Kalifornische Liebschaften
Er wäre ja nicht der erste, der beim Schüleraustausch die Liebe seines Lebens kennenlernt. Im Fall von Hanno Hagen war es aber kein California Girl. Der 17-jährige Schüler entdeckte in den Straßen von San Francisco etwas anderes: seinen Traumwagen, ein Porsche 356 A 1600 Coupé. „Ich sage immer, er ist mir zugelaufen”, erzählt Hagen, „Meine Eltern, die zu Besuch waren, und ich saßen im Auto. Plötzlich bemerkte meine Mutter einen schönen alten Jaguar. Meine Vater und ich konnten sie dann doch davon überzeugen, dass es ein Porsche war.” Der Besitzer, vor dessen Haus das Porsche 356 Coupé parkte, kam dazu und lies tatsächlich sich überzeugen, sein gutes Stück zu verkaufen. „Noch dazu war es unser letzter Tag in der Stadt! ” Monate später kam dann der Porsche per Container in Deutschland an und Hanno hatte für die nächsten acht Jahre alle Hände voll zu tun. Das ist mittlerweile elf Jahre her. Aus dem Schüler ist ein Zahnarzt geworden, aus dem lädierten Porsche ein selten schönes Juwel.
Ein Käufer ohne Führerschein
„Der Motor ließ sich zwar noch starten,” erinnert sich Hanno Hagen an die Umstände dieser schicksalhaften Begegnung. „Aber vom Innenraum aus konnte man bis auf die Straße durchsehen. Außerdem muss er auch einen Unfall gehabt haben, denn die Karosserie an Front und Heck war ziemlich lädiert.” Der Porsche muss eine lebhafte Vergangenheit gehabt haben, denn Hanno konnte später vier Vorbesitzer ausfindig machen. Für den jungen Mann - damals noch ohne Führerschein - bliebe der Kauf eines solchen Autos in teurem Topzustand ein Traum. Doch schon als kleiner Junge hatte er seinem Vater, einem passionierten Hobby-Schrauber mit eigener Werkstatt, dabei geholfen, die Bandbreite von Moped bis Klassiker wieder flott zu machen. Was vermutlich auch erklärt, weswegen Hagen Senior nicht die Hände über dem Kopf zusammenschlug, als sein Sohn darauf bestand, den Porsche vom Fleck weg zu kaufen.
Acht Jahre für einen Traum
Im Lauf der nächsten acht Jahre wurde der historische Porsche komplett auseinander genommen - inklusive Vierzylindermotor - und neu aufgebaut. „Man könnte sagen, dass der 356 zu 100 Prozent aus Originalteilen besteht,” erzählt Hanno Hagen. „Aber beim Ausbau des Motors haben wir festgestellt, dass er wohl schon früher einmal ausgetauscht worden war. Also kein Fall von Matching Numbers.“ Natürlich hatte das Vater-Sohn-Team, dass zum Beispiel auch die Armaturentafel auseinander baute und aufgefrischt wieder einsetzte, daneben auch fachkundige Hilfe, wenn die Eigenregie an Grenzen stieß. Für knifflige technische Probleme standen die Porsche-Spezialisten von Boxer Motors in Dotternhausen zur Seite, die auch die Karosserieschäden ausbessern konnten. Ein Sattler kümmerte sich um die Restaurierung der Lederbestuhlung im Innenraum. „Um das alles bezahlen zu können, habe ich als Schüler und Student dazu verdient. Mein Deal mit Boxer Motors war, dass die Instandsetzung den Marktwert eines solchen Klassikers nicht übersteigen sollte.” Das ist auch gelungen, aber im Lauf der Zeit hat Hanno Hagen dennoch rund 70.000 Euro in sein Liebeswerk investiert.
Eine Rarität in Fjordgrün
Der 356 A ist heute nicht nur in bestechendem Zustand, es stellte sich auch heraus, dass es ein besonders seltenes Exemplar seiner Gattung ist. Denn der 28-jährige wandte sich auch an die Experten bei Porsche Classic in Zuffenhausen, um die Historie des Coupés zu erforschen. Er erfuhr, dass sein Porsche 356 A, Baujahr 1958, seinerzeit vom berühmten US-Importeur Max Hoffmann verkauft wurde und als sogenanntes Zwittermodell gilt, das den Übergang zwischen den 356er-Modellreihen A zu B markiert. Wie damals leuchtet das 75 PS starke Coupé heute in der ursprünglichen und seltenen Spezifizierung Fjord-Grün mit cognacbraunem Leder im Interieur. „Ich habe sogar ein Zertifikat,” sagt Hanno nicht ohne Stolz. Wobei verkaufen natürlich überhaupt nicht in Frage käme, zumal er mit seinem Liebling bereits die Schauinsland-Rallye mit dem zweiten Platz abgeschlossen hat.
Nach dem Projekt ist vor dem Projekt
Doch was tun, wenn man den Lebenstraum erfüllt hat und der Porsche jederzeit fahrbereit in der Garage wartet? Hanno Hagen spielt derzeit mit dem Gedanken, ein altes Motorrad zu einem Café Racer umzubauen.
Fotos: Frederik Dulay / Postproduktion: Manuel Wagner