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Youtube-Star und Klassikerliebhaber TGE vermisst bei modernen Autos den Charakter

Anders als viele seiner Gleichaltrigen hat Youtube-Star TGE den jüngsten 1000-PS-Hypercars mehr oder weniger den Rücken gekehrt – zugunsten von Klassikern mit einem Fünftel der Leistung aber soviel mehr Charakter. Wir haben uns mit ihm über diesen ungewöhnlichen Sinneswandel unterhalten.

Tom Exton, besser bekannt als Youtube-Persönlichkeit TGE TV, widersetzt sich der Social Media-Manie für exzessives Hyper-Metall und hat sich den klassischen Automobilen zugewandt, die vom Fahrer mehr beherztes Engagement fordern, als die jüngsten Modelle. Er avancierte jüngst zum stolzen Besitzer eines Ferrari Testarossa Monospecchio. Wir haben uns mit dem liebenswürdig offenen Internetstar getroffen, um zu hören, weshalb ihm heute Patina statt PPF-Treatment am Herzen liegt. 

 

Wie würden Sie sich beschreiben, wenn Sie auf den Begriff „Youtuber“ verzichten müssten?

“Ich würde wahrscheinlich „Autosammler“ sagen und das ist um einiges angenehmer, als das, was ich in meinem Kommentarfeld auf Youtube über mich lesen muss!”

 

Was war Ihr erstes Auto, Ihr erster Supercar und Ihr erstes klassisches Auto? 

“Meine erstes Auto war ein Renault Clio mit einer britischen H-reg-Zulassung, also ziemlich betagt. Wir kauften ihn für 450 Pfund und ich teilte das Auto mit meinem Bruder, weil wir uns nichts anderes leisten konnten. Mein erster Supersportwagen war ein Lamborghini Huracan RWD 580-2, mein erster Klassiker war mein 996 Carrera 4S. Ich weiß nicht, ob das als klassisch gilt, aber mein erster „echter“ Klassiker war mein Porsche 912 von 1966.”

 

Gibt es Autos, deren Verkauf oder Kauf Sie bereuen? 

“Ich habe einen Ferrari GTC 4 Lusso gekauft, um einen 488 Pista zugeteilt zu bekommen. Das hätte ich nicht tun sollen – den Kauf habe ich bereut. Es war das erste Mal, dass ich mich an so einem Kalkül beteiligt habe und ich mache es nie wieder. Es tut mir leid, dass ich den Vantage AMR verkauft habe. Er war ein bisschen wie unser Brotaufstrich Marmite – du liebst ihn oder hasst ihn. Aber das Auto war tatsächlich wertbeständig, was gut für einen eher unglücklichen Besitzer ist. Es war aber wirklich ein cooler Aston – selten genug in dieser Zeit. Letztlich war der AMR ein herausgeputzter V8 Vantage S, aber sehr selten.”

 

Gehörten Ihnen auch Autos, die Sie wirklich gehasst haben?

“Ich habe einen fabrikneuen McLaren 720S gekauft und es war entsetzlich. Das Armaturenbrett leuchtete wie ein Weihnachtsbaum auf, wenn ich ihn fuhr, das Auto stotterte im Verkehr, die Spaltmaße waren riesig und alles quietschte. Das ereignete sich während McLarens schwieriger Phase um 2017. Es soll heute besser geworden sein, aber ich würde es nicht mehr riskieren. Im Vergleich zu diesem Erlebnis war der 488 Pista unglaublich. Ich bereue irgendwie schon, dass ich ihn verkauft habe, aber er musste weg. Ich habe allerdings keinerlei Interesse an dem 296 GTB – diese Hypermobile sind nicht mein Ding. Ich gebe doch nicht 300.000 Pfund aus für ein Auto, das mich ruckzuck in einer 30er-Zone auf fast 200 Stundenkilometer katapultieren könnte.”

 

Glauben Sie, dass moderne Autos mit der Jagd nach Power und Speed die Orientierung verloren haben?

“Ja, das glaube ich! Es geht nur noch um Leistungsdaten und gleichzeitig werden wegen der Regulierungen moderne Autos immer steriler. Die rechtlichen und regulierenden Aspekte beim Autobau verhindern die Einbeziehung des Fahrers. Ich vermute, das manuelle Schaltgetriebe ausgemustert werden, um Emissionen zu senken, andererseits kann man eine klassische Schaltung nicht in ein über 1.000 PS starkes Auto integrieren. Abgesehen von ihrem Nutzen als Daily Driver, faszinieren sie mich nicht. Moderne Autos sind wie Weißware.”
 

Wann haben Sie sich von den aktuellen Superlativmodellen den Klassikern zugewandt und gab es da einen speziellen Moment des Umdenkens?

“Ich glaube, als ich mit dem 720S und Pista & Co. erste Erfahrungen machte, habe ich das Interesse verloren. Ich habe die Bestellungen für meinen Lamborghini Aventador SVJ und den Ferrari 812 storniert, weil man in London nur mehr bis 30 Stundenkilometer beschleunigen kann. Ich fragte mich, ob es nicht noch etwas anderes gibt.”

 

Was hat Sie zum Testarossa gezogen?

“Als ich jung war, spielten alle das Videospiel OutRun und schauten „Miami Vice“ – das war eben das Auto, von dem wir alle träumten.  Es konnte also nur ein Monospecchio mit dem Zentralverschluss am Rad, weil er genau so aussah, als er 1984 beim Pariser Autosalon enthüllt worden war. Das war bevor die Regularien einen Strich durch die Rechnung machten und ein zweiter Außenspiegel montiert werden musste. Ich hatte schon eine ganze Weile gesucht, ehe dieses Exemplar auftauchte: Es ist Classiche-zertifiziert und es gibt nichts, was mit dem Auto geschehen ist, dass nicht in seinem Historie-Heft vermerkt ist. Ich liebe diesen Testarossa und er ist auch überraschend einfach zu fahren. Damals galt er als riesig, aber er ist nicht größer als ein Pista.”

 

In Ihrer Garage dominieren Porsche und Ferrari. Wie messen sich deren moderne Autos mit früheren Modellen und finden Sie, dass sich die beiden Marken in die richtige Richtung bewegen?

“An der Spitze der modernen Ferrari steht mit Sicherheit die Ära 458, FF, F12 – als Pininfarina für das Design verantwortlich war und das Regelwerk nicht verrückt. Von den Zahlen her sind sie auch ziemlich selten. Außerdem sehen sie mit den Jahren immer besser aus. Ich liebe den F12 – ich habe jetzt meinen zweiten, weil ich meinen ersten für einen 991 GT3 bei einem Deal eintauschte, bei dem er mich eigentlich nichts kostete. Ich habe es bereut. Aber jetzt habe ich einen anderen. Das aktuelle Auto ist in Grigio lackiert mit einem Bordeaux-Interieur und allem, was die Konfiguration hergibt. So einen habe ich nirgendwo gesehen und ich bin begeistert. Übrigens, einer der wenigen Supersportwagen, bei dem die Menschen einen nicht gleich hassen.

“Porsche gehört zu den wenigen Herstellern, die neue Autos bauen, die nach wie vor aufregend sind und Menschen begeistern. Ich weiß nicht, wie sie es schaffen, immer wieder einen GT3 vorzustellen, der zwar wie die Vorgänger ist, aber noch viel begehrenswerter und für eine Käuferschlange sorgt. Sie verstehen, was sie tun. Außerdem unterstützt Porsche wie wenige andere die eigenen Markenklassiker, die Welt der Restaurierung und die Restomod-Szene. Es ist ein Kult. Egal, was man sich einbildet, sie haben das passende Auto dazu. Sogar der Taycan ist ziemlich cool – das beeindruckt schon sehr, weil es ein Elektroauto ist. Sollte ich noch einen Porsche kaufen, dann einen 993 oder sogar einen 964, wenn ich einen günstigen ausfindig machen kann.”

 

Was halten Sie von der Restomod-Mode? Hat einer Ihr Interesse geweckt? 

“Ich liebe die Tatsache, dass alles jetzt das Restomod-Treatment bekommt, selbst der neue Renault 5 Turbo 3 ist umwerfend. Ich glaube, dass viele in der Szene mit einer genial guten Interpretation die Werbetrommel rühren, damit sie es finanzieren können. Ob das wirklich funktioniert, weiß ich nicht, aber es ist schon ein cooler Trend. Mir gefällt Automobili Amos mit dem Futurista sehr gut. Aber was elektrische Restomods angeht, weiß ich nicht, wo ich stehe. Letztlich finde ich, dass ein rasselnder, stark riechender und alter Sportwagen so bleiben sollte, wie er ist.”

 

Glauben Sie, dass generell Verbrennerautos an Wert gewinnen, während sie durch Abgasvorschriften zunehmend verbannt werden?

“Ich glaube nicht, dass die Preise durch die Decke gehen werden, aber ökonomische Gesetze werden auch nicht außer Kraft gesetzt. Junge Leute in ihren Zwanzigern, die jetzt nicht in ihr Traumauto steigen können, werden es in zehn Jahren wollen, wenn sie es sich endlich leisten können. Als Petrolheads werden wir uns um diese verknappende Ressource streiten. Ich sehe keinen Grund, weshalb sie komplett von der Bildfläche verschwinden, aber Autos werden sich in zwei Richtungen entwickeln. Da gibt es diese Weißware-Alltagsfahrzeuge und dann das Weekend-Auto für den Enthusiasten. Ein Daily Driver muss nicht unbedingt Geräusche erzeugen und Schadstoffe emittieren.”

 

Welche Qualitäten müssen Autos besitzen, damit sie einen Stammplatz in Ihrer Garage erhalten? 

“Okay, alles was eine Ikone zeitlosen Designs ist und potenziell langfristig solide ist. Niemand redet gerne über den Wert eines Autos. Ich wünschte, ich wäre an einem Punkt, wo mir Werte komplett egal sind. Aber auf meinem Konto fehlen noch ein paar Nullen, um diesen Aspekt gleichgültig und nonchalant zu betrachten. Mit alten Autos ist doch so, dass man sie restauriert und sie dadurch mehr wert sind – das Geld hat man nicht verloren. Generell ist es wie beim Carrera GT: Ein Auto, das limitiert ist und als Ikone gilt und außerdem einen historisch bedeutsamen Moment der Marke beschreibt, ist immer eine gute Nachricht.”

 

Zum Abschluss: Was hält die Zukunft für sie und Ihren Kanal in den nächsten Jahren bereit?

“Ich werden weiter das tun, was ich tue: noch mehr moderne Klassiker und vermutlich noch ein paar Hassliebe-Autos. Ich hatte eine Phase auf meinem Youtube-Kanal, da habe ich unheimlich viel moderne Dinge gekauft. Das war zwar gut fürs Wachstum, aber ich bin nicht mit diesen Autos aufgewachsen, also gab es auch keine emotionale Bindung. Außerdem freue ich mich sehr auf die Style-Rallye Modball Classic. Was Youtube betrifft: Ich habe mir eine Serie ausgedacht, bei der ich die Hero Cars meiner Kindheit fahre. Das hängt von reizenden Menschen und Händlern ab, die mir gestatten, diese Modelle zu erleben. Alles vom Renault Clio Williams bis zu dem Countach 25. Allerdings verlangen diese Projekte einen gewissen Grad an Organisation. Das habe ich zwar nicht, aber ich hoffe, dass man es bald bei mir sehen kann!”

 

Fotos: Tom Shaxson © 2021