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Ein Gespräch über Buggys und Beach Cars mit Skulpturenkünstler Benedict Radcliffe

Der Londoner Skulpturenkünstler, Designer und All-round-Kreative Benedict Radcliffe hat sich in der Welt der Drahtgitter-Skulpturen einen Namen gemacht. Von Lancia Stratos für den Schreibtisch bis zu 1:1-Lambos reicht sein Portfolio – da wollten wir mehr über die Ursprünge seines Schaffens erfahren.

Die Schönheit von Kunst geht oft weit über ihre visuellen Attribute hinaus. Die Zeit, die ein Künstler benötigt hat, um das Werk von dem Funken einer Idee bis zum fertigen Produkt zu bringen, kann leicht übersehen und unterschätzt werden. Im Fall des renommierten Skulpturenkünstlers Benedict Radcliffe (Jahrgang 1976) ist dieser Prozess Teil des Nervenkitzels. Nachdem er seine einzigartigen Kreationen bereits weltweit gezeigt hat – vom Comer See bis nach Pebble Beach und CD Shop – bleibt Radcliffe cool und bescheiden, wenn es um seinen Ruhm geht. Denn seine Leidenschaft für die Kreation eines neuen Kunstwerks ist größer als jede Gier nach Anerkennung. Wir haben ihn in seinem Londoner Studio besucht, einer wahren Fundgrube für Metalle und Motoren, um uns Einblicke in die Entstehung seiner Kunst zu gewähren.

Benedict, es ist wunderbar etwas Zeit mit Dir zu verbringen, um mit Dir über Autos und Kunst zu sprechen. Erzähl uns doch zuerst, woher die Liebe zu Autos herrührt? 

Ich gebe meinem Vater die Schuld! Ich bin damit aufgewachsen, ihm beim Reparieren von Autos und Motorrädern für sich und seine Freunde zuzusehen und ihm dabei zu helfen. Mein Vater hatte als junger Mann eine Lehre in einer LKW-Reparaturwerkstatt in der Fleet Street in London gemacht, war also ein guter Mechaniker und konnte die meisten Arbeiten ausführen. Bei uns zuhause in Maidstone in Kent gab es eine breite Auffahrt, die immer mit Autos vollgeparkt war – Volkswagen, Fiats, Renaults, und dann Toyotas. Ich war beeindruckt, als ich sah, wie er und seine Freunde Motoren mit Kränen, Brechstangen und Hämmern ausbauten...

Wurde parallel dazu auch die Liebe zur Kunst schon in jungen Jahren geprägt?

Ja – meine Eltern, die beide Kunst studiert hatten – ermutigten mich und meine Schwestern zum Zeichnen und Malen. Und überall im Haus standen auch Werke von ihnen. Wie wunderschöne antike Möbel und Erbstücke, die sie selbst gezeichnet und geformt oder auch restauriert haben, um sie in Gebrauch zu halten. Ich mochte besonders einen griechisch inspirierten Alabasterkopf, den mein Vater geschnitzt hatte. Solche Arbeiten müssen mir das Selbstvertrauen gegeben haben, zu experimentieren und schon in jungen Jahren Kunstwerke mit Farbe und aus Holz zu schaffen.

Wir wissen, dass Du einen großen Teil Deines Anfangserfolgs  der Stadt Glasgow in Schottland zu verdanken hast, wo Deine erste Ausstellung lief. Wie sah die Klassiker- und Sammlerszene dort damals aus? 

Ich habe mit viel Freude an der Mackintosh School of Art in Glasgow studiert! Und nach dem Studium habe ich bei Scott Associates als Architekturfabrikant gearbeitet. An die Autoszene dort kann ich mich ehrlich gesagt nicht mehr wirklich erinnern – ich fuhr damals lieber Fahrrad und erkundete die schottische Landschaft mit dem Bike! 

2007 bist Du dann nach London gezogen, wo wir heute in Deiner fantastischen Werkstatt sitzen. Versprüht die Stadt immer noch den gleichen „Vibe“ wie damals?

Als ich mich 2007/2008 hier niederließ, war die Brick Lane definitiv angesagt. Der Streetart-Künstler Banksy war sehr aktiv, es gab viele Kunstgalerien im East End mit Privatbesichtigungen und Eröffnungen in der Vyner Street sowie After-Partys in alten Lagerhäusern im East End. Die Brick Lane und der Stadtteil Spitalfields sind definitiv touristischer geworden. Der Anblick von Gruppen von Street-Art-Touristen trübt den früheren Charme ein wenig.... Aber ich mag die Gegend nach wie vor. Ich liebe es, Essen zu gehen, Galerien zu besuchen und in die Parks zu gehen.

Lass uns über Röhren sprechen. Deine Skulpturen sind wirklich faszinierend. Sie reichen von einem Porsche 934 im Maßstab 1:1 bis zu einem Stratos im Maßstab 1:7 als ultimative Coffee-Table-Dekoration. Wie viel Arbeit steckt in jedem Projekt? 

Danke für die Blumen! Nun, die Drahtgitter-Skulpturen sind zu meinem unverwechselbaren Markenzeichen geworden. Die Arbeiten im Maßstab 1:1, wie der 934, haben etwa fünf Monate gedauert. Ich arbeite an jedem Projekt mit einem kleinen Team. Mit sehr präzisen 3D-Zeichnungen versuchen wir, die Form und Gestalt eines Autos zu beschreiben und dabei in Bezug auf das Material so sparsam und knapp wie möglich zu sein. Wir verwenden Blaupausen, CAD-Zeichnungen und Fotoreferenzen, um das Wesen des Fahrzeugs zu erfassen. Für die kleineren Skulpturen haben wir die 1:1-Originalskulptur in 3D gescannt und an einen Maßstab von 1:15 oder 1:18 angepasst. 

Nimm uns doch mal mit, wie ein Auto im Maßstab 1:1 aus Metallrohren, einigen Skizzen und einer Menge Fantasie entsteht...

Ich habe zwei sehr große Messtische in meiner Werkstatt –3,20 Meter x 6,10 Meter – diese sind völlig flach und eben. Auf diesen Arbeitsbühnen baue ich die Autos nach einem Verfahren, das ich im Laufe der Jahre entwickelt habe. Sein Kernstück ist ein feingliedriges Gittergerüst-Klemmsystem, das alles zusammenhält, während zusammengeschweißt wird. Manchmal stehen zwei oder drei Schweißer um den Tisch herum - zwei Mig-Schweißer und ein Tig-Schweißer für die feineren Bereiche. Wenn die Arbeit nach drei oder vier Monaten der Fabrikation sowie des Schweißens, Schleifens und Polierens abgeschlossen ist, wird die Gerüstvorrichtung entfernt und das Auto steht hoffentlich stabil auf seinen Rädern! Ein schöner Moment nach all der harten Arbeit. Das Ganze wird dann noch nass gespritzt oder pulverbeschichtet. 

Du hast schon an Projekten für Toyota, Paul Smith, Nike und Rimowa gearbeitet, dazu Deine Kunst weltweit ausgestellt. Was war der bislang erinnerungswürdigste Moment in Deiner Karriere? 

Wenn ich all die Instagram-Posts der Autos von der Car Week in Monterey sehe. Der F40, den ich für Casa Ferrari in Pebble Beach 2022 produziert habe, war eine wunderbare Erfahrung. Ich habe ihn in Portland (Oregon) mit einem lokalen Team hergestellt und dann nach Monterey geliefert. Goodwood ist auch unglaublich, aber all die Autos und die Stimmung am Meer und auf dem Golfplatz zu sehen, ist einfach eine ganz andere Ebene.

Gibt es ein Auto, das Du unbedingt mit Deinen Bildhauerkünsten bearbeiten möchtest?

Vermutlich den McLaren F1, aber das wird passieren, wenn es passiert. Ich wollte daneben schon immer mal auch etwas Figürliches machen, zum Beispiel einen 1,80 Meter großen ASIMO-Roboter, ein Michelin-Männchen oder einen Astronauten... Ich mag Herausforderungen und ich habe das Gefühl, dass eine figurative Arbeit schwieriger sein wird als ein Auto, aber dabei lernt man und es macht Spaß. Ich habe eine Zeit lang in Glasgow mit einem schottischen Bildhauer zusammengearbeitet – Kenny Hunter. Ich liebe seine Arbeit und die Art, wie er die menschliche Gestalt einfängt. Er ist für mich sehr inspirierend. 

Wir können Dir gar nicht sagen, wie sehr es uns danach drängt, uns in die lebensgroße 934er-Skulptur hineinzuzwängen und so tun, als würden wir fahren. Zum Glück gibt es da ja noch Deine eigenen ikonischen Strandbuggys. Erzähl uns bitte alles über diese völlig verrückte Kreation...

Diese beiden voll fahrbaren Buggys – einen grünen und einen in einem hellen Orange – habe ich letztes Jahr für die Nautilus-Veranstaltung am Comer See gebaut. Es waren Experimente! Ich konnte alles mehr oder weniger in meiner Werkstatt machen. Die Fahrgestelle wurden auf den beiden Messtischen in einem vereinfachten Verfahren hergestellt, wie ich es auch bei den Autoskulpturen mache. Dank der Einfachheit des VW-Käfer-Motors und des Fahrwerks konnten mein Team und ich sie selbst zusammenbauen. Die Fertigstellung für die Veranstaltung erfolgte dann in letzter Minute. Und kaum waren wir angekommen, fuhr mein Freund Christophe Duchesne von Borromeo de Silva mit ihnen den Privatstrand rauf und runter – auch eine Art, sie zu testen! 

Und wie lange dauert es ungefähr, einen zu bauen? 

Vier bis fünf Monate. Die Teile werden sorgfältig kuratiert und durchdacht. Dazu schaue ich mir Filmmaterial von den Baja-Rennwagen an und durchblättere Exemplare der „Dusty Times“ mit Artikeln von damals und versuche so, diese Ästhetik weiterzuentwickeln. Dinge einfach aussehen zu lassen, ist harte Arbeit. 

Was steht sonst noch in der Radcliffe-Garage, abgesehen von diesen kecken Strandkreuzern?

Mein treuer Subaru Impreza war gerade zur Inspektion. In deren Rahmen wurden einige Dellen ausgeklopft, um eine reflektierende 3m-Folie anzubringen. Ich wurde zum TUTTO BENE Bergrennen eingeladen, das von Race Service und Borreomeo deSilva organisiert wird. Ich wollte schon seit längerem mit der reflektierenden 3m-Folie experimentieren, und das schien mir die perfekte Gelegenheit zu sein.

Von Gitterrohrrahmen bis hin zu spektakulären Objekten für den Schreibtisch – Du hast mit Deiner Arbeit wirklich einen Nerv getroffen. Kannst Du uns zum Schluss in geheime Projekte einweihen, an denen Du gerade arbeitest? 

Ich versuche immer noch, qualitativ hochwertige Merchandising-Artikel und Kleidung zu produzieren. Die Mützen und T-Shirts sind gut angekommen, und ich arbeite mit einer Firma in Leicester zusammen, um in kleiner Auflage wunderschöne Baumwoll-Viertelreißverschlüsse und Kapuzenpullis zu produzieren. Sie werden hier im UK hergestellt und können mit allem mithalten, was aus den USA und Kanada kommt. Die bisher produzierten Muster sind erstaunlich – ich bin begeistert davon.

Vielen Dank für Deine Zeit – und wir sehen uns dann am Strand! 

Fotos von Tom Shaxson für Classic Driver 2024

Sie können mehr über Benedict Radcliffe erfahren und seine Kreationen direkt hier im CD Shop erwerben

 

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