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Der T14 LS war das Abschieds-Geschenk von Talbot-Lago an die Autowelt

Talbot-Lago gehört zu den größten, heute aber weitgehend in Vergessenheit geratenen französischen Sportwagenbauern. Dieser bei der Aguttes Summer Sale zur Versteigerung kommende T14 LS von 1957 dient als Erinnerung an die Brillanz der illustren Marke.

Wer sich in den 1950er-Jahren nach einem Sportcoupé umsah, hatte die Qual der Wahl. Für Privatfahrer war es eine goldene Ära, in der man im Idealfall am Freitagnachmittag ein Auto aus dem Showroom kaufen und es am nächsten Morgen zum Training an einer Rennstrecke anmelden konnte. Um dann am Sonntag gegen die heißesten Geräte von Jaguar, Ferrari, Maserati, AC und sogar einen dieser seltsamen, neumodischen Porsche mit Heckmotor das Rennen zu bestreiten. Viele der Protagonisten aus dieser Zeit sind jedoch inzwischen in Vergessenheit geraten, speziell bei jüngeren Petrolheads unter unseren Lesern.

Daher ein kurzer Blick zurück an den Anfang des 20. Jahrhunderts. Das 1902 gegründete anglo-französische Unternehmen Clément-Talbot erlebte ausgerechnet zu einer Zeit, in der die Beliebtheit des Automobils deutlich zunahm, turbulente Anfangsjahre. Der Erste Weltkrieg führte zu einer erheblichen Einschränkung der Geschäftstätigkeit, und kurz nach dessen Ende ging das Unternehmen in STD Motors (Sunbeam-Talbot-Darracq) auf. Nach dem finanziellen Kollaps von STD im Jahr 1935 übernahm die britische Rootes-Gruppe den englischen Unternehmensteil und nannte ihn in Talbot-Sunbeam um. Zugleich kaufte der wegen eines Streits mit Diktator Mussolini nach Frankreich geflüchtete italienische Industrielle Antonio Lago das Pariser Werk von Talbot – und gründete im Pariser Vorort Suresnes die neue Marke Talbot-Lago.

Unter der Führung von Antonio Lago (später besser bekannt als Anthony Lago oder Tony Lago) engagierte sich Talbot sowohl im Sportwagen- als auch im Grand-Prix-Sport und erwarb sich noch vor dem Zweiten Weltkrieg schnell einen Ruf als Hersteller einiger der besten Luxus- und Rennwagen der Welt. Modelle wie das T150 SS Teardrop Coupé mit Karosserie von Figoni & Falaschi gehören zu den schönsten Automobilen aller Zeiten, während der erstmals 1948 in Monaco eingesetzte und nach den Regeln der neuen Formel 1 konzipierte T 26C bis zum Beginn der 1950er-Jahre zu den erfolgreichsten Monoposti zählte. Eine zweisitzige  Variante, der T26 GS mit Kotflügeln und Scheinwerfern, gewann 1950 mit der Vater-und-Sohn-Besatzung Louis und Jean-Louis Rosier sogar die 24 Stunden von Le Mans.

Talbot-Lago behauptete sich auf höchstem Niveau sowohl im Motorsport als auch im Segment für Luxusautos – gegen Marken, die noch heute in aller Munde sind. Doch während im Motorsport bald andere Hersteller den Ton angaben, erwies sich die Einführung einer Art Luxusteuer auf Fahrzeuge mit einem Hubraum von über 2,6 Litern durch die französische Regierung als Todesurteil – 1959 musste Talbot-Lago die Tore schließen und wurde von Simca übernommen. Doch ehe es soweit war, kam mit dem Talbot Lago T14 LS noch einer der majestätischsten Sportwagen jener Zeit auf den Markt. 

Dieses bezaubernde Exemplar aus dem Jahr 1957 mit Chassisnummer 140038 ist eines der letzten 54 Exemplare des T14 LS und damit einer der letzten „echten“ Talbot-Lago, die jemals gebaut wurden. Mit seinem Gitterrohrrahmen-Chassis unter der von Carlo Delaisse entworfenen Karosserie war dieser tief liegende Sportwagen bei Marktstart mehr als zweieinhalb Mal so teuer wie ein Citroën DS. Unter der Haube arbeitete ein hauseigener 2,5-Liter-Vierzylinder mit 120 PS, angebunden an ein Pont-à-Mousson-Getriebe. Er erfüllte alle Erwartungen, die man an ein Modell dieses Jahrgangs stellt, zumal das Design viele Elemente des legendären Talbot T26 Grand Sport Lago aufgriff.

Der hier gezeigte T14 LS (für Lago Sport) — er wird am 23. Juni in Paris bei der Sommer-Auktion von Aguttes versteigert — wurde 1967 von seinem Vorbesitzer gekauft. Ein damals 20-jähriger Enthusiast, der das Auto nur 1.500 km fuhr und es dann 40 Jahre lang einlagerte. Erst Mitte der 2010er-Jahre kaufte ihm einer seiner Freunde das Auto ab und beschloss, es unter Wahrung der ursprünglichen Spezifikation einer Totalrestaurierung zu unterziehen. Heute fühlt sich der prächtige Lack in Radiose-Grau fast noch feucht an, während die beigefarbene Original-Innenausstattung trefflich erhalten und aufgearbeitet wurde. Die verchromten Robergel-Drahtspeichenräder präsentieren sich ebenso makellos wie der prächtige Motorraum, auf dessen Zylinderkopf-Deckeln stolz der Schriftzug „Talbot-Lago“ prangt.

Insgesamt befindet sich die Fahrgestellnummer 140038 in einem hervorragenden Erhaltungszustand und ist ein fantastischer Botschafter seiner Generation. Die Summer Sale Auktion von Aguttes bietet eine seltene Gelegenheit, einen der letzten Vertreter der großen französischen Vorkriegsmarken zu erwerben. Zugleich ist dieser T14 eine ausgezeichnete Wahl für jeden, der an den schönsten Rallyes oder Concours teilnehmen möchte. Die Marke Talbot-Lago ist schon lange verschwunden, aber Autos wie dieser T14 sorgen dafür, dass sie nie in Vergessenheit geraten wird.

 

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