich einen nachhaltigen Ansatz verfolgt, denn er vermeidet die Verschwendung, die durch die Konstruktion neuer Fiberglas-Rümpfe entsteht und die potenzielle Umweltbelastung durch die Entsorgung existierender, nicht mehr einsetzbarer Boote. „Warum, um Himmels Willen, sollte man ein neues Boot kaufen wollen, wenn da draußen so viele schöne und faszinierende Exemplare warten. Speziell, wenn sie so überzeugend sind, wie die MonteCarlo Offshorer.“ Wir hätten es selbst nicht besser formulieren können, Giorgio! Und wo, bitte, ist der nächste Weg zur Côte d`Azur?

Fotos: Andrea Luzardi für The Restorer © 2020

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