Wenn man sein Unternehmen in der Nähe von Stuttgart aus der Taufe hebt, dann atmet allein schon das Umfeld Automobilgeschichte. Kein Wunder also, wenn im großzügig-eleganten Showroom von Arthur Bechtel Classic Motors größtenteils schwäbische Schönheiten wie das Mercedes-Benz Cabriolet 320 B, der Mercedes-Benz 190 SL Roadster oder ein Porsche 356 als Pre-A Speedster parken.
Was ist Ihre früheste automobile Erinnerung?
Meine erste, wirklich ernsthafte Erinnerung stammt aus der Zeit, als ich etwa 16 Jahre alt war. Damals habe ich zum ersten Mal den Showroom meines Vaters mit all diesen klassischen Automobilen tatsächlich bewusst wahrnehmen und würdigen können. Nach einer anschließenden unbeschreiblichen Probefahrt in einem roten Jaguar E-Type Serie I Coupé war es dann vollends um mich geschehen.
Wie kam es, dass Sie sich für einen Beruf, der mit Automobilen zu tun hat, entschieden haben?
Im Familienbetrieb meines Vaters wurde ich natürlich schon früh mit dem „Klassikervirus“ infiziert. Doch es war zuerst nur eine Leidenschaft. Eigentlich wollte ich ursprünglich ins Ausland und dort studieren. Aber es ist eben nicht immer alles planbar, so dass ich dann später eher zufällig ins Unternehmen gekommen bin. Und bis heute keinen Ausstieg gefunden habe! Abgesehen davon, bin ich natürlich froh, dass es überhaupt so weit gekommen ist und kann mir heute auch nichts anderes mehr vorstellen.
Was fasziniert Sie an Autos?
Für mich vermitteln Autos das Gefühl von grenzenloser Freiheit sowie die Möglichkeit, sich mit verschiedenen „Charaktertypen“ auf Rädern fortzubewegen. Jedes Fahrzeug hat doch seine spezifischen Merkmale und eine sehr individuelle Geschichte.
Nach welchen Kriterien wählen Sie die Automobile in Ihrem Showroom aus?
Alles werden wir Ihnen natürlich nicht verraten (lacht)! Aber primär müssen die Wagen durch Charakter und Erscheinungsbild unseren Vorstellungen eines erhaltenswerten Klassikers entsprechen. Hierzu zählen selbstverständlich Kriterien wie Hersteller und Baureihe, darüber hinaus jedoch auch die Nachfrage seitens unserer Kunden und potentiellen Käufern. Ist der Wagen dann noch in einer geringen Stückzahl produziert worden, erregt dies natürlich unsere besondere Aufmerksamkeit. Ich gebe Ihnen zwei Beispiele: Aktuell haben wir ein Mercedes-Benz 220 Coupé vom Typ W187, Baujahr 1955, im Angebot, von welchem insgesamt nur 85 Einheiten die Werkshallen verlassen haben. Allen voran dann unser Mercedes 630K Murphy aus dem Jahre 1924, der eine Spezialkarosserie der Firma Murphy besitzt und ein absolutes Einzelstück ist.
Gibt es Marken, zu denen Sie besonders tendieren?
Nicht zuletzt aufgrund unserer regionalen Wurzeln, schlägt unserer Herz natürlich besonders für Fahrzeuge der Marken Mercedes-Benz und Porsche. Traditionell, denn mein Vater gründete den Betrieb 1972 als Spezialist für Jaguar, ergänzt natürlich auch der ein oder andere sportlich-elegante Engländer das Angebot. Darüber hinaus begeistern uns sportliche Klassiker aller europäischen Marken aus der goldenen Epoche der fünfziger, sechziger und siebziger Jahre.
Welche Attribute muss ein Klassiker besitzen, um von Ihnen in den Bestand aufgenommen zu werden?
Ist ein Fahrzeug auf höchstem Niveau restauriert sowie von einer renommierten europäischen Marke, stehen die Chancen gut, Bestandteil unseres Angebots zu werden. Autos mit herausragender Historie oder mit dem Charakter eines Unikats dürfen darüber hinaus auch gerne etwas Patina besitzen. Letztlich ist es aber immer eine Einzelfallentscheidung.
Worauf kommt es in Ihrem Beruf besonders an?
Einfach zusammengefasst: Netzwerk, Diskretion, Vertrauen, direkter und persönlicher Kundenkontakt sowie der Drang zur ständigen Weiterentwicklung und Verbesserung. Wir verkaufen keinen Gebrauchsgegenstand für den Alltag, sondern die Chance, Fortbewegung intensiv zu erleben.
Was erwarten Ihre Kunden von Ihnen?
Es geht um weit mehr als nur um das Produkt „Oldtimer“. Unsere Kunden erwarten von uns ein Rundum-Sorglos-Paket in perfekter Qualität. Dieser vollumfängliche Service reicht von der Bestellung eines Ventilkäppchens bis hin zur Eheberatung und Hotelbuchung – alles schon vorgekommen. Man kann uns manchmal mit einem Concierge-Service vergleichen. Aber auf eines sind mein Vater und ich sehr stolz: Ich kann sagen, dass neunzig Prozent unserer Kunden mehr als nur ein Auto bei uns erwerben. Und manchmal muss man das Unmögliche möglich machen können. Da war ein Geschäftsmann, der nach einem besonderen Geburtstagsgeschenk für seine Frau suchte. Er entschied sich für einen Mercedes-Benz 190 SL Roadster, hatte aber keine Zeit, sich vor dem Verkauf das Fahrzeug anzusehen: „Mein Pilot landet heute um 16.30 Uhr in Stuttgart - können Sie nicht einfach den Wagen zum Flughafen aufs Rollfeld bringen?” Gesagt, getan. Unser Kunde war von dem Service und dem 190 SL so angetan, dass er gleich auf dem Rollfeld den Kauf perfekt gemacht hat. Nach einem kurzen Zwischenstopp zur Geburtstagsfeier in Monaco parkte der SL dann fertig zugelassen vor der Villa des Paares in Beverly Hills. Wie wir hören, fährt die Ehefrau lieber mit ihrem Klassiker ins Büro als mit ihrem modernen Auto.
Hat sich das Business in den letzten Jahren verändert? Was erwarten Sie von der Zukunft?
Ja, unser Geschäftsfeld hat sich sogar gravierend verändert. So sind beispielsweise die Märkte für Beschaffung und Absatz viel internationaler geworden. Unsere Kunden kommen im Grunde genommen aus aller Welt, so wie wir weltweit nach geeigneten Fahrzeugen und Restaurierungsprojekten suchen. Insgesamt ist die Fachkenntnis unserer Kunden stark gestiegen und somit sind auch die Ansprüche an die Leistungserfüllung – sowohl bei Produkt als auch hinsichtlich Service – enorm gewachsen. Durch die aktuell hohe Marktattraktivität tummeln sich leider auch viele unseriöse Mitbewerber auf dem Markt, welche – insbesondere Neueinsteigern – schlechte Qualität zu völlig überzogenen Preisen anbieten und damit der gesamten Branche schaden. Unsere Herausforderung liegt darin, dass wir uns von diesen Marktteilnehmern durch kontinuierlich hohe Qualität abgrenzen. Was jetzt wie eine Worthülse aus irgendeinem Marketing-Meeting klingen mag, bestätigen uns unsere Kunden leider – oder auch glücklicherweise – immer wieder: Die auf dem Markt oft verwendete Bezeichnung „Zustandsnote 1“, entspricht meist bei weitem nicht unseren Kriterien an ein perfektes Fahrzeug nach ABCM-Zustandsnote 1.
Gibt es ein Auto, das Sie lieber behalten hätten?
Zum Glück ändern sich die Geschmäcker laufend (lacht). Als Händler baut man natürlich zu jedem Fahrzeug eine gewisse emotionale Bindung auf. Dies beginnt in der Regel schon ganz am Anfang, wenn wir die Fahrzeuge an irgendeinem verlassenen Ort in desolatem Zustand auffinden und beschließen, sie wieder in altem Glanz auferstehen zu lassen. Tief tauchen unsere Spezialisten in die jeweilige Historie ein und entdecken nicht selten Exemplare aus prominentem Vorbesitz oder mit spektakulärer Vorgeschichte. Bei einem Mercedes-Benz 320 Cabriolet A fanden wir beispielsweise Einschusslöcher im Kotflügel. Während des Restaurierungsprozesses fließen dann viele Stunden Arbeit, Schweiß und jede Menge Herzblut unserer Restauratoren hinein, bevor die Autos die längst vergangenen Zeiten wieder zum Leben erwecken. Keine Frage, dass man dann etwas Demut empfindet, wenn der Wagen vom Hof rollt. Die strahlenden Augen der neuen Besitzer entschädigen jedoch für vieles…
Was fahren Sie am Wochenende?
Aufgrund der Vielzahl an Veranstaltungen sind es meist die schnellen Alleskönner, doch leider sind diese Transportmittel, die mich am Wochenende befördern, manchmal auch arm an Emotionen. Ich bin also mehr Fahrgast, selbst wenn ich hinterm Steuer sitze, als Fahrer. Leider bleibt die Zeit zum Genießen der „Entschleunigung“ – wie sie beispielsweise ein lässiges Cabriolet aus den Fünfzigern oder Sechzigern liefern würde, viel zu oft auf der Strecke.