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Ferrari FF vs. Jensen FF: Fast Forward to St. Moritz

Wie sollte ein Jensen FF – 1966 der erste GT-Sportwagen mit Allrad – dem 660 PS starken, 335 km/h schnellen Ferrari FF, dem Allrad-Allstar aus Maranello, das Wasser reichen? Andererseits konnten wir der Versuchung, gleich zwei FF durchs verschneite Engadin zu jagen, einfach nicht widerstehen.

Unser Abenteuer beginnt in Zürich. Am Steuer eines Jensen FF aus den späten Sechzigerjahren fändeln wir uns aus der Stadt. Über Chur, und später die berühmten Serpentinen des Julierpasses, werden wir heute ins Engadin reisen. Final Destination: St. Moritz, Winterdomizil der Reichen und Schnellen. Beim Cresta Run, beim Monobob, beim Skifahren oder beim Polo auf dem gefrorenen See – überall zählt das absolute Tempo, der Rausch der Geschwindigkeit auf Eis und Schnee! Nur bei der Anreise über verschneite Bergpässe werden die Sportsmann meist vom Winterwetter ausgebremst. Schnell, aber leider nicht wintertauglich – so hieß es bei den meisten Sportwagen, die in den Sommermonaten noch die Alpen beherrscht hatten. Doch zum Glück gibt es Ausnahmen.

Ferrari FF vs. Jensen FF: Fast Forward to St. Moritz
Ferrari FF vs. Jensen FF: Fast Forward to St. Moritz Ferrari FF vs. Jensen FF: Fast Forward to St. Moritz


Der Jensen FF war im England des Jahres 1966 der erste GT-Sportwagen mit Allrad-Antrieb – 14 Jahre vor dem Audi Urquattro! Und wer selbst noch nicht das Vergnügen hatte: Das Fahrgefühl liegt irgendwo zwischen einem Aston Martin V8 aus den Siebzigerjahren und einem modernen Bristol. Für ein Auto aus den West Midlands ein großes Kompliment, sicherlich. Aber glauben Sie mir – der Wagen lässt sich angesichts seiner Semester wirklich tadellos durch die Schweizer Bergstraßen bewegen! Was ebenfalls für den Jensen spricht, sind die angenehme Fahrposition, der große Gepäckraum unter der charakteristischen gläsernen Heckscheibe und eine zweite Sitzreihe, auf der man zumindest kürzere Strecken gut überdauern kann. Und egal ob auf der Autobahn oder in den Haarnadel-Kurven zwischen Savognin, Bibio und schließlich am Julierpass – der amerikanische Achtzylinder mit seinen blubbernden 6,3 Litern Hubraum ist der Aufgabe vollauf.

 

 

Ferrari FF vs. Jensen FF: Fast Forward to St. Moritz
Ferrari FF vs. Jensen FF: Fast Forward to St. Moritz Ferrari FF vs. Jensen FF: Fast Forward to St. Moritz


Wobei: Bei 2.284 Metern stößt der Vergaser langsam an seine Grenzen – was gäbe man hier oben doch für eine moderne Einspritzung? Dreht man die Uhr jedoch um gute 40 Jahre zurück, hätten hier auch die Exoten von Aston Martin oder Maserati mit ihren Weber-Vergasern nach Luft geschnappt. Einen bedeutenden Vorteil hätte der Jensen jedoch damals schon gehabt: Auf verschneiten Gebirgsstraßen, bei -10° Celsius, hätten die Flachland-Sportwagen wohl kaum eine Chance gehabt gegen das innovative Allrad-System, die „Ferguson Formula“, kurz: FF.

 

 

Ferrari FF vs. Jensen FF: Fast Forward to St. Moritz
Ferrari FF vs. Jensen FF: Fast Forward to St. Moritz Ferrari FF vs. Jensen FF: Fast Forward to St. Moritz


Am Ortseingang in St. Moritz dann das Rendezvous mit einem völlig anderen Ausnahme-Sportwagen namens FF – den brillianten „Ferrari Four“ mit seinen vier Sitzen und vier Antriebsrädern. Im Frühjahr 2011 war das Zwölfzylinder-Topmodell in Genf enthüllt worden, kurz darauf hatten wir in den Dolomiten bereits die erste Testfahrt absolviert . Ein Jahr später hat sich der Eindruck von damals noch verfestigt: Der FF ist ein Ferrari wie kein anderer zuvor! Mit Sitzplätzen, auf denen vier Erwachsene auch auf längeren Strecken bequem reisen können, und einem leichten und intelligenten Allradantrieb. Bei Trockenheit wird die Kraft des Motors wie für Ferraristi gewohnt über die Hinterräder auf den Asphalt gebracht – erst wenn die Traktion auf Eis oder Schnee nicht mehr reicht, wird via Doppelkupplungsgetriebe und die sogannte Power Transfer Unit soviel Leistung wie nötig auf die Vorderräder geleitet.

 

 

Ferrari FF vs. Jensen FF: Fast Forward to St. Moritz
Ferrari FF vs. Jensen FF: Fast Forward to St. Moritz Ferrari FF vs. Jensen FF: Fast Forward to St. Moritz


Das Ergebnis ist absolut beeindruckend. Trotz der geballten Kraft aus 6,3 Litern Hubraum, 660 PS und zwölf Zylindern kann der Ferrari FF auf einer geschlossenen Schneedecke mit völliger, ja schlafwandlerischer Sicherheit gefahren werden! In dieser Form kann das derzeit wohl kein zweiter Supersportwagen von sich behaupten. Dabei haben die Entwickler auch beim Motor das passende Maß gefunden: Denn während 458 Italia und 599 GTB ihre Kraft in die brutalstmögliche Beschleunigung umwandeln, bleibt der V12 des FF souverän und baut seine Performance mit steigender Drehzahl immer dramatischer auf. Die Nadel des Drehzahlmessers bei diesem Spiel zu beobachten, während man durch die Bergwelten des verschneiten Engadins fliegt und die Temperaturanzeige auf -12° Celsius hinab klettert, ist wahrlich ein unvergessliches Erlebnis. Das superschnelle Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe und die Lenkung – leichtgängig, aber direkt – runden diese Erfahrung ab.

 

 

Ferrari FF vs. Jensen FF: Fast Forward to St. Moritz


Oh Boy, und dieser Ferrari zieht: Suchen Sie sich eine möglichst weite und freie, schneebedeckte Fläche, stellen Sie das Manettino auf „Snow“ und treten Sie das Gaspedal durch! Wenn sich im Rückspiegel eine Pulverschnee-Wolke erhebt und Sie wie von einer Lawine getrieben nach vorne stoßen, haben Sie alles richtig gemacht. Hinauf geht die Fahrt in Richtung Bernina Pass, der einen durch weiße Weiten bis nach Italien führen würde. Im Rückspiegel verschwindet St. Moritz – mit den Reichen und Schnellen hat auch der Ferrari FF sein Wintersport-Debüt gegeben. Der „andere FF“ dagegen hat uns eindrucksvoll demonstriert, was die britische Automobilindustrie einst auf die Räder stellen konnte – heute ist der Jensen vor allem Eines: das wahrscheinlich stilvollste Accessoire, mit dem man sich auf den Pisten des Engadin sehen lassen kann.

 

Produktion & Fotos: Jan Baedeker
Video: Kai Klinke