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Dieser McLaren F1 GTR half bei der Geburt des wildesten Mercedes der 90er-Jahre

Ende der 1990er-Jahren sahen sich Mercedes und McLaren in der GT1-Klasse in einer der härtesten Schlachten der Motorsport-Geschichte verwickelt. Was kaum jemand weiß: Dieser McLaren F1 GTR mit Chassis-Nummer #11R spielte eine Rolle bei der Entwicklung seines deutschen Erzrivalen: des CLK GTR.

In der Geschichte des Automobils haben bestimmte Modelle die Herzen von Petrolheads mehr berührt als andere. Der McLaren F1, entwickelt vom damaligen Konstrukteur der McLaren-Formel-1, Gordon Murray, gehört definitiv in die Ruhmeshalle ikonischer Renn- und Straßensportwagen. Während jeder der 106 bei McLaren in Woking gebauten F1 bis heute die Fähigkeit besitzt, die Pupillen eines jeden anspruchsvollen Sammlers zu erweitern, ragen bestimmte Typen wegen ihrer einzigartigen Spezifikation, ihrer Geschichte oder ihrer prominenten Besitzer nochmals heraus. Heute werden wir die Geschichte eines solchen F1 erforschen: des in der McLaren-Hausfarbe Papaya Orange lackierten Chassis #11R.

Schon ein Detail verrät uns, dass #11R kein gewöhnlicher F1 ist. Die großen Lufteinlässe an der Front und der aggressive Heckflügel weisen ihn als einen von nur 28 gebauten F1 GTR aus, von denen wiederum 18 Kurzheckmodelle wie dieses waren. Als eines von neun Modelle für die Saison 1996 wurde der Wagen an Fabien Giroix Racing geliefert, wo er dessen Vorjahres-F1 #7R ersetzte. Als neuer Hauptsponsor des anfangs ganz in Weiß lackierten Modells fugierte der Schweizer Uhrenhersteller Frank Muller. 

Nach einem siebten Platz beim Saisonauftakt in Paul Ricard feierte Fabien Giroix mit seinen Mitstreitern Jean-Denis Délétraz und Didier Cottaz in Monza mit Platz zwei das beste BRP-Saisonresultat. Bei den 24 Stunden von Le Mans, nun mit #11R in einer orange/schwarzen Lackierung von Frank Muller, fielen der Franzose, Maurizio Sandro-Sala und Deletraz dagegen früh aus. Ein 14. Platz im Schlussklassement der BPR-Serie war nicht gerade repräsentativ für sein Potenzial, das der McLaren zum Saisonende mit zwei Plätzen bei internationalen Rennen in Curitiba und Brasilia (für Giroix und Sandro-Sala) nochmals bewies. 

In der Saison 1997 kam #11R, anders als zu erwarten, dann nicht mehr zum Einsatz. Giroix Racing wechselte auf einen Lotus Elise GT1, und der neue Besitzer von #11R, Labre Compétition, verlieh den McLaren an AMG-Mercedes, wo er dann bei der Geburt eines neuen Rennmonsters mithalf. Man sollte meinen, dass ein Unternehmen mit so viel geballter Technologie und Finanzkraft wie Mercedes-Benz solch ein Projekt wie den kommenden CLK GTR unter Einsatz aller Ressourcen selbst hätte schultern können. Aber die hohen Tiere in Stuttgart gaben ihren Ingenieuren einen verdammt knappen Zeitrahmen von nur 128 Tagen vor. Also brauchten sie eine Rettungsleine, und die war #11R! 

Die Logik war ziemlich einfach: Der McLaren F1 mit seinem BMW V12 und der kommende CLK GTR ähnelten sich in vielerlei Hinsicht, was #11R zum idealen Testfahrzeug für die Entwicklung des Aero-Pakets und des neuen 6,0-Liter-V12 machte. Natürlich hing es Mercedes nicht an die große Glocke, das Modell eines Konkurrenten als Geburtshelfer für die neue GT-Wunderwaffe aus Stuttgart zu nutzen. Aber Fotos von Testfahrten auf der Rennstrecke von Jarama bei Madrid zwischen dem 10. und 14. März 1997 kamen ans Licht. Sie zeigten den unverdächtig weißen #11R mit einem Bodykit, der dem des kommenden CLK GTR verdächtig ähnelte. Erstaunlicherweise gelang es #11R mit dem neuen Motor und der neuen Karosserie, die McLaren-Bestzeit vom Jarama-Rennen im April 1996 um etwa zwei Sekunden zu unterbieten. 

Am Steuer saßen mit Bernd Schneider und Marcel Tiemann ein bereits etablierter und ein kommender Mercedes-Werksfahrer. Schneider war 1995 (auf Mercedes) letzter Meister der „alten“-DTM und war neben Klaus Ludwig gesetzt als Top-Fahrer für die Saison 1997 der FIA-GT-Serie. Marcel Tiemann hatte 1996 das prestigeträchtige Formel-3-Rennen in Monaco gewonnen, was dem Hamburger einen Werksvertrag für Mercedes und die Mitgliedschaft im GT1-Team bescherte.  

Der Mercedes-Benz CLK GTR wurde in der letzten März-Woche fertig. Nachdem #11R geholfen hatte, ihn einsatzbereit zu machen, wurde er auf seinen Originalzustand zurückgebaut, zum Verkauf ausgeschrieben und in einer schwedischen Privatsammlung willkommen geheißen. Sein neuer Besitzer besaß bereits das straßentaugliche F1-Chassis #51, wollte aber noch einen zweiten F1 für ein noch puristischeres und intensiveres Fahrerlebnis. Ergo schickte er den #11R noch einmal zurück an dessen Geburtsort Woking, wo die McLaren-Meister den Auftrag erhielten, den Wagen in den ultimativen Track-Day F1 zu verwandeln – gleichwohl mit einer Zulassung für den öffentlichen Straßenverkehr. Zugleich ließ der neuen Besitzer den #11R als Hommage an die von Bruce McLaren gegründete Marke im ikonischen Farbton Papaya Orange lackieren. 

Nach diesem Umbau holte der schwedische Hüter von #11R seinen ganzen Stolz in Woking ab und brachte ihn zwecks Zulassung in seine Heimat zurück. In den folgenden Jahren setzte er #11R bei lokalen Track Days ein und fuhr ihn auch regelmäßig auf öffentlichen Straßen. In dieser Zeit tauchte der Wagen sogar in schwedischen TV-Sendungen und Automagazinen auf. Nach einem weiteren Besitzerwechsel verbrachte #11R einige ruhige Jahre in Italien, in denen er regelmäßig das McLaren-Werk für Service und Gesundheitschecks besuchte.

Heute steht die Nummer 11R im dänischen Middelfart zwischen den anderen Einhörnern im Stall von Selected Car Investment. Kürzlich wurde er für 30 Millionen Euro gehandelt und festigte damit den Status des McLaren F1 als eines der begehrtesten Sammlerfahrzeuge der Welt. Es versteht sich von selbst, dass alle McLaren F1 etwas Besonderes sind, aber #11R hebt sich als einziger F1 GTR ab, der vom McLaren-Werk von einer Renn- auf eine Straßenspezifikation umgerüstet wurde. Und da er wie kein anderer den Titel eines Stammvaters des Mercedes CLK GTR für sich beanspruchen kann, ist er wirklich einzigartig.

Fotos von Alex Penfold

Dieser Artikel entstand im Rahmen einer bezahlten Partnerschaft mit Selected Car Investment. Classic Driver ist nicht verantwortlich für die oben gegebenen Informationen.