Wenn es wieder einmal donnert am Mont Ventoux...
Wenn es wieder einmal donnert am Mont Ventoux, am Himmel jedoch keine Wolke zu sehen ist, wundern sich die Bewohner des südfranzösischen Carpentras schon lange nicht mehr: Das ist doch bloß Monsieur Rondoni, der einen seiner Achtzylinder-Bugatti-Motoren testet. Seit seinen Kindertagen war Laurent Rondoni fasziniert von Technologie, Mechanik und Ingenieursarbeit. Die ersten Erfahrungen sammelte er in der Metallverarbeitungsfirma seines Vaters, die Dosen herstellte. Anfang der 1980er Jahre hatte er jedoch ein Erlebnis, das sein Leben verändern sollte: Ein Freund lud ihn ein, ihn zu einem Treffen für klassische Automobile zu begleiten – in einem Bugatto Type 35. Für Rondoni ist es ein Erweckungserlebnis, der Klang des mythischen Achtzylinders macht ihn sprachlos. Kurzum entschließt er sich, seine Passion für Motorentechnik zum Beruf zu machen und sich fortan den mechanischen Welten der 1920er und 1930er Jahre zu widmen. Zusammen mit seinem Freund gründet er 1989 seine eigene Werkstatt - Ventoux Moteurs Ingénierie.
Ein besonderer Freund
Man muss dazusagen, dass dieser Freund eine außerordnetliche Privatsammlung klassischer Automobile besitzt und Laurent Rondoni fortan mit den besten Werkstätten und wichtigsten Sammlern der Welt vertraut macht. Rondoni ist ein Perfektionist und seine Firma wird schnell zu einem wichtigen Anlaufpunkt für Besitzer historischer Automobile mit besonders anspruchsvoller Mechanik. Bald stehen auf dem Hof seltene Bugatti, Voisin, Hispano-Suiza, Delage, Panhard, aber auch Ferrari-Rennwagen, deren Motor restauriert oder erneuert werden soll. Dank eines großen Archivs von Bugatti-Originalplänen spezialisiert sich Ventoux Moteurs Ingénierie bald nicht nur auf die Beschaffung, sondern auch auf die detailgenaue Rekonstruktion von Originalteilen, die sich nur mit speziellstem Werkzeug und großer Fachkenntnis herstellen lassen.
Das Erbe von Ettore Bugatti
Wer den ungewöhnlichen Betrieb unweit von Avignon besucht, sollte dennoch keinen aufpolierten Rennstall voller Bugatti-Grand-Prix-Rennwagen erwarten. Die kleine Werkstatt ist vielmehr ein mechanischer Dschungel aus Werkzeugen, Drehmaschinen, Bohrern und Fräsen, Nockenwellenverstellern und zahlreichen weiteren geheimnisvollen Maschinen. In manchen Räumen stapeln sich die Motorblöcke mit vier, acht, zwölf oder sechzehn Zylindern zusammen mit Kolbenstangen, sauber aufgereihten Ventilen und einigen beeindruckenden Kurbelwellen. Wer zu Rondoni kommt, der Betritt eine Welt des Metalls. So muss es damals ausgesehen haben, in der Motorenfertigung von Bugatti in Molsheim.
Wie ist es wohl, in solch einer Umgebung aufzuwachsen? Raphaël Rondoni, der Sohn der Motoren-Meisters, hat in diesem mechanischen Paradies seine Kindheit verbracht. Auch ihn packte der Virus, er wurde Motoreningenieur in der Formel 1, betreute Langstreckenrennwagen und war sogar fünf Mal bei der Rallye Paris-Dakar dabei. Doch eines Tages kam für ihn der Punkt, zu seinen Wurzeln zurückzukehren und zusammen mit seinem Vater in der Werkstatt zu arbeiten. Wenn Laurent Rondoni in den Ruhestand tritt, wird sein Sohn die Arbeit mit der selben Begeisterung und Präzision übernehmen – und mit dem selben Ziel: Das Werk von Ettore Bugatti fortzuführen, die atemberaubende mechanische Logik dieser Zeit zu erhalten und selbst die anspruchsvollsten Kunden glücklich zu machen.
Mehr als 300 Motoren in 25 Jahren
In 25 Jahren wurden bei Ventoux Moteurs Ingénierie mehr als 300 Motoren restauriert – vor allem natürlich Bugatti-Triebwerke wie der H-16-Zylinder des Bugatti Type 45 aus dem Museum in Molsheim, aber auch andere komplizierte Aggregate wie etwa der Vierzylinder-Rennmotor eines Ferrari 750 Monza. Es ist zu hoffen, dass der Rondoni-Familie ihre Begeisterung für die Sternstunden der automobilen Mechanik noch lange erhalten bleiben wird.