Heute ist Alfa Romeo ein Synonym für atemberaubend schöne Karosserien und puren Fahrspaß, doch nach dem Zweiten Weltkrieg waren die Produktionsstätten im Mailänder Portello-Viertel in Schutt und Asche gelegt. Nur ein kleiner Teil des Maschinenparks war zum gut 20 Kilometer westlich des Lago Maggiore gelegenen Ortasees in Sicherheit gebracht worden, ehe die Kampfhandlungen den Rest zerstörten. Nachdem die Montagebänder teilweise wieder aufgebaut worden waren, konnte der Bau der Straßenfahrzeuge langsam wieder anlaufen. Doch wie sah es mit dem Rennsport aus, dem Herzblut von Alfa Romeo? Da selbst Enzo Ferrari mit dem 6C 2500 tipo 256 – gebaut für die Mille Miglia und Le Mans von 1939/40 – keinen Erfolg hatte, gab Alfa 1946 das Ziel aus, zu altem Rennruhm zurückzukehren.
Vorhang auf für Giampiero Bianchetti, ein Mailänder Industrieller und Gentleman-Fahrer, der 1948 an der Mille Miglia teilnehmen wollte und aus diesem Grund bei Alfa Romeo ein „rollendes“ Chassis orderte, auf dessen Basis ein einzigartiger Sportwagen entstehen sollte. Die F&E-Abteilung von Alfa lieferte ihm einen C46 „Competizione“-Motor mit Trockensumpfschmierung, der Bianchetti eine beeindruckende Leistung von 145 PS bei 5.000 U/min bescherte. Im Gegensatz zu den Rennwagen des Werksteams, die als Berlinettas (Coupés) gebaut wurden, beauftragte Bianchetti die Carozzeria Colli, die auch die Karosserien der Werksrennwagen herstellte, mit der Anfertigung eines „Spider“-Bodys.
Nach Testfahrten mit dem bekannten Werksfahrer Consalvo Sanesi, die Alfa wertvolle Erkenntnisse auch für die im folgenden Jahr auf den Markt kommenden eigenen Rennwagen lieferten, ging der einzigartige Colli Spider auf die Rennstrecken Europas. Bianchetti vergeudete keine Zeit, um in seinem Alfa Lorbeeren einzufahren. Im Juli 1947 belegte er den zweiten Platz in seiner Klasse und Platz sechs im Gesamtklassement der Coppa delle Dolomiti, und nur einen Monat später gewann er als Fünfter der Gesamtwertung bei der Coppa Acerbo auf dem Kurs von Pescara die Sportwagenklasse über zwei Liter Hubraum; gefolgt von zwei weiteren zweiten Plätzen. Die Saison 1948 war sogar noch erfolgreicher: Bianchetti fuhr seinen Colli Spider 1948 nicht weniger als fünf Mal zum Sieg, unter anderem gewann er bei der Targa Florio erneut seine Klasse (Platz 12 im Gesamtklassement) und sein wohl größter Erfolg folgte bei der Mille Miglia von 1948: Platz sechs in der Gesamtwertung und Platz eins in der Klasse, was ihm die italienische Sportwagenmeisterschaft einbrachte.
Nachdem sich Bianchettis Träume erfüllt hatten (und er auf einen Ferrari 166 umgestiegen war), gelangte der Colli Spider in die USA, wo er tragischerweise bei einem Brand zusammen mit vielen anderen historischen Automobilen zerstört wurde. Schließlich kehrte der noch immer derangierte Alfa 1997 nach Italien zurück, wo er zwischen 2002 und 2006 in mühevoller Kleinarbeit nach Original-Colli-Entwürfen restauriert wurde. Seitdem nahm das Unikat zur Freude der stolzen Tifosi von 2016 bis 2023 jedes Jahr an der Mille Miglia teil. Jetzt befindet sich der einmalig schöne Colli Spider in der Betreuung bei Messina Classics, deren Experte Christian M. Hembry sich auf die Beratung und das Sammeln von Prototypen & einzigartige Sonderfahrzeuge, wie diesem Alfa, spezialisiert hat.
Fotos: Max Zappolino