Der flamboyante Stil des französischen Automobildesigns erntete schon immer große Bewunderung. Neben den extremen Stromlinien-Modellen der unmittelbaren Vorkriegs-Zeit traf dies besonders auf die 50er- und frühen 60er-Jahre zu. Von Talbot-Lago bis Delahaye besaßen diese Juwelen eines goldenen Zeitalters immer das gewisse Etwas. Ein je ne sais quoi, das alle faszinierte und inspirierte, die die Gegenwart dieser Modelle genießen durften. Unter all diesen Delikatessen war es jedoch vor allem der Facel Vega, der vor den angesagten Clubs vorfuhr und den die wahre Prominenz schätzte – von Ava Gardner über Ringo Starr, Tony Curtis, Maurice Trintignant, den Schah von Persien und den König von Marokko bis hin zum großen Stirling Moss. Sie alle bestellten ein Exemplar jener handgefertigten Autos, die von der britischen Motorpresse Ende der 50er-Jahre nach Rolls-Royce als „the second best car in the world" gerühmt wurden. Was ja schon was heißen will.
Aus bescheidenen Anfängen
Der Name „Facel" leitete sich aus den Anfangsbuchstaben von Forges et Ateliers de Construction d'Eure-et-Loir ab (Werkstätten und Entwurfs-Ateliers im Departement Eure-et-Loir). Eine kleine, 1939 gegründete Fabrik für Stanzteile aus Metall, zunächst für Küchenmöbel, dann für Flugzeuge, später für Autokarossen. Nach überstandenen Kriegswirren ergab sich für Facel die Gelegenheit, für Hersteller wie Ford (France) und die daraus entstandene Marke Simca, aber auch für Panhard, Delahaye und sogar Bentley Karosserien in kleinen Serien zu bauen. Firmenchef Jean Daninos, vor dem Krieg schon als Konstrukteur bei Citroën tätig, baute sich 1951 auf dem Chassis eines Bentley sogar ein eigenes und sehr elegantes Auto auf, das er auch privat nutzte.
Davon ausgehend erwuchs bei Daninos der Wunsch, all diesen Marken Konkurrenz zu machen. Woraus dann zunächst 1955 der Facel Vega FV und 1958 der HK500 entstand. Das Kürzel stand für ein Leistungsgewicht von 5 kg/PS. Mit dem in einem Rohrrahmen-Chassis eingehängten 6,3 Liter Chrysler Hemi V8 mit 355 Brems-PS und wahlweise Viergang-Schaltgetriebe oder bewährter Powerflite Automatik folgte der Antriebsstrang des HK500 amerikanischen Formeln. Das war konventionell, nicht jedoch der Überbau aus Stahl...
Ein Franzose mit amerikanischen Genen
Das Design des HK 500 ließ sich am ehesten als Mischung zwischen einer amerikanischen Limousine und einer Art Deco Skulptur beschreiben. Ein kräftiger, zuverlässiger und – vor allem – luxuriöser Viersitzer mit jenem schicken Charakter, der damals en vogue war. Obwohl schon der HK 500 weit davon entfernt war, Massenware zu sein, hob dann das hier gezeigte V8-Nachfolgemodell Facel II 1961 das unverwechselbare Facel Vega-Design nochmals auf ein höheres Niveau. Dank eines schwungvolleren und stromlinienförmigeren Profils sowie unter einem gemeinsamen Deckglas zusammengefassten senkrechten Doppelscheinwerfern führte der Facel II die Marke direkt ins Jet-Zeitalter. Ausgewählte Designfeatures des HK500 wurden übernommen, wie das großzügige Glashaus und ein Interieur, das gleichermaßen an ein Flugzeug-Cockpit wie einen Jazz-Club erinnerte. Dazu kamen Rückleuchten, die wie die Diamanten der allerfeinsten Uhren in die Heckflossen eingesetzt waren. Nur 184 Facel II wurden zwischen 1962 und 1964 produziert, Prototypen mit eingerechnet. Das war einfach zu wenig zum Überleben, und so blieb Jean Daninos der Weg zum Konkursrichter nicht erspart. Es folgte am 31. Oktober 1964 die Schließung des Werkes, das in zehn Jahren ganze 2900 Autos hergestellt hatte. Ein fraglos trauriges Ende der Facel Vega-Story, doch ein Blick über die Kurven und Kanten dieser franco-amerikanischen Schönheit dürfte jeden Anflug von Melancholie schon im Ansatz vertreiben.
Mix aus US-Limo und Art Deco-Skulptur
„Die Linien des Facel II sind meiner Meinung nach auch mehr als 50 Jahre nach seinem Debüt so elegant und stilvoll wie am ersten Tag", erklärt uns Jasper Beukenkamp von JB Classic Cars, der uns seinen Facel Vega Facel II von 1963 für die Fotoproduktion zur Verfügung gestellt hat. "Wenn man hinter dem Lenkrad sitzt und den Blick über die Armaturen mit all ihren Schaltern schweifen lässt, fühlt man sich fast wie in einem Flugzeug-Cockpit. Dank des kleinen Daches und der großen Fenster ist es im Innenraum auch sehr hell. Und dann ist da natürich noch der wunderbare V8, der genug Leistung und Drehmoment besitzt, um einen am Freitag entspannt von Paris bis nach Südfrankreich zu bringen.“
C’est la vie
„Was mich an Facel Vega am meisten fasziniert", so führt Jasper Beukenkamp weiterhin aus, "ist die Willenskraft eines einzelnen Mannes, seinen Traum zu verwirklichen und sein eigenes Auto zu konstruieren. Ein Auto, wohlgemerkt, das bis heute eine unglaubliche Eleganz besitzt. Wir haben in unserer Werkstatt meist an acht bis zehn Facel Vega – und noch immer fühlt es sich wie ein besonderes Privileg an, diesen seltenen Automobilikonen zu arbeiten. Wenn man sich die spärlichen Produktionszahlen eines Facel II ansieht und mit dem damaligen Modellen von Ferrari und Aston Martin vergleicht, scheint der Facel Vega bis heute unterschätzt zu werden – auch was die Wertentwicklung betrifft.“
Fotos: Rémi Dargegen für Classic Driver © 2017