Wenn Ihnen jemand sagt, dass er an der Theorie zweifele, dass aus Form und Funktion Schönheit entsteht, dann zeigen Sie ihm diesen Dino 206S, der in der nächsten Woche im Rahmen der zunehmend beliebteren „Sotheby's Sealed“-Privatgebotsauktion versteigert wird.
Ferrari wollte ursprünglich zwecks Homologation in der Gruppe 4 5o Exemplare des für die neue Zweiliter-Klasse gedachten Dino 206 S auflegen. Doch wegen Streiks in Norditalien – aber auch in typischer Ferrari-Manier !– wurden es am Ende nur 18, sodass der Dino in der Prototypen-Klasse antreten musste. Zwei der 18 kamen von Pininfarina und drei waren Coupés (Berlinettas). Womit die attraktivsten – und wohl auch begehrtesten – Modelle die 13 nach Entwürfen von Piero Drogo gebauten Spyder sind. Für deren Einkleidung zuständig war die seit 1960 in Modena aktive Carrozzeria Sports Cars, zu dessen Gründern der Ex-Rennfahrer und Ferrari-Händler Drogo zählte.
Die Tatsache, dass es sich bei diesem Auto mit Chassisnummer 032 um den allerletzten gebauten 206S und zugleich um eines von nur zwei Modellen mit der leistungsstärksten Evolution des Zweiliter-65°-V6-Motors (Tipo 233) mit 270 PS handelt, macht diesen Ferrari besonders begehrenswert. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass zwischen dem 15. und 17. Februar einige „versiegelte Umschläge“ auf der Fußmatte von RM Sotheby's landen werden.
206S-032 wurde offiziell 1967 hergestellt, kam aber schon 1966 und dann auch 1967 bei einer Reihe von italienischen Bergrennen zum Einsatz. Erster Besitzer war jedoch der neapolitanische Ingenieur und Bauunternehmer Corrado Ferlaino, der – etwa zur gleichen Zeit – Anteilseigner beim Fußballclub SSC Neapel wurde und 1984 – nunmehr als Mehrheitseigner – den legendären Diego Maradona verpflichtete.
Auch wenn das Design so nicht „von der Hand Gottes“ bestimmt worden sein konnte, machten die aerodynamische Drogo-Karosserie über dem mit tragenden Aluminium-Blechen und Glasfaser verkleideten Gitterrohrrahmen sowie die dank Lucas-Einspritzung leistungsstärkste Version des noch auf den früh verstorbenen Ferrari-Sohn Alfredo („Dino“) zurückgehenden V6 den 206 S zu einer ernstzunehmenden Waffe. Nicht nur in der Zweiliter-Klasse, sondern auch im Kampf um den Gesamtsieg.
Auf der Erfolgsliste der Saison 1966 standen ein zweiter und dritter Platz beim 1000-km-Rennen auf dem Nürburgring (Scarfiotti/Bandini und Rodriguez/Ginther), ein zweiter Platz bei der Targa Florio (Guichet/ Baghetti, ein sechster Platz bei den 1000 km von Spa (Attwood/ Guichet) sowie weitere Top-Platzierungen bei europäischen Bergrennen.
Chassis 032 wurde im November 1968 im Ferrari-Werk grundlegend aufgefrischt, ehe es zum ersten in einer Reihe mehrerer französischer Besitzer gelangte. 1979 kam 206 S-032 dann in die berühmte Ferrari-Sammlung von Pierre Bardinon
Der Franzose wurde in historischen Ferrari-Kreisen legendär, weil er in den 1970er- und -80er Jahren geschickt ehemalige Rennwagen kaufte, als deren Werte nur einen Bruchteil der heute aufgerufenen Kurse betrugen.
Sein beeindruckendes Familienvermögen (aus der Gerberei Chapal und dem Geschäft mit Lederwaren) ermöglichte ihm ein stilvolles Leben in Mas du Clos, dem Anwesen in der Nähe von Aubusson, wo er ein hochmodernes, museumsähnliches Refugium für seine geliebten Ferrari baute, von denen es auf dem Höhepunkt der Sammlung 50 gab.
Aber die Autos nur rumstehen zu lassen, wie es viele große Sammler tun, war nicht Bardinons Sache. Er wollte, dass sie so genutzt werden, wie sie eigentlich gedacht waren. Deshalb ließ er 1963 auf dem Gelände von Mas du Clos eine kurze, 400 Meter lange Rennstrecke bauen, die bei der Übergabe des 206S bereits auf drei Kilometer verlängert worden war, mit schnellen Kurve, engen Biegungen und weit geschwungene Geraden.
Bardinon rühmte sich damit, auf seiner privaten Rennstrecke zwischen 40 und 50 Stunden pro Jahr „ernsthaft“ gefahren zu sein – und obwohl er den 206S nicht lange besaß, ist es fast sicher, dass er es genoss, ihm bei mehr als einer Gelegenheit Auslauf zu gewähren.
Irgendwann in den 1980er Jahren verkaufte Bardinon den Wagen an einen ebenso leidenschaftlichen französischen Ferrari-Fan, Jacques Setton. Der sich zwar auf Formel-1-Wagen konzentrierte, aber alles mochte, was von dem eindrucksvollen Dino-V6 angetrieben wurde.
Tatsächlich hat dieser 206S einen derartigen „Blue-Chip“-Status, dass er in den letzten 50 Jahren nur in außergewöhnlichen Sammlungen zu finden war – nach Bardinon und Setton ging er an den britischen Kenner Rob Lamplough und wurde dann von Carlos Monteverde erworben, der ihn mehrfach in der Ferrari Historic Challenge-Serie einsetzte.
2013 kaufte dann ein amerikanischer Sammler den Wagen und ließ ihn 2014 im Ferrari-Werk einer „Ground up”-Restaurierung unterziehen. Ein Prozess, der ihm die begehrte „Red Book“-Zertifizierung einbrachte und bestätigte, dass der Dino immer noch mit dem korrekten Motor (4), dem nummerngleichen Getriebe (11), der originalen Karosserie und dem identischen Fahrgestell ausgestattet war.
Die „Sealed sale“-Verstigerung bei Sotheby's ist das erste Mal, dass der letzte Dino 206S seit mehr als einem Jahrzehnt zum Kauf angeboten wird. Und man kann mit Fug und Recht behaupten, dass er heute ein noch besseres Auto ist als 1966, als er zum ersten Mal aus dem Werk in Maranello rollte.
Jarrett Rothmeier, Senior Vice President bei RM Sotheby's Private Sales, sagt zu diesem einzigartigen Sportprototypen: „Der Dino 206 S gilt weithin als einer der bestaussehenden Sportwagen der 1960er Jahre und kann auf eine äußerst erfolgreiche Rennbilanz verweisen. Mit Podiumsplätzen bei Sportwagen-WM-Läufen wie den 1000 km auf dem Nürburgring und der Targa Florio sowie Dutzenden von Siegen bei Bergrennen ist es fast unmöglich, einen besseren Sportwagen aus Ferraris goldenen Jahren und auf diesem Werteniveau zu finden. Chassis 032 stellt eine seltene Gelegenheit dar, ein Ferrari Classiche Red Book-zertifiziertes Exemplar mit dem Tipo 233-Motor der letzten Evolutionsstufe zu erwerben. Der Wagen ist bereit, auf der Rennstrecke und/oder bei einem Concours eingesetzt zu werden."
Wenn es Sie reizt (und Sie eine anständige siebenstellige Summe in einen virtuellen Umschlag stecken können), sehen Sie sich das Angebot auf rmsothebys.com an. Wo die versiegelte Auktion nur drei Tage lang, vom 15. bis einschließlich 17. Februar, laufen wird.
Und denken Sie daran: Falls Sie das höchste Angebot abgeben, wird den genauen Betrag niemand je erfahren....
