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Ist dies der vergessene fünfte Gruppe-B-Ferrari 308 GTB von Michelotto?

In den Geschichtsbüchern ist die Rede von nur vier offiziell bei Michelotto aufgebauten Gruppe-B-Ferrari 308 GTB. Nun ist dieses einst vergessene „Cavallino Rampante“ der fahrende Beweis dafür, dass es ein fünftes Exemplar gab. Das jetzt auf dem Weg zu Aguttes‘ Tour Auto Auktion ist.

Die roten Renner aus Maranello werden normalerweise nicht mit Schotterpisten und asphaltierten Rallye-Prüfungen in Verbindung gebracht. Doch Ende der 1970er-Jahre begann Ferrari, sich für diese wortwörtlich „schmutzigere“ Disziplin des Motorsports zu interessieren. Dazu holte man sich Unterstützung von Michelotto, einem zum Rallye-Spezialisten umfunktionierten Ferrari-Händler, der bereits sein Können bei der Entwicklung der Rallye-Version des Lancia Stratos unter Beweis gestellt hatte.

Als Rallye-Waffe wählte Ferrari den 1975 auf dem Pariser Salon vorgestellten 308 GTB. Im Gegensatz zu den V12-Berlinetta des Hauses verfügte der 308 GTB über einen quer hinter dem Fahrer montierten V8, was der Gewichtsverteilung und dem Kurvenverhalten zugutekam. Dank der Rohrrahmenkonstruktion konnte die Serienkarosserie zudem relativ einfach durch leichte Kunststoffpaneele ersetzt werden.

Michelotto begann mit dem Bau von elf Gruppe-4-Varianten, die sich schnell als furchteinflößende Konkurrenten auf europäischen und bevorzugt asphaltierten Rallye-Etappen erwiesen. Jean-Claude Andruet sicherte Ferrari 1982 mit dem zweiten Platz bei der Tour de Corse auf einem von Pioneer gesponserten 308 GTB den ersten und einzigen Podiumsplatz bei einem WRC-Lauf. Zweifellos angespornt vom Erfolg des Franzosen begann Michelotto mit der Vorbereitung eines 308 GTB für die Königsklasse des Rallye-Sports: die Gruppe B.

1983 präsentierte er seinen Gruppe B-308 GTB unter anderem bei der Trofeo Villa d’Este und im Jahr darauf bei der Rallye Citta di Bassano – beide Male mit ersten Plätzen. Doch am Ende wurden nur vier dieser Mittelmotor-Boliden gebaut. Zumindest war das bis heute die allgemeine Annahme.

Dieses prachtvolle Vollblut mit Chassisnummer 30525 war zwar nicht Teil der ursprünglichen Viererserie, erhielt aber dennoch von Michelotto die Gruppe-B-Behandlung. Sein Weg in die Gruppe B war jedoch etwas kurvenreicher als bei den bekannteren Stallgefährten. Ursprünglich war er als Serienmodell 1980 an eine piemontesische Fahrerin in der wunderschönen Kombination aus „Blu Dino“ über einer Connolly-Lederausstattung in Pelle Beige ausgeliefert worden.

Es dauerte jedoch nicht lange, bis dieser 308 GTB sein Outfit wechselte. Denn die Dame verkaufte das Auto schon bald an den Rallye-Veteranen Virgilio Facetti, der es 1982 zur Vorbereitung auf Rallyes an die Firma Autofficina Effegi schickte. Dort wurde die Werkskarosserie durch neue und ultraleichte Carbon-Kevlar-Teile ersetzt sowie ein neuer „Quattrovalvole“-Motor vom Typ F105 eingebaut, der dank neuer Mahle-Kolben und Marelli-Einspritzung satte 300 PS leistete. Zu diesem Zeitpunkt erhielt Chassis 30525 auch seine von einem der Hauptsponsoren, dem privaten TV-Kanal Rete 4 inspirierte Folierung.

In der Saison 1984 trat Facetti mit Chassis 30525 mit unterschiedlichem Erfolg bei fünf verschiedenen Veranstaltungen an. Höhepunkt war der dritte Platz bei der 2. Rallye Tre Laghi, bei der Facetti gemeinsam mit Valerio Arioli im Cockpit saß. Unzufrieden mit ansonsten nur mittelmäßigen Resultaten holte sich Facetti die Hilfe von Michelotto, um die Performance seines tänzelnden Pferdes für 1985 zu steigern.

Aufzeichnungen zufolge erhielt Chassis 30525 dann von Michelotto die neue spezifische Chassisnummer 18. Im Januar 1985 ging das Auto zum Karosseriebaumeister Lino Cazzola, der Chassis 30525 mit der letzten verbliebenen Gruppe-B-Karosserie für einen 308 GTB einkleidete. Im März desselben Jahres verpasste Michelotto dem Ferrari den letzten Schliff und lackierte ihn neu komplett in Gelb.

Im September 1985 kehrte Chassis 30525 beim 3. Valtellina Cup auf die Rallye-Bühne zurück, bestritt aber im Besitz von Facetti nur noch zwei weitere Einsätze. Im Dezember 1986 verkaufte Facetti den GTB an Fabio Penariol von Pro Motor Sport, die drei der vier ursprünglichen Gruppe-B-308-GTB gekauft hatten und auch als Sponsoren auftraten. Pro Motor Sport entwickelte das Auto im folgenden Jahr weiter, modifizierte den Motor und verpasste ihm einen neuen Anstrich in Rosso Corsa, um ihn zugleich wieder zurück auf die Gruppe-4-Spezifikation umzurüsten. 

Penariol trennte sich 1988 vom Chassis 30525, doch das war noch nicht das Ende seiner Wettbewerbskarriere: Denn dieser 308 GTB nahm in den 1990er- und frühen 2000er-Jahren weiterhin an verschiedenen Ferrari-Clubtreffen und Trackdays teil.

Der letzte wichtige Meilenstein in der Geschichte von Chassis 30525 kam 2010, als es an einen französischen Enthusiasten verkauft wurde, der das Auto rund 25 Jahre, nachdem es erstmals auf Gruppe-B-Spezifikationen umgebaut worden war, an Lino Cazzola zurückschickte. Der unterzog es einer vollständigen Restaurierung und verlieh ihm seinen vollen Gruppe-B-Glanz zurück, so wie er im Jahr 1985 aussah. Obwohl Chassis 30525 aufgrund der Motorwartung und -vorbereitung durch Facetti nie offiziell als „308 Michelotto“ anerkannt wurde, beweist seine sorgfältig dokumentierte Geschichte die enge genetische Verbindung zu den vier Originalfahrzeugen.

Jetzt wird Chassis 30525 am Montag, den 7. April, bei Aguttes‘ Tour Auto-Auktion zum Verkauf angeboten, wo ein Preis zwischen 700.000 und 1,1 Millionen Euro erwartet wird. Der Wagen hatte laut der Recherchen des Spezialisten Cyrille Jacquinot nie einen Unfall. Während der Restaurierung im Jahr 2010 wurde die originale Fiberglas-Karosserie von Michelotti demontiert; sie wird – noch immer in Rot und mit Spuren der darunterliegenden gelben Lackierung – mitgeliefert.

Fotos von Alexis Ruben

 

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Dieser Artikel wurde im Rahmen einer bezahlten Partnerschaft mit Aguttes produziert. Classic Driver ist nicht für die oben angegebenen Informationen verantwortlich.